Kalenderblatt
Zunächst sei an vier Komponisten erinnert, die vor 25 Jahren verstorben sind.
Jean-Pierre Boyer
FEENSCHACH 1968
2. Preis
#2
Circe (5+7)
Das äußerst breite Spektrum des französischen Komponisten Jean-Pierre
Boyer (20.10.1935-12.11.1986) reichte vom orthodoxen Zweizüger bis zum Mehrzüger
und vom Selbstmatt zum extremen Märchenschach, wovon das von ihm selbst verfasste Buch
250
\oe uvres choisies zeugt, dessen Drucklegung er nicht mehr erlebte. Er arbeitete
viel mit Pierre
Monréal zusammen, der ihn auch am Abend vor Weihnachten 1967 anrief, um ihm seine
neue
Erfindung zu präsentieren, die im folgenden Jahr unter der Bezeichnung "Circe" erstmals
publiziert wurde und sich bis heute als überaus fruchtbar erwiesen hat. Der
schachprovozierende
Schlüssel und die sich selbst deckenden Mattfiguren des hier wiedergegebenen frühen
Beispiels verblüfften die Löser damals sehr: 1.K:e6 [sBe7] droht 2.Dg3 und 2.Dh2;
1.- e:d6
[Dd1]+ 2.D:e2 [Be7]#, 1.- e:f6 [Lc1]+ 2.L:e3 [Be7]#.
Der englische Märchenschach-Pionier Charles Edward Kemp
(18.11.1901-9.11.1986)
arbeitete viel mit Dawson zusammen und betreute dessen schachlichen Nachlass. Vor genau 10
Jahren wurde
in dieser Rubrik bereits an seinen 100. Geburtstag erinnert.
Rudolf Leopold
Dt. Schachzeitung 1957
3. Preis
#3 (8+9)
Der Dresdner Rudolf Leopold (29.12.1894-1.11.1986) kam als Gymnasiast mit
der
Problemkomposition in Kontakt und bewies schon 1911 sein Talent mit einem Zweizüger, für
den er mit einem Preis ausgezeichnet wurde. Nach anfänglicher Begeisterung für
Mattbildaufgaben war die Begegnung mit Friedrich Palitzsch prägend für seine
lebenslange
Kompositionstätigkeit, denn danach wurde die Dresdner Idee zum zentralen Thema seines
Schaffens. In der Schwalbe 1937 hat er darüber einen umfangreichen Artikel
publiziert.
20 Jahre später erschien das folgende Stück (s. Diagr.): 1.Ld4+? Ke4!; 1.g6?
(droht 2.De7)
De4 2.Ld4+ D:d4!. Hier muss nach Dresdner Art der gute Verteidiger (sD) gegen einen
schlechten (sL)
ersetzt werden, und das erreicht W durch 1.Lb6! mit der Drohung 2.Ta5+ K:d6 3.Lc7, gegen die
sich
Schwarz mit 1.- Da4 wehren muss. Danach folgt planmäßig 2.g6 Le4 3.Ld4#. (1.La7?
scheitert am sStörschach 2.- Da5+)
Oskar Wielgos
Dt. Schachblätter 1979/80
4. Preis
#2 (5+6)
Oskar Wielgos (14.2.1916-5.11.1986) komponierte mehr als 1000
Schachaufgaben und
war daneben auch ein Partiespieler von beachtlicher Stärke. Zwischen 1930 und 1939 veröffentlichte
er vorwiegend Zweizüger in verschiedenen Tageszeitungen des Ruhrgebietes. Nach einer
berufsbedingten Pause von 1939 bis etwa 1960 wandte er sich wieder verstärkt der
Komposition
zu. Aus dieser Spätphase stammt auch die hier gezeigte Aufgabe. Der weiße Turm
auf f8 möchte
zum Mattsetzen auf die h-Linie gelangen. Drei dieser Versuche scheitern an Selbstbehinderung
der
Dame. 1.Tf7/Tf6/Tf3? Sg6/Ld3/Th1! Daher 1.Tf5! Sg6/Ld3/Th1 2.Dh7/Db2/D:h1#
Gustaaf J. Nietvelt
La Battaille 1946
#2 (10+7)
Gustaaf Josephus Nietvelt (30.11.1897-15.11.1961) gründete die
belgische
Zeitschrift De Problemist, die von 1927-31 erschien und dann mit Het
Schaakleven
(1931-34) fusionierte. Er komponierte mehr als 300 Probleme, überwiegend Zweizüger.
Sein
Name ist mit einem Verteidigungsmotiv, der Nietvelt-Parade, verbunden, die zum
Schiffmann-Themenkomplex gehört (siehe Diagr.): Nach 1.L:d5! droht 2.D:g7 und 2.f4. Auf
1.-
S:e4 sehen wir eine Schiffmann-Parade, denn die Drohung 2.f4 scheitert jetzt an der
Entfesselung
durch Selbstverstellung; daher 2.Le6#. Nach 1.- S:d5 kommt 2.e:f5#, denn die Drohung
2.D:g7 führt
nicht mehr zum Erfolg, weil hier die Entfesselung des sVerteidigers durch Wegzug
eines
wSteins erfolgt - das ist die Nietvelt-Parade, deren Namensgeber vor 50 Jahren verstarb.
Valentino Marin y Llovet
J. Berger-GT 1935/36
1. Preis ex ae., Abt. B
#4 (7+14)
Der Problemist und Partiespieler Valentino Marin y Llovet
(17.1.1872-7.12.1936)
trat mehrfach für Spanien bei Schacholympiaden an. Als Komponist war er Spezialist für
besonders schwierig zu lösende Drei- und Vierzüger, die häufig stille Züge
oder
Opfer enthielten. Er publizierte etwa 300 Aufgaben. José Paluzie y Lucena publizierte
1913
ein Buch über Marin (Un artista en ajedrez, Barcelona), in dem dessen Werdegang
skizziert wurde: Anfangs Anhänger des reinen und ökonomischen Mattbildproblems,
wurde er
später zum begeisterten Anhänger Bergers und stürzte sich auf reichhaltige
Variantenprobleme mit klar hervortretendem Hauptspiel im altdeutschen Stil. Sein
Siegerproblem im
Berger-GT ist in diesem Sinne auch ein klassisches Hurra-Stück mit zwei spektakulären
Opfern: 1.Tb4! (droht 2.L:f6+ Kf5 3.Le4) 1.- c:b4 2.D:e6+!! K:e6 3.Sd4+ Ke5 4.Lf6#. (1.-
L:b4 2.Da8
usw). Marin verstarb vor 75 Jahren; ob er diesen Turniererfolg noch erlebt hat, ist mir
nicht
bekannt.
Der vor 100 Jahren verstorbene russische Problemist Pawel Bobrow
(1862-23.12.1911) hatte
sich große Verdienste für das Problemschach in seinem Heimatland erworben. Er gab
eine
Schachzeitung heraus (Schachmatnoje obozrenie), die in den Jahren 1891-1893, 1901-04 und
1909-1910 erschien und in der er viele Kompositionsturniere ausschrieb und daneben Aufsätze
von
bedeutenden Theoretikern veröffentlichte; besonderen Nachdruck legte er auf die Veröffentlichung
von Aufgaben einheimischer Autoren.
Milu Milescu (11.11.1911-6.11.1981) war Hauptredakteur der rumänischen Revista
Romana de Sah, die er fast 20 Jahre (1930-1949) betreute und verlegte. Als Sonderveröffentlichung
erschienen in dieser Zeit auch die Problèmes choisis von Sigmund Herland (1948).
1961
übersiedelte er nach Israel und gehörte schon kurz danach (ab 1962) zum Redaktionsteam
der
israelischen Shachmat. Sein gemeinsam mit H.-H. Staudte herausgegebenes Buch Einmaleins
des
Endspiels fand viel Anerkennung.
Charles Pelle (12.12.1911-8.8.1965) komponierte in allen Genres, redigierte die
Zeitschrift Le Problème des französischen Problemistenverbands von 1937-1949,
war
mehrfacher französischer Lösemeister. Sein Name ist mit einem Thema, oder besser:
einem
Mechanismus verbunden (Ziehen einer Figur in einer Fesselungslinie)
Zum 70. Geburtstag von Otto Fuß (8.12.1861-12.7.1944) bezeichnete die DSZ
ihn 1931
als eine der führenden Persönlichkeiten im deutschen Schach. Schon 1882 gründete
er einen
Schachverein in seiner Heimatstadt Clausthal-Zellerfeld, war 1884 erstmals als Preisrichter tätig,
führte seit etwa 1900 den hannoverschen Schachklub, später auch den Niedersächsischen
Schachverband. Er war die treibende Kraft beim Hannoverschen Jubiläumsturnier 1926 nebst
Problemturnier, dessen Turnierbuch (u. a. mit einem Foto von Holzhausen, der im Turnier den 3.
Platz
erringen konnte) heute eine gesuchte Rarität ist. 1909 publizierte der Autor zusammen mit
Ferdinand
Möller das Buch 150 ausgewählte Schachaufgaben. G. Willeke zitiert in seiner
Geschichte
des deutschen Arbeiterschach aus einer Festschrift, wie Fuß die hannoverschen
Schachclubs
durch kritische Zeiten führte: "Im Jahre 1933 kam der Klub in eine schwierige Lage. Das
Dritte
Reich forderte die "Gleichschaltung". Zum Glück war für das Land Niedersachsen der
Kohlenkaufmann Otto Fuß zum Schachführer ernannt worden. Herr Fuß, selbst ein
ausgezeichneter Schachspieler und großartiger Problemkomponist, entledigte sich seiner
Aufgabe in
vornehmer und rücksichtsvoller Weise. Durch die Gleichschaltung der hannoverschen
Schachvereine
wurden die Mitglieder des Klubs in einer größeren Gemeinschaft zusammengefaßt.
Sie
haben es wiederum Herrn Fuß zu verdanken, dass der Klub seine Eigenständigkeit nicht
verlor,
sondern in seinen alten Spiellokalen weiterspielen konnte. Zwar mußten danach die
Spiellokale
öfter gewechselt werden, der innere Zusammenhalt blieb aber gewahrt, und auch die
Breitenarbeit
wurde fortgeführt."
Johannes Öhquist
Schachmatnoje obozrenie 1893
#2 (6+6)
Wie Otto Fuß wurde auch der finnische Komponist Johannes Öhquist
(6.12.1861-15.10.1949) vor 150 Jahren geboren. Er komponierte etwa 400 Aufgaben, von denen
128 in
der 1932 in Helsinki auf deutsch erschienenen Auswahl Schachprobleme enthalten sind.
Sein
Kompositionsstil war anfangs der böhmischen Schule zuzurechnen, wandte sich dann aber
überwiegend
der neudeutschen Schule zu. Öhquist redigierte 1890/91 die Zeitschrift Tidskrift för
Schack und leitete verschiedene finnische Zeitungs-Problemrubriken. Seine Aufgabe (s.
Diagr.)
erschien in der weiter oben erwähnten Zeitschrift von Bobrow und zeigt nach 1.Dh8! eine
maskierte Batterie und Zugzwang. 1.- L:e6/Lh4 g5 2.T(:)g5, 1.- Lf5 g4 2.Dh2, 1.- d5 2.Db8
und 1.-
L:e7/L:g7 2.T:e7/D:g7.
Josef Pospisil
Zlata Praha 1885
#3 (6+7)
Josef Pospisil (1.11.1861-30.12.1916) war einer der bedeutendsten Vertreter
der böhmischen
Schule. 1887 veröffentlichte er mit České Úlohy Šachové
ein Hauptwerk dieser Schule mit 320 böhmischen Aufgaben und einem einleitenden
theoretischen
Artikel. 1907 erschien von ihm unter dem Titel Šachové Úlohy eine
Sammlung
der Aufgaben von Dobrusky, einem weiteren böhmischen Säulenheiligen. Pospisils
Kompositionen sind in zwei Bänden erschienen: 1908 gab A. C. White in seiner
Christmas-Serie
unter dem Titel České melodie eine Sammlung der bis dahin erschienenen
Aufgaben
heraus, der nach Pospisils Tod 1917 eine von Zdenek Mach zusammengestellte Ergänzung
folgte
(Šachové Úlohy 1908-1916}). Seine frühe Aufgabe (Diagr.)
zeigt vier
Modellmatts, dazu führt der wS in den Mattzügen alle ihm zur Verfügung
stehenden Züge
aus: 1.Dd1! (droht 2.Df3) 1.- L:g2 2.Dg4+ Kd5 3.Sb4; 1.- Kf5 2.Df3+ Ke6 3.Sc5; 1.- Kd4
2.Da4+ Kd5
3.S:c7; 1.- Kd5 2.Db3+ Kc6 3.Sb8#. Als hohes Meisterwerk der frühen böhmischen
Schule
bejubelte Josef Breuer dieses scheinbar so leicht hingeworfene Kunstwerk.
William Greenwood
Illustrated London News 1959
#3 (5+2)
Feenstra Kuiper erwähnt in seinem Buch Het Half Pin Thema, dass der Ausdruck
"Halbfesselung" wohl erstmals in einem Briefwechsel zwischen Murray Marble (1885-1919) und
Comins
Mansfield über einen im November 1915 erschienenen Zweizüger verwendet wurde und
weist
darauf hin, dass ein Halbfesselungsproblem aber schon 1859 von William W.
Greenwood
(28.12.1836-11.7.1922) gezeigt wurde, dessen 175. Geburtstag jetzt ansteht. Leider habe ich
dieses
frühe Greenwood-Halbfesselungsproblem nicht ausfindig machen können, aber ein
anderes,
ebenfalls aus 1859, zeigt den Autor auf damals hochaktuellem indischem Gebiet (s. Diagramm):
1.Lh1
d6 2.Tg2 K:d5 3.Td2#.
Wenn nach einem auch musikalisch engagierten Problemisten, der noch dazu ein Bürgermeisteramt
ausübt,
gefragt wird, dann ist eigentlich klar, dass Werner Keym aus Meisenheim gemeint sein muss.
Überraschenderweise
ist diese Kombination aber weitgehend vorweggenommen: Der vor nunmehr 175 Jahren geborene
Kanadier
John Henderson (17.11.1836-25.4.1896) war acht Jahre Bürgermeister des Städtchens
Saint-Liboire (einem Ort in der Provinz Quebec, der heute ungefähr genauso groß ist
wie
Meisenheim). Henderson war schachlich äußerst vielseitig engagiert. Als
Problemkomponist
Preisträger, als Partiespieler mehrfacher Teilnehmer an kanadischen Meisterschaften, wo er
zweimal
(1882, 1884) den 2. Platz erringen konnte, als Fernschachspieler wurde er erster kanadischer
Meister
(1878-1880). Schachjournalistisch war er tätig für den Canadian Spectator, und
ein
Jahrzehnt lang leitete er eine Schachspalte in der Montreal Gazette. Sein musikalisches
Talent
manifestierte sich in der Komposition von zwei Liedern: The Royal Game (1877) und Bold
Champions of Caissa (1879). Vielleicht kann WK die Noten irgendwo aufstöbern und
das einmal
in Andernach aufführen!?
[GüBü]