Sie befinden sich hier

Heft 330, Dezember 2024

 


Artikel Seite
Aktuelle Meldungen 701
Protokoll der Mitgliederversammlung vom 5. Oktober 2024 in Essen 701
Einladung zur Schwalbe-Tagung 2025 in Leimen 707
Thomas Brand: Zum Ende des Jubiläumsjahres 707
Hans Gruber: Petko A. Petkow (27. Februar 1942–11. August 2024) 708
Hans Gruber: Heinz Däubler 80 Jahre 709
Entcheid im Informalturnier 2022, Abteilung Selbstmatts in 2 oder 3 Zügen 710
Entcheid im Informalturnier 2022, Abteilung Retro 712
Klaus Förster: Klarstellung zum Artikel "Versuche zum Thema F, 2. Sonderform" 719
Urdrucke 721
Lösungen der Urdrucke aus Heft 327, Juni 2024 735
Bemerkungen und Berichtigungen 758

 

Klarstellung zum Artikel "Versuche zum Thema F, 2. Sonderform"

von Klaus Förster

[Anm. des Schriftleiters: Aufgrund Begrenzung der Schwalbe auf 60 Seiten, habe ich diesen Artikel mehrfach verschoben. Dieser Umstand hat nun dazu geführt, dass Rainer Paslacks Urdruck 19913 aus Oktober 2024 das Thema von Daniel Papacks 2 in diesem Artikel scheinbar „vorwegnimmt“. Ich bitte dies zu entschuldigen.]

Vom Thema F, 2. Sonderform, gibt es bisher ja recht wenig Stücke. Wie in meinem Artikel "Versuche zum Thema F, 2. Sonderform" ({Die Schwalbe 324-1, Dez. 2023, S. 324-325) erwähnt, sind in der Albrecht-Sammlung erst 21 Beispiele hinterlegt. Trotzdem war Anliegen meines Artikels weniger, das Thema selbst zu zeigen, sondern vielmehr, die Möglichkeiten einer Verquickung mit anderen Themen zu untersuchen, hier am Beispiel eines Angriffs 3. Grades.

Kurz hier die Definition des Angriffs 3. Grades (Zitat aus der Themendatenbank der Albrecht-Sammlung):

Ein Wertverlust (meist Preisgabe eines Satzmatts) des beliebigen Wegzugs (Angriff 1. Grades) wird kompensiert durch einen zusätzlichen positiven Wert des Angriffs 2. Grades (Bereitstellung eines neuen Matts auf die Widerlegung des Primärangriffs), der aber auch einen weiteren Wertverlust enthält, so dass auch dieser Versuch widerlegbar ist.
Der Angriff 3. Grades behält alle zuvor erzielten Wertverluste bzw. -gewinne bei, stellt aber zusätzlich ein Matt gegen die Widerlegung der vorherigen Stufe bereit. Ein Angriff 3. Grades als Lösungszug weist also zwei für Weiß negative Momente (Wertverluste) sowie drei positive Momente (Wertgewinne) auf.

Bei den im Artikel gezeigten Urdrucken war ich überzeugt, die recht aufwändigen Konventionen zur Darstellung eines Angriffes 3. Grades penibel eingehalten zu haben. Vielleicht in einer sehr individuellen, teils interpretierbaren Form, aber definitiv eingehalten. Ich war sogar ein wenig stolz auf die Stücke, ist doch ein Angriff 3. Grades ein komplexes, nicht trivial darzustellendes Thema.

Nun, bereits unmittelbar nach Erscheinen des Artikels erhielt ich Post von den beiden #2-Spezialisten Daniel Papack (DP) und Wieland Bruch (WB). Beide verneinten unabhängig voneinander bei allen vier Urdrucken nachhaltig die Darstellung eines Angriffes 3. Grades – hier handele es sich ausschließlich um Angriffe 2. Grades. Die von mir als 3. Grad konzipierte Phase zeige nur einen weiteren Angriff 2. Grades, der keinen Wertzuwachs zeige, sondern "nur" einen negativen Effekt vermeide (nicht kompensiere!). Es entspann sich ein sehr intensiver Mailwechsel, der sich teils in sehr theorielastigen Dimensionen bewegte. Ich versuche, die Knackpunkte herauszuarbeiten, und zwar stellvertretend für alle vier Urdrucke, am Beispiel des Urdrucks C des Artikels, der mir hierfür recht geeignet scheint (1):

Klaus Förster

Die Schwalbe XII/2023

(Urdruck C aus Artikel)

{wKh3, wDc8, wTe4g8, wLg2e7, wSe2d7, wBh4d5,
sKf5, sDa7, sTe6, sLh8, sSd3f7, sBf2e3f4d6b7

#2 *vv (10+11)

Das Satzmatt 1.- Sc5 2.T:f4# muss aufgegeben werden, will man 2.D:e6# drohen: 1.Sd~? Sc5! Dies ist ein unstrittiger Angriff 1. Grades. Der Angriff 2. Grades wird realisiert, indem man fortgesetzt angreift, und zwar, indem man die Aufgabe des Satzmatts 2.T:f4# kompensiert. Hier zunächst durch 1.Sf6!? Sc5 durch das neue Matt 2.Sd4#. Auch das ist ein unstrittiger Angriff 2. Grades, da er auf die Aufgabe des Satzmatts reagiert und ein Matt darauf neu bereitstellt. Die Schädigung entsteht hier in Thema F 2. Sonderform-typischer Voraus-Verstellung einer Deckungslinie, die erst im Mattzug aufgebaut würde (hier e6-g6), weshalb 1.- Lg7 widerlegen kann (2.D:e6+ Kg6!).

Und jetzt wird’s spannend, an dieser Stelle scheiden sich die Geister. Im Angriff 3. Grades sind, wie bereits geschrieben, alle bisherigen Wertverluste und -gewinne beizubehalten, aber ein zusätzlicher Wertgewinn bereitzustellen. Dies ist die Definition einer (höherwertigeren) Kompensation ggü. einer (geringwertigeren) Vermeidung. Der von mir hier als Angriff 3. Grades bezeichnete Lösungszug 1.Se5!! hatte in meinen Augen alle erforderlichen Merkmale erfüllt:

  • Beibehaltung aller Wertverluste: Aufgabe Satzmatt, Vorausverstellung lt. Thema F 2. Sonderform
  • Beibehaltung aller Wertgewinne: Abzug aus Linie c8-e6, neues Matt auf 1.- Sc5
  • Zusätzlicher Wertgewinn: Mattzug auf Thema F 2. Sonderform-Variante 1.- f3 2.Sg3#

Und genau hier liegt der Hund begraben. Sowohl DP wie auch WB verneinen, dass die Beibehaltung aller Wertverluste gegeben ist. Die Beibehaltung des Effektes Vorausverstellung lt. Thema F 2. Sonderform ist kein Wert an sich, kein Wert im Sinne eines Angriffs höheren Grades. Es sei genau der gleiche negative Effekt beizubehalten, hier also die Verstellung der Linie e6-g6. Durch die Änderung der vorausverstellten Linie (hier auf e6-e4) ist die notwendige Beibehaltung des Wertverlustes eben nicht gegeben - die Beibehaltung eines Themas sei kein Wert an sich. Der schädliche Effekt, eben die Vorausverstellung der Linie e6-g6, sei nicht beibehalten und kompensiert, sondern nur vermieden und durch einen alternativen Angriff ersetzt, der "zufällig" auch das Thema F 2. Sonderform zeige. Deshalb seien 1.Sf6 und 1.Se5 nur gleichwertige Angriffe 2. Grades.

Die klare Definition des Angriffs höheren Grades erlaubt hier also nicht, die Linie zu wechseln, auch wenn man dies unter der Prämisse tut, das zugrunde liegende Thema beizubehalten. Ich ziehe deshalb meine Bezeichnung "Angriff 3. Grades" für die vier Urdrucke des Artikels zurück. Auch wenn ich nach wie vor der Meinung bin, dass eine derartige einheitliche, geschlossene Darstellung einen Mehrwert darstellt und in der Masse der Angriffe 2. Grades nicht untergehen sollte.

DP war aber nicht nur sachlicher Kritiker, sondern auch Praktiker. Er setzte sich umgehend hin und schickte mir ein Stück (2), das eine thematisch einwandfreie Umsetzung der Thematik zeigte:

2 Daniel Papack

Demo-Beispiel

{wKa1, wDg6, wTf1b7, wLg2b4, wSd3f7, wBd4,
sKe6, sTa4e8, sLf6, sSh1f2, sBa2b5g5d6h6g7

#2 *vv (9+12)

Angriff 3. Grades in Kombination mit Thema F, 2. Sonderform
Das Satzmatt 1.- d5 2.Sc5# wird mit dem Angriff 1. Grades 1.Sb2? (droht 2.d5#) d5! aufgegeben, weshalb der Angriff 2. Grades 1.Sde5!? mit 1.- d5 2.Tb6# ein neues Matt bereitstellt. Allerdings verstellt er Thema F 2. Sonderform-typisch die Linie f5-d5, weshalb jetzt 1.- Se4! widerlegt (Satzmatt hier: 1.- Se4 2.Df5#). Der Angriff 3. Grades 1.Sfe5!! behält die Vorausverstellung der Linie f5-d5 bei, jetzt werden 1.- d5/Se4 durch 2.Tb6/Df7# erledigt. Dies dürfte die Erstdarstellung der Kombination Angriff 3. Grades in Kombination mit Thema F 2. Sonderform darstellen. Leider gibt es hier den Pferdefuß 1.- S:d3 2.Df7# und Df5# ("ruinöser" DUAL), weshalb DP hier selbst nur von einem "Demo-Beispiel" gesprochen hat.

Auf Basis seiner Vorarbeiten (es blieb nicht bei dem einen Demo-Beispiel) gelang mir letztlich folgendes Stück (3), das ich noch um Dualvermeidungseffekte erweitern konnte:

3 Klaus Förster

Urdruck

(nach Daniel Papack)

{wKe7, wDb6, wTd1e1, wLc8, wSb4f6, wBf3g3c7,
sKe5, sTa5, sLa8h8, sSc4c5, sBe4f4h5

#2 *vv (10+9)

Angriff 3. Grades in Kombination mit Thema F, 2. Sonderform
Satzspiele sind hier 1.- Sd3/Sd2 2.S:d3(De6+?)/Dd6#, außerdem 1.- Se6 2.D:e6#(Sd3+?). Der Angriff 1. Grades 1.S:h5? droht 2.g:f4#, gibt aber das Satzmatt auf, weshalb 1.- Sd3! (2.S:d3+??) widerlegt. Dies berücksichtigend folgt 1.Sfd5!? als Angriff 2. Grades. 1.- Sd3 wird jetzt durch 2.T:e4# erledigt, aber Schwarz nutzt die Vorausverstellung durch 1.- Sd2! Erst der Angriff 3. Grades 1.Sbd5!! löst alles auf. Auf 1.- Sd3/Sd2 folgt 2.T:e4(De6+?)/Db2#, auf 1.- Se6 folgt 2.D:e6#(T:e4+?), und auf das Nebenspiel 1.- f:g3/L:d5/L:f6+ folgt 2.f4/T:d5/D:f6#.

Die thematischen Intentionen sind zwar jetzt einwandfrei umgesetzt, die Diskussionen verlagerten sich mit WB jetzt aber darauf, ob die wortwörtliche Definition des Thema F 2. Sonderform in der Albrecht-Sammlung erfüllt wäre, resp. umzuformulieren wäre. Dort wird nämlich von zwei Themafeldern gesprochen - hier gäbe es nur das Themafeld d4, das von d6 aus zu decken ist. Ohne uns in dieser Fragestellung vollständig einig zu werden, gaben wir uns letztlich damit zufrieden, dass der Wert eines Problems sich eh nicht an wortwörtlichen Definitionen ermisst. Auch "halbe" Darstellungen sind absolut erlaubt, können themagerecht sein und gerade in Kombination mit anderen Themen u. U. sogar schwieriger und hochwertiger sein - aus meiner Sicht stellt sich hier nur die Frage, warum die offizielle Definition dann hier von zwei Themafeldern spricht, wenn die "halbe" Darstellung das definierte Thema genauso gut und vollständig abbildet. Der "Geist" des Themas muss erfasst sein, nicht formelle Beschreibungen, die zwar eine Orientierung bieten sollen und müssen, aber weder zu sehr eingrenzen noch verwirren sollen. Und das ist schwierig und herausfordernd genug!


Impressum  Datenschutz
Anschriften: siehe Vorstand
Internetauftritt: Gerd Wilts