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Heft 320, April 2023

 


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Aktuelle Meldungen 61
Entscheid im Informalturnier 2021, Abteilung Zweizüger 62
Entscheid im Informalturnier 2018, Abteilung Zweizüger - Nachtrag 70
Silvio Baier: Orthodoxe Beweispartien mit je zwei Ceriani-Frolkins und Pronkins - Teil 3 72
Peter Hoffmann: Das Ausloten von Grenzen beim Babson-Task 77
Werner Keym: Ein nahezu perfekter Echo-Babson? 80
Urdrucke 83
Lösungen der Urdrucke aus Heft 317, Oktober 2022 92
Bemerkungen und Berichtigungen 117

 

Ein nahezu perfekter Echo-Babson?

von Werner Keym

Vor 40 Jahren erklomm Leonid Jarosch als erster den Mount Everest des Problemschachs, den Babson-Task, die vierfache Echo-Allumwandlung im Direktmatt. Ja, er erreichte 1983 den Gipfel sogar mehrmals. Zur Babson-Thematik gibt es zwei hervorragende umfangreiche Publikationen auf Ralf Krätschmers großartiger Website www.berlinthema.de:

  1. Peter Hoffmann, unterstützt von Erik Zierke. "100 Jahre Babsontask im orthodoxen Direktmatt" (März 2013; Fassung 20.01.2023) [verschiedene Babson-Formen];
  2. Erik Zierke, unter Mitarbeit von Ralf Krätschmer und Peter Hoffmann. "Der Reiz des Ungewöhnlichen – Ausgewählte Aufgaben von Peter Hoffmann" (2011; Fassung 30.01.2023) [Echo-Babson u. a.].

Ich selbst hatte in meinem Artikel "Auf der Suche nach dem idealen Babson-Problem" Die Schwalbe, Juni 2009, Heft 237, S. 137-141) elf Echo-Babson-Probleme beschrieben und auf Duale untersucht. In einem perfekten Babson sollten nach meiner Auffassung alle vollzügigen Varianten dualfrei sein. Dazu sind in der Normalform (legale Stellung, keine Umwandlungsfiguren) drei Kriterien zu erfüllen.

  • K1: Die vier thematischen Umwandlungsvarianten sind dualfrei (Matt-Duale eingeschlossen).
  • K2: Die Abspiele (ohne Umwandlung im 1. Zug) sind dualfrei.
  • K3: Zusätzliche Umwandlungsvarianten sind a) nicht vorhanden oder b) kurzzügig oder c) vollzügig und dualfrei.

1 Leonid Jarosch

Schachmaty w SSSR 1983

1. Preis

#4 (16+8)

Jeder Babson-Interessierte kennt Nr. 1, das grandiose Meisterwerk mit fantastischem Schlüsselzug und genau vier Drohungen, die in den vier thematischen Varianten ausgeführt werden (Fleck-Thema). In ihm ist das Kriterium K3a erfüllt, denn es gibt im Haupt- und Nebenspiel einige Duale (durch kursive Schrift markiert). Hier folgen lediglich die vier thematischen Varianten; mehr bei Hoffmann, Zierke und Keym. 1.a7!
1.- a:b1D 2.a:b8D! [droht 3.T:f4+,D:f4+,Dd6+,D:b3] De4 3.T:f4,D:f4 D:f4 4.D:f4#/T:f4# , 2.- De1/D:f5 3.T:f4+,D:f4+, 2.- D:b2 3.D:b3 [4.T:f4#] Dc3 (Totalparade) 4.Da:c3#,Db:c3#.
1.- a:b1T 2.a:b8T! [3.T:f4#] (2.a:b8D? T:b2 3.D:b3 patt) T:b2 3.T:b3 K:c4 4.Da4#.
1.- a:b1L 2.a:b8L! [3.T:f4+,Sd6,L:f4] (2.a:b8D? Le4 3.D:f4 patt) Le4 3.L:f4 ~ 4.Le3#,Le5#.
1.- a:b1S 2.a:b8S! [3.T:f4#] S:d2 3.Dc1 Se4/S~ 4.Sc6#/T:f4#.
1.- D~ #4, zum Teil mit Dualen.

2 Leonid Jarosch

Thèmes 64 1983

1. Preis

#4 (14+7)

Nr. 2 erfüllt das gleiche Kriterium (K3a). In Kurzform: 1.S:c3!
1.- c1D 2.e:d8D! [3.Tc4,D:f6+,Db8] D:c3 3.S:f6 D:b2/Dd4 4.D:b2#/L:d4#.
1.- c1T 2.e:d8T! [3.S:f6,Tc4,Te7,Lc8] keine Totalparade 2.- T:c3 3.S:f6 K:f6 4.L:c3# oder 2.- Td1 3.Te7/Lc8.
1.- c1L 2.e:d8L! [3.Tc4,L:f6+,L:c1] keine Totalparade 2.- L:e3 3.Tc4 Kd6 4.Se4# oder 2.- L:b2 3.L:f6+ Kd6 4.Tc6#,Td7#.
1.- c1S 2.e:d8S! [3.Sf7#] Sb3+ 3.Kb6 ~ 4.Sf7#; 2.- Kd6 3.Kb6,Sb5+,Td7+.
1.- T~ #4, zum Teil mit Dualen.

Leonid Jaroschs jüngste Preisträger von 2021 und 2022 (= Nr. 5) sind ebenfalls großartig konstruiert, aber auch nicht dualfrei (Hoffmann S. 135-136): 2021 kein K und 2022 K1. Vermutlich sind solche Spitzenleistungen nicht ohne Duale zu haben.

Unter den rund 30 Echo-Babson-Problemen gibt es bislang sieben (Nr. 3 bis 9), in denen das Hauptspiel unstrittig dualfrei ist; sie funktionieren alle mit drei nebeneinander stehenden schwarzen Bauern auf der 2. Reihe. In Nr. 3 (Erstdarstellung) bis 5 ist allein das Hauptspiel dualfrei (K1). In Nr. 6 (Erstdarstellung) und 7 führen die von den schwarzen Bauern verursachten zusätzlichen Umwandlungen zu Kurzmatts (K1, K3b). In Nr. 8 (Erstdarstellung) und 9 ist auch das Abspiel ohne Umwandlungen im 1. Zug dualfrei (K1, K2). Wem gelingt die perfekte Babson-Darstellung, die alle drei Kriterien erfüllt, also in allen vollzügigen Varianten dualfrei ist?

3 Peter Hoffmann

Die Schwalbe 1986

#4 (15+8)

Nr. 3 ist der erste Babson mit dualfreiem Hauptspiel (K1). Los geht es mit 1.d:e7!
1.- e1D 2.e:f8D! (2.e:f8T? D:e4+ 3.d4 Df5) D:e4+ 3.d4 [4.L:e4#/Tf7#] Df5 4.L:f5#.
1.- e1T 2.e:f8T! (2.e:f8D? T:e4+ 3.d4 patt; 2.e:f8S+? Kg8 3.Da6 T:e4+) T:e4+ 3.d4 Kg7 4.T4f7#.
1.- e1L 2.e:f8L! (2.e:f8D? patt; 2.e:f8S+? Kg8 3.Da6,Ka3,Ka5 patt) Kg8 3.Da6 Kh7 4.Dg6#.
1.- e1S 2.e:f8S+! (2.e:f8D? S:d3+! 3.Ka5 Se5!) Kg8 3.Ka5 S~ 4.Dc4#.
1.- T~ #4 mit Dualen ("Variantenwust").
1.- e:d1D #4 mit Dualen, 1.- e:f1D #4 mit Dualen.

Peter Hoffmann entwickelte dazu die erforderlichen Schemata: Sofortschach des weißen UW-Springers, Schachdrohung des schwarzen UW-Springers und Selbsteinsperrung des schwarzen UW-Läufers (so in Nr. 3 bis 9). Letztere ermöglicht aber den schwarzen Bauern auf der 2. Reihe zwei "unerwünschte" Umwandlungen (hier 1.- e:d1/f1D). Diese machen, wenn sie vollzügig sind, nach meiner Auffassung den thematischen Inhalt des Babson-Tasks - die vier Echo-Umwandlungen - nicht reicher, sondern ungenauer; sie "verwässern" ihn etwas.

4 Peter Hoffmann

Version Marcel Tribowski

Die Schwalbe 2000

#4 (15+8)

Das trifft auch auf Nr. 4 zu, eine Version mit einem etwas weniger grobem Schlüssel: 1.Td1!
1.- e1D/T/S 2.e:f8D/T/S! … 1.- e1L 2.e:f8L! Kg8 3.D:c6 Kh7 4.Dg6#.
1.- T~ #4 mit Dualen ("Variantenwust").
1.- e:d1D #4 mit Dualen, 1.e:f1D #4 mit Dualen.

5 Leonid Jarosch

10. FIDE World Cup 2022

Spezialpreis

#4 (16+5)

Das Kriterium K1 gilt auch für Nr. 5 mit ähnlichem Schlüssel wie in Nr. 4: 1.Dd1!
1.- g1D 2.g:f8D! D:g6 3.Le4 D:e4 4.Dg7#.
1.- g1T 2.g:f8T! [3.Tf7+ Kh8 4.c8D,T#] T:g6 3.Dc2 Kh6 4.D:g6#.
1.- g1L 2.g:f8L! Kh8 3.f7 Kh7 4.Th6#.
1.- g1S 2.g:f8S+! Kh8 3.f7 S:e2+ 4.S:e2#.
1.- D~ #4 mit Dualen ("Variantenwust").
1.- g:f1D #4 mit Dualen, 1.- g:h1D #4 mit Dualen.

6 Peter Hoffmann

Version Werner Keym

Hannoversche Allgemeine
Zeitung 24.1.2009

#4 (14+9)

Nr. 6 ist nicht nur dualfrei im Hauptspiel (K1), sondern auch themarein (K3b). 1.d:e7!
1.- e1D 2.e:f8D! D:e4+ 3.d4 Df5 4.L:f5#.
1.- e1T 2.e:f8T! T:e4+ 3.d4 Kg7 4.T4f7#.
1.- e1L 2.e:f8L! Kg8 3.D:c6 Kh7 4.Dg6#.
1.- e1S 2.e:f8S+! Kg8 3.Ka5 S~ 4.Dc4#.
1.- T~ #4 mit Dualen ("Variantenwust").
1.- e:d1D? #3, 1.e:f1D? #3.
Die Varianten mit "unerwünschten" Umwandlungen (1.- e:d1D? und e:f1D?) sind kurzzügig. Damit ist eine etwaige "Verwässerung" belanglos.

7 Peter Hoffmann

Version 2009

Die Schwalbe 1986

1. Lob

#4 (15+9)

Nr. 7 zeigt weitgehend den gleichen Inhalt wie Nr. 6 (K1, K3b). 1.f:g7!
1.- e1D/T/L 2.g:f8D/T/L! ... 1.- e1S 2.g:f8S+! Kg8 3.K:a4 S:c2 4.Db3#.
1.- L~ #4 mit Dualen ("Variantenwust").
1.- e:d1D? #3, 1.e:f1D? #3.
Die naheliegende Umwandlung 1.d8D? scheitert spektakulär an 1.- e:f1D!

8 Werner Keym

nach K. Bachmann,
M. Hoffmann, P. Hoffmann

Die Schwalbe 2009

#4 (15+7)

Das Referenzproblem von Karlheinz Bachmann, Martin Hoffmann und Peter Hoffmann (Hoffmann S. 42; PDB P1058392) hat jeweils einen Matt-Dual in einer Haupt" und Nebenvariante. Nr. 8 beseitigt diese Duale (K1, K2). Nach 1.T:d8! verläuft alles wie bei Nr. 9.

9 Werner Keym

nach K. Bachmann,
M. Hoffmann, P. Hoffmann

Die Schwalbe 2023

#4 (15+7)

Mit Nr. 9 glückte mir ein schlagfreier Bauernzug als Schlüssel. 1.g8D? K:f5!; 1.L:c2?? K:g7,d1D,d1L,d:c1D!; 1.Le6? K:g7! und 1.S:h6!? d1S!. Daher 1.g4!
1.- d1D 2.g8D! D:d4+ 3.c4 D:b2 4.Dg6#.
1.- d1T 2.g8T! T:d4+ 3.c4 K:f7 3.Tdf8#.
1.- d1L 2.g8L! Kg7 3.c4 Kf6 3.d5#.
1.- d1S 2.g8S+! Kg7 3.f6+ Kh7 4.L:c2#.
1.- K:g7 2.f6+ K:f6 (2.- Kh7? 3.Th8#) 3.Tg8 ~ 4.Tg6# (nur 1 Abspiel!).
1.- d:e1D? #3, 1.- d:c1D #4 mit Dual 2.g8D,T

Verglichen mit Jaroschs "barockem" Meisterwerk Nr. 1 ist Nr. 9 eine "klassische" Darstellung (ohne weiße Dame, ohne schwarze Offiziere): vier lineare thematische Varianten (mit Schlüsselzug und Umwandlungen ohne Schlagfall) und ein einziges Abspiel ohne Umwandlung im 1. Zug, alles ohne Duale. Damit sind die Kriterien K1 und K2 erfüllt.

Im Nebenspiel gibt es einen einzigen (strittigen) Dual. Die eine "unerwünschte" Umwandlung (1.- d:e1D?) ist kurzzügig und belanglos, die andere (1.- d:c1D 2.g8D,T) ist vollzügig und dualistisch.
Warum ist dieser Dual strittig? Das Löseprogramm "Gustav" gibt hier Folgendes an: "1.- bel. 2.g8D Da1+ 3.L:a1 ~ 4.Dg6,Dh8#, 1.- bel. 2.g8T Da1+ 3.L:a1 ~ 4.Tg6#." Die Angabe "bel." ist plausibel: Nach 1.g4! droht kurzzügig 2.g8D,T ~ 3.Dg6#,Dh8#,Tg6#. Daher ist die Verteidigung 1.- d:c1D? schlecht, weil sie die Ausführung dieser Drohung lediglich um einen Zug verlängert: 2.g8D,T Da1+ 3.L:a1 ~ 4.Dg6#,Dh8#,Tg6#. Insofern kann man die nicht-parierende Nebenvariante 1.- d:c1D? als vernachlässigbar ansehen. Somit kommen Nr. 8 und Nr. 9 der vollständigen Dualfreiheit in allen vollzügigen Varianten am nächsten.

Verglichen mit den Echo-Babsons seit 1983 (Hoffmann S. 26-46 und 135-136) hat Nr. 9 folgende Alleinstellungsmerkmale: Sowohl der Schlüsselzug als auch die Umwandlungszüge in den vier thematischen Varianten sind stille Bauernzüge. Diese Varianten und das Abspiel ohne Umwandlung im 1. Zug haben (wie im Vorläufer Nr. 8) keine Duale. Schwarz besitzt nur König und Bauern.

Duale per Computer zu finden ist einfach, sie zu bewerten aber nicht! Auch über Drohungen, gute und schlechte Verteidigungen lässt sich streiten, ebenso über die Qualität von Schlüsselzügen in Taskproblemen (einige sind recht grob). Das überlasse ich gern den Lesern und empfehle ihnen dazu die Lektüre von Erik Zierkes Kommentaren aus Lösersicht.


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