Kalenderblatt
Erinnert sei zunächst kurz an die vor 25 Jahren verstorbenen Komponisten Eric
Hassberg (14.5.1918-8.1.1987), Jan Hartong (11.2.1902-29.1.1987),
Jan
A. Rusek (30.9.1910-9.2.1987) und Jozsef Korponai
(25.11.1931-1987); zu den
drei letztgenannten sind bereits früher Kalenderblatt-Notizen erschienen (in den Heften 193, 222 und 245).
Adolf Herberg
Schach-Olympiade
Leipzig 1960
3. Preis
#7 (3+5)
Vor 50 Jahren verstarb der Münchner Studien- und Problemkomponist Adolf
Herberg (28.5.1896-16.2.1962). Er hatte nach dem Krieg noch neun Jahre
Gefangenschaft
ertragen müssen und kam 1954 so krank und invalide zurück, dass er nicht mehr in
der Lage
war, seinen Beruf auszuüben. So widmete er sich aber erneut der Schachkomposition, die
er zuvor
schon seit 1934 betrieben hatte. Die DSZ befand seinen Stil im Nachruf als nicht
sensationell
oder abenteuerlich, sondern still und gediegen. Einen schönen Erfolg erzielte der Autor
in der
Mehrzügerabteilung der Leipziger Schacholympiade mit einem 3. Preis (hinter H. P. Rehm
und W.
Speckmann): 1.Tg2! droht 2.Th1, aber nach 1.- Kh6 könnte sich S dagegen mit 2.- e1D!
verteidigen; daher 2.Tg3! Kh7 3.Tg4 Kh6 4.Th1 Kh5 5.Tg3 Kh4 6.Tg2 nebst 7.T1:h2#;
Fluchtschutz in
Form des Magnet-Themas.
Vor 100 Jahren wurde der Schweinfurter Problemist Wilhelm Heim geboren
(31.1.1912-ca.
1996/97), der eine umfangreiche Sammlung von etwa 80 000 Problemen, überwiegend orthodoxe
direkte
Probleme, mit thematischer Sortierung aufbaute. Die Sammlung ging nach seinem Tod an die
Schwalbe; sie
lagert derzeit bei unserem Vorsitzenden.
Émile Pradignat
100 des meilleurs
problèmes d'échecs 1883
#4 (9+3)
Der französische Komponist Émile Pradignat (1831-2.1.1912)
galt als
einer der herausragenden Problemisten seiner Zeit. Er war äußerst produktiv;
sein
Schaffen umfasst mehr als 1500 Probleme, überwiegend schwierige 3- und Mehrzüger.
1883
gab er eine Sammlung mit 100 eigenen Aufgaben heraus; daraus hier die Nr. 58 mit
spektakulären
Hineinziehungsopfern: 1.Td4! K:d4 2.Sd5! K:d5 3.Sc6! K:c6 4.Le4#; nach 1.-Ke2/Kf3 folgt
2.Sd5
nebst 3.Sf4 und T-Matt.
Walter v. Walthoffen (29.11.1830-2.2.1912) wurde in Lemberg (heute Lwiw in der
Ukraine)
geboren und führte ein recht abenteuerliches, militärisch geprägtes Leben. Seine
Laufbahn
begann revolutionär und mit kriegsrechtlicher Verurteilung und endete schließlich bei
seiner
Pensionierung 1882 mit Erhebung in den Adelsstand und Ernennung zum Ehren-Oberst. Es folgten
dann noch
30 Jahre mit philosophischen Studien und der Beschäftigung mit Schach. 1904 brachte die Wiener
Schachzeitung eine Sammlung mit 60 ausgewählten Problemen seiner Produktion.
Otto Dehler
Deutsches Wochenschach
1916
#3 (8+3)
Vor 125 Jahren wurde Otto Dehler (10.2.1887-20.5.1948) geboren. Er war ein
Komponist der knappen Form; der Ausdruck "Aristokrat" für bauernlose Probleme geht auf
Otto
Dehler zurück. Karl Fabel bezeichnete in seinem Nachruf in den Deutschen
Schachblättern als Dehlers hervorstechendes Charakteristikum die ausgefeilte
Darstellung
der Idee in ökonomischer Form. Dies zeigt auch die hier wiedergegebene Aufgabe: Das
Satzspiel
1.- f3 2.Sd7 Kf5 3.Sf6# lässt sich nicht aufrechterhalten, daher 1.Lh3 f3 2.Sg4.
Dehler, dessen
zweiter Vorname Georg war, hatte einen 1915 gefallenen Bruder Georg (Paul), der ebenfalls
einige
Probleme komponierte, von denen eins im Breuer-Buch enthalten ist. Daneben gab es mit Ernst
Georg
Dehler (gestorben 1943) noch einen dritten "Georg", über dessen Zuordnung zu den beiden
anderen
mir aber nichts bekannt ist.
Luigi Sprega (1829-2.2.1887) war sowohl Partiespieler als auch Problemist. 1875
nahm er
am ersten nationalen italienischen Turnier in Rom teil und konnte das zweite 1878 in Livorno
sogar
gewinnen. Er komponierte zahlreiche Aufgaben und leitete 10 Jahre lang die Problemspalte der Nuova
Rivista degli Scacchi.
Aus England stammte Cyril Bexley Vansittart (1852-22.1.1887), der in jungen
Jahren 1860
nach Italien kam und dort später eine Bank gründete, was ihn offenbar in die Lage
versetzte,
neben dem aktiven Schachspiel (u. a. nahm er, wie Sprega, 1878 am Turnier in Livorno teil, wo er
Platz 6
belegte) auch als Schachmäzen zu wirken und daneben eine bedeutende Schachbibliothek
aufzubauen.
1884 übernahm er für ein Jahr die Leitung der Nuova Rivista degli Scacchi. Mit
nur 35
Jahren erlag er 1887 einem Herzinfarkt.
Rudolf Weinheimer
Schacholympia Berlin 1936
1. Preis
#4 (5+10)
Der Bäckermeister
Rudolf Weinheimer wurde vor 150 Jahren geboren
(3.1.1862-28.2.1940) und gehörte zur älteren Wiener Komponistenrunde, die den von
Berger
vorgegebenen Prinzipien folgte und deren führende Repräsentanten Erlin, Feigl,
Nemo und
eben Weinheimer waren. Das Aufkommen der Neudeutschen Schule verärgerte ihn so sehr,
dass er
die Schachkomposition aufgab und erst nach mehr als 20 Jahren durch Halumbirek wieder
reaktiviert
werden konnte. Ohne sich vom Ideal der reinen Mattbilder abzuwenden, verwendete er nun auch
strategische oder logische Ideen und wurde damit noch ein wichtiger Vertreter der Neuböhmischen
Schule. Weinheimers letzter großer Erfolg war ein Spitzenplatz in der 4#-Abteilung des
Olympiaturniers 1936: 1.Db1! (droht 2.Dh7 bzw. Lg4) 1.- T:b1 2.T:a5+ b:a5 3.Sb2+ Kb6 4.S:a4#
; 1.-
T:h5 2.D:b6+ L:b6 3.Se5+ Ka5 4.S:c6# ; Siers-Rössel nach vorangegangenem D- bzw.
T-Opfer. Diese
Aufgabe wurde ursprünglich mit dem 3. Preis ausgezeichnet, gelangte nach Ausscheiden
der
vorangehenden Werke aber noch an die Spitze der 4#-Abteilung (endgültiger
Preisrichter-Entscheid in
Die Schwalbe 1937, S. 19). Erwähnt sei dies, weil sie
gelegentlich als 2. Preis (in den
Deutschen Schachblättern 1940) oder als 3.
Preis (in
der PDB,
P1054304) zitiert wurde. Die
Problempalette
nennt darüber hinaus mit
Theodor
Gerbec noch einen Co-Autor, auf den sich sonst aber kein Hinweis findet!? (Gerbec war hauptsächlich
Partiespieler und Redakteur der
DSZ, komponierte aber auch gelegentlich.)
Giulio Cesare Polerio
1590
s#6 (7+2)
Es bietet sich nicht oft die Gelegenheit, im Abstand von vollen vier Jahrhunderten auf einen
Problemkomponisten zurückzublicken. Ob man Giulio Cesare Polerio
(1548-1612)
mit der Bezeichnung Komponist gerecht wird, mag dahingestellt bleiben, immerhin hat er auch
komponiert, wie das dem Breuer-Buch entnommene Diagramm zeigt: 1.Kc3 (oder 1.Kb3) Lg7 2.Dg8
Lf8!
3.Dh8+ Lg7 4.Kb2 L:h8 5.Ka1 Lg7 6.Tf7+ K:f7#. Polerio hat sich insbesondere dadurch
hervorgetan,
dass er das damals noch recht junge moderne Schach in Italien verbreitete. Als Coach (so würden
wir heute sagen) war er bei dem wohl ersten internationalen Schachturnier dabei, als er 1575
mit den
beiden italienischen Spielern Leonardo da Cutri und Paolo Boi zu einem Wettkampf an den
spanischen
Hof fuhr und in Gegenwart des spanischen Königs den Sieg von Leonardo gegen Ruy Lopez
einfädelte
und damit die vorausgegangene spanische Vorherrschaft im Schach beendete und den Mittelpunkt
des
Schachgeschehens der damaligen Zeit von Spanien nach Italien verlagerte.
Alfred Kempe
Cassell's Family Paper 1855
#2 (8+5)
Noch ein Nachtrag zum letzten Kalenderblatt: Vielen Dank an Martin Hoffmann, der unter
Berufung auf
die Thematische Sammlung Schlatter mitteilte, dass die älteste bekannte
Halbfesselungs-Darstellung nicht von Greenwood, sondern von Alfred Kempe stammt; siehe
Diagramm:
1.Td8! Tb6+ 2.L:b6# oder 1.-Tb5+ 2.S:b5#. Über Kempe liegen mir leider keine weiteren
Daten
vor. [GüBü]
Todesfall
Völlig überraschend verstarb der russische Retro-Spezialist Andrey
Kornilow
(geb. 4.5.1944) in der Nacht vom 13. auf den 14.11.2011 an einer Gehirnblutung. Wie uns Andrey
Frolkin
mitteilte, hatte er noch am 13.11. mit ihm telefoniert, um Details eines vorbereiteten
gemeinsamen
Artikels zu besprechen. Mit Kornilow verlieren wir einen Retro-Spezialisten, der seit vielen
Jahren
regelmäßig in der Schwalbe sowohl Originale als auch Artikel publizierte. [GüBü]