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Gedanken über Tempozüge
von René J. Millour, F-Offenheim
1
René J. Millour
Šachová skladba 2007
1. Preis
#22 (7+10)
Es liegt nahe, Ba4 schnell mittels 1.Ka3? Lh2 2.K:a4 zu nehmen und mit 2.- Lg1 3.Ka5 Lh2 4.Ka6 Lg1 fortzufahren. Aber mit 5.Ka7 kommt man nicht weiter, weil nach 5.- S~ der wS durch Lg1 gefesselt ist und nach 6.K:a8 Schwarz L:c5! hat. Der wK muss darum warten: 1.Ka2! (1. Tempo, auf 1.- Lh2? geht 2.Ka3 Lg1 3.K:a4 Lh2 4.Ka5 Lg1 5.Ka6 g5 usw.), aber Schwarz zieht besser 1.- a3! und Weiß wird ein zusätzliches Tempo brauchen: 2.K:a3 Lh2 3.Kb3 (2. Tempo!) Lg1 4.Ka4 Lh2 5.Ka5 Lg1 6.Ka6 g5. Jetzt ist der wK gefährlich nahe; gegen 7.Ka7 musste Schwarz seinen L auf g1 stehenlassen und 6.- g5! spielen. Nun muss der wK zurück. 7.Ka5 Lh2 8.Ka4 Lg1 9.Ka3! (3. Tempo!) Lh2 10.Kb3 (10.Kb2? Sd1+!) Lg1 11.Kc2 Lh2 12.Kd2 Lg1 13.Ke2 (13.Ke1? Sd3+!) Lh2 14.Kf1 g4. Schwarz vermeidet 14.- Lg1? 15.K:g1, indem er seinen Bauern nach g4 zieht; wir verstehen jetzt, wieso das Tempo auf a3 entscheidend war. Noch einmal muss der K zurück. 15.Ke2 Lg1 16.Kd2 Lh2 17.Ke3! (4. Tempo!, jetzt gut, weil mit Bg4 17.- Sg4+ nebst 18.- Sf6! unmöglich ist) Lg1/Sd1+ 18.Ke2 Lh2/S:c3+ 19.Kf1 Lg1 20.K:g1 Sh3+/Se2+ 21.g:h3/T:e2 g~ /Lb7 22.Se4/S:b7#. [Es erhebt sich die Frage: warum nicht nach 10.Kb3 Lg1 nochmal in Richtung a8 angreifen? 11.Ka4 Lh2 12.Ka5 Lg1 13.Ka6 g4 14.Ka5 Lh2 15.Ka4 Lg1 16.Ka3 Lh2 17.Kb3! Lg1 18.Ka4 Lh2 19.Ka5 Lg1 20.Ka6 Lh2 21.Ka7 Lg1 22.K:a8 Lh2 23.Sb7# Aha, das braucht 23 statt 22 Züge!]
2
René J. Millour
The Problemist 2004
1. Preis
#20 (7+12)
Wir haben drei nach meiner Auffassung unterschiedliche Möglichkeiten für einen Tempogewinn angetroffen:
1) Tempogewinn mit einfachem Tempozug (nur ein
Zug, kein Manöver). In 1 sind 1.Ka2 und
3.Kb3 einfache Tempozüge. Nach 6.Ka6 g5 muss der wK nach f1
gehen, und der normale kürzeste Weg ist
a5-a4-b3-c2-d2-e2-f1. Ein Tempo fehlt, und der Tempozug, nicht
mehr, wird auf a3 eingefügt.
2)
Tempogewinn mit Dreiecksmarsch (ein "geschlossenes"
Manöver, das einen Dreiecksmarsch und damit eine
Rückkehr umfasst, wird benötigt, um ein Tempo zu
gewinnen.) In 1 muss der wK nach 14.Kf1 g4 so
mit Tempogewinn wieder nach f1 zurück. Das geschieht durch
ein Manöver (mit mindestens drei, hier fünf
Zügen), indem die drei Seiten eines Dreiecks durchlaufen
werden (hier e2-d2, d2-e3 und e3-e2, mit Rückkehr nach e2).
Der Dreiecksmarsch ist manchmal weit weg. Der wK benützt
denselben Weg bis zum Dreiecksmarsch und danach wieder
zurück (hier der Weg von f1 nach e2, dann nach dem
Dreiecksmarsch e2-f1). Ke2-d2-e3-e2 verläuft im
Uhrzeigersinn, was nicht zu e2-e3-d2-e2 umgekehrt werden darf
(16.Ke3? S+ und 17.- L:c5).
3)
Tempogewinn durch Komet (ein "offenes" Manöver - der K
benützt niemals dasselbe Feld zweimal - ist zum Tempogewinn
nötig). In 2 ist e4 das Ziel des wK (und
später f3). Der kürzeste Weg dazu ist einzügig:
Kd5-e4. Da ein Tempo gebraucht wird, wird ein offenes
Manöver verwendet (mindestens vier Züge, hier acht):
zwei Zweige, einer vom Ausgangsfeld zum Tempofeld, einer vom
Tempofeld zum Zielfeld, kein Dreiecksmarsch, keine Rückkehr
dabei. Der Zug Kd5-e4 wird ersetzt durch
Kd5-e6-f7-g8-h8!-h7-g6-f5-e4. Wir haben hier nur einen Kometen,
der seine Bahn zweimal durchläuft!
3
René J. Millour
Die Schwalbe 2016
#25 (4+13)
1.Ke3! Ta3 2.Kf4 Ta2 3.Kg5 Ta3 4.Kg6!! Ta2 5.Kf6 Ta3 6.Ke5 Ta2 7.Kd4 Ta3 8.Kc3 Ta2 9.Kb4 f4!. Hier würde 9.- Ta3? zu 10.K:a3 usw. führen, aber Schwarz spielt 9.- f4! und der K muss zurück. Nunmehr kann aber der sB auf dem dunklen Feld f4 geschlagen werden. Darum 10.Kc3! Ta3 11.Kd4 Ta2 12.Ke5 Ta3 13.K:f4 Ta2. Schwarz ist damit einverstanden, den Bf4 zu verlieren, denn wenn z. B. 12.- f3 gespielt wird, eilt der wK nach b4 zurück. 13.Kd4 Ta3 14.Kc3 Ta2 15.Kb4 Ta3 16.K:a3 nebst 18.S:f2#. Mit dem K auf f4 und dem T auf a2 benötigt man ein neues Tempo. Aber wo? Lf1 kann nicht Schach bieten, wenn der K auf a8 steht. Darum 14.Ke5 Ta3 15.Kd6! Ta2 16.Kc7 Ta3 17.Kb8 Ta2 18.Ka8!! Ta3 19.Ka7 Ta2 20.Kb6 Ta3 21.Ka5 Ta2 22.Kb4 Ta3 und jetzt 23.K:a3 b~ 24.c:b6 L~ 25.S:f2#.
[Natürlich ist auch 22.- b~ 23.b:c6 Ta3 24.K:a3 möglich, aber wenn Bb7 nicht in den letzten Zügen der Lösung erfolgt, wird Schwarz früher als im 25. Zug matt, z. B. 14.- b~ ? 15.c6! 16.c7 17.c8=S 18.Se7 19.Sf5 20.Sg3#.
Falls Schwarz seinen T blockiert, so haben wir 22.- a3 23.Ka5/Kc3 b~ 24.c:b6 L~ 25.S:f2#. Warum nicht nach 9.- f4 statt dem Rundlauf von b4 nach b4 gegen den Uhrzeiger einen im Uhrzeigersinn: 10.-22.Kb4-a5-b6-a7-a8!-b8-c7-d6-e5:f4-e5-d4-c3-b4? Das Tempo auf a8 erfolgt vor dem Schlag von Bf4, aber nach 22.Kb4 sieht es so aus, als ob wir in derselben Situation wären. In der Tat geschieht 17.Ke5 kurz bevor Bf4 fällt, und weil das Tempo schon gewonnen ist, spielt Schwarz 17.- f3!!, und weiter muss der K nach 18.Kd4 Ta2 19.Kc3 Ta3 20.Kb4 Ta2! wieder zurück, wogegen 18.Kd6 und ein neues Tempo auf a8 erst im 28. Zug zum Matt führen würde.
Der Bf4 muss geschlagen werden. Falls 10.-18.Kb4-a5-b6-a7-b8-a8!-a7-b6-a5-b4, ist der sT auf a2 und Schwarz antwortet 18.- f3!! und ein erneuter Tempogewinn auf a8 braucht zu lange. Aber warum kann man statt 19.Kc7-b8-a8!-a7 mit Tempo auf a8 das Tempo nicht auf c8 mittels 19.Kc7-c8!-b8-a7 "hinter" Bb7 gewinnen? Dann spielt Schwarz, genau wenn der wK mit 17.Kc8 das Feld c8 erreicht hat, 17.- b6! (nicht 17.- b5?). Nun genügt 18.c:b6 nicht wegen 18.- La6+ 19.- f1=D, und nach 18.Kb8 b:c5 ist der sB frei!!
4
Herbert Grasemann
Breuer Gedenkturnier
1983-1985
3. Preis
#29 (8+12)
In 3 und 4 sind Bf5 und Bh7 ähnlich, aber doch verschieden benützt. Wir haben dieselbe Matrix, aber nicht wirklich denselben Inhalt! In der Lösungsbesprechung meines #17,Die Schwalbe 2014, 3. Preis, der wirklich zwei Kometen zeigt, erwähnte HPR schon, dass im Stück von Grasemann das Tempo auf h3 letztendlich nicht mit einem Kometen gewonnen wird. Darauf bestehe ich hier. Die Ziele, den sB zu schlagen oder zum Ziehen zu zwingen und darauf nach c5 zurückzukehren, 7.-10.Kc5-d6-e7-f8-g7 und 15.-19.Kc5-d4-e3-f4-g5:h4 sind im Grund äquivalent, aber die Rückkehren 11.-14.Kg7-f8-e7-d6-c5 und 20.-25.Kh4-h3-g3-f4-e3-d4-c5 sind nicht äquivalent, weil ein Tempo auf h3 dazwischenkommt. Der kürzeste Weg von h4 nach g3, nämlich Kh4-g3, wird ersetzt durch 11.-12.Kh4-h3-g3, aber eine solche Temposchöpfung bildet keinen Kometen, welcher ein Manöver von mindestens 4 Zügen ist, das ein Tempo enthält. Hier ist einfach ein Tempozug eingeschoben auf dem Weg h4-g3-f4-e3-d4-c5, genau wie in 2 ein einfaches Tempo auf a3 in a6-a5-a4-b3-c2-d2-e2-f1 eingeschoben wird.
So ist die Form der Bahn auf dem Brett für einen "Kometen" nicht ausreichend, hier wird etwas vorgespiegelt, was in die Irre führen kann: der kürzeste Weg von g5 nach f4, der Zug Kg5-f4, scheint ersetzt durch die vier Züge 19.-22.Kg5-h4-h3-g3-f4. Aber ein Komet wird nie zerlegt in zwei aufeinander folgende Ziele: erst den Schlag eines Bauern, dann irgendwo anders hin marschieren.
Ein Komet ist ein reines Wartemanöver,
allein motiviert durch den Tempogewinn.
Sich einem B zu
nähern, um ihn zu schlagen oder zum Ziehen zu zwingen, ist
nicht wirklich subtil und ich würde sagen, je weniger
zahlreich solche gewöhnlichen Züge sind, umso besser.
Wie ich in meinem Artikel "Paradoxical play",The
Problemist, März 2004, erwähnte, sind bei so einem
Problem vor allem die besonderen ungewöhnlichen Manöver
interessant, die man zum Tempogewinn braucht, und je mehr
paradoxe und feine Züge vorkommen, desto besser. So zeigt 4
zwei Tempozüge, aber nur einen Kometen in sechs Zügen:
1.-6.Kd6-c7-b8-a8!-a7-b6-c5. Mit weniger Steinen und Zügen
zeigt 3 auch zwei Tempozüge, aber auf
unterschiedlichen Bahnen zwei große Kometen in acht Zügen,
wobei die kurzen Wege d2-c3 (einzügig) und e5-d4-c3-b4
(dreizügig) ersetzt werden durch die reinen
Wartemanöver 1.-8.Kd2-e3-f4-g5-g6!-f6-e5-d4-c3 bzw.
15.-22.Ke5-d6-c7-b8-a8!-a7-b6-a5-b4.
Tempospiel hat mich
immer interessiert. Während ich zwei längere
Stücke von mir zitierte, versuchte ich zu zeigen, dass meine
Leistung neben Grasemanns #29 für sich bestehen kann.
Nachschrift des Übersetzers HPR:Mit diesem Artikel wird Millours genaue Erklärung, was er unter dem Thema "Komet" versteht, erstmalig veröffentlicht. Loyd hat mit seinem Motto sicher nicht mehr als das anschauliche Bewegungsbild einer Kometenbahn gemeint, mit dem wK in der Rolle des Kometen, und nicht ein präzises Thema. So habe ich das Wort "Komet" in Schachaufgaben auch lange verstanden. Grasemann wollte vermutlich einfach interessante Königsmärsche mit Tempogewinnen hintereinander schalten und kam nicht auf den Gedanken, die von Millour geforderte Regel beim zweiten Tempogewinn einzuhalten. Ein Reiz seiner Komposition besteht auch darin, dass sBh6 dort vor dem Tod flüchtet, aber auf h4 nicht mehr. Es war bei seinem Stück auch niemals die Rede von einem (oder zwei) Kometen, der als Problemthema zu der Zeit ja auch noch nicht definiert war.
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