Folgende
56 Märchenschach-Urdrucke erschienen im Berichtszeitraum: Heft 181, Nrn.
10654-662 = 9; Heft 182, S. 410/Diagr. 3 & Nrn. 10719-727 = 10; Heft
183, Nrn. 10785-793 = 9; Heft 184, S. 485/Diagr. unten & Nrn. 10849-858
= 11; Heft 185, Nrn. 10906-913 = 8; Heft 186, Nrn. 10969-977 = 9. Nach
Streichung der Nr. 10656 (außer Konkurrenz, da von mir selbst), Nr. 10657
(illegale Stellung - ohnehin eher ein Scherz) und Nr. 10912 (NL, m. W. ohne Korrektur)
verblieben 53 Aufgaben zur Beurteilung (davon Nr. 10971 in verbesserter Version).
Wie von einer der führenden Problemzeitschriften der Welt nicht anders zu
erwarten, war die Qualität überdurchschnittlich hoch. Selbst kleinere
und weniger ambitionierte Aufgaben, auch wenn sie keine Chance hatten, in diesen
Preisbericht Eingang zu finden, waren durchweg niveauvoll und haben mir viel Freude
bereitet.
1.
Preis: 10727 Unto Heinonen
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2.
Preis: 10723 Franz Pachl |
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3.
Preis: 10661 Hubert Gockel |
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s#31 |
(14+10) |
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h#2 |
(9+9) |
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#2 |
(14+8) |
Madrasi =
Grashüpfer =
Lion
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b)/c)
f1/wlf1 =
Grashüpfer =
Nachtreiter
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Sentinelles b)
sbc5 > h2
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1.
Preis: Nr. 10727 von Unto Heinonen Nach zwei einleitenden
Zugpaaren "steht" die Matrix. Weiß kann nur mit Lb5 und LIc4 (von
f7 über a2 und c2) Selbstmatt erzwingen, weil ersterer sowohl den BOck für
die Lähmung des letzteren als auch einen fehlenden BLock für den wK
liefert. Gleichzeitig muss der Gg4 an die Lähmung von Gd1 gebunden sein,
um das Mattfeld d4 nicht zu kontrollieren. Deshalb braucht Weiß bei leerem
c2 einen G auf e2 (von g8 über a2) und einen auf f1 (von a2 über c2,
um d3 zu decken) und zudem seinen S auf a3 (um dort zu blocken und c2 zu decken).
Bei der nötigen Rangierarbeit muss Weiß stets die Fluchtfelder c2 und
d3 im Auge behalten und stets ein Stein mindestens auf c2 oder e2 stehen. Wenn
sich der wL auf d3 zum BOck macht (und zwischenzeitlich c2 deckt), muss Gd1-d4
verstellt sein, was das Hin und Her des wS erklärt. Als BOck für den
LIf7 darf sich der wL nur bis d5 vorwagen, denn: 8.Le6+? Llf6!! 9.LIc4#! Die Aufzählung
all dieser Finessen verrät es schon: Ich bin restlos begeistert von diesem
Task mit ununterbrochener schlagfreier Kreuzschachserie! Das ist so aufregend
und geistreich, dass ich dafür sogar die "exotisch" (sprich: "illegal")
überfüllte Stellung in Kauf nehme. Hier habe ich wirklich das Gefühl,
den inhaltlichen Gegenwert für das strapazierte Material zu bekommen (s.
Exkurs). Wären doch alle Tasks so wenig mechanisch, durchschaubar und grobschlächtig
wie dieser! 1.LIc4+! LId4+ 2.LIc6+ LIb6+ 3.Sc4+ LId4+ 4.Sa3+ LIb6+ 5.Gc4+
LId4+ 6.Gc2+ LIb6+ 7.Lc4+ LId4+ 8.Ld5+ LIb6+ 9.LIfc4+ LId4+ 10.LIa2+ LIb6+ 11.Lc4+
LId4+ 12.Le2+ LIb6+ 13.Gc4+ LId4+ 14.GfI + LIb6+ 15.LIac4+ LId4+ 16.LIc2+ LIb6+
17.Lc4+ LId4+ 18.Ld5+ LIb6+ 19.Gc4+ LId4+ 20.Ga2+ LIb6+ 21.Sc4+ LId4+ 22.Sd2+
LIb6+ 23.Lc4+ Lld4+ 24.Ld3+ LIb6+ 25.Gac4+ LId4+ 26.Ge2+ LIb6+ 27.Sc4+ LId4+ 28.Sa3+
LIb6+ 29.Lc4+ LId4+ 30.Lb5+ LIb6+ 31.L2c4+ LId4#.
2. Preis: Nr. 10723
von Franz Pachl Ich liebe lebhafte und ausführliche Löserkommentare,
zumal die der Schwalbe, die von ausgewiesenen Experten stammen und eine große
Hilfe für jeden Preisrichter sind. Was ich aber gar nicht leiden kann, ist,
wenn mir Löser die genaue Platzierung in den Berichtsbogen diktieren wollen.
Aber was kann ich schon dagegen tun? Soll ich es den Autor büßen lassen?
Natürlich nicht - dies ist ein großartiges Meisterwerk! Wäre doch
jeder Zyklus so eindringlich (s. Exkurs) wie der zwischen Deckungsbehalt, Block
als Deckungsersatz und Neudeckung in schönem Forsberg-Drilling mit weißem
Tripel-Grimshaw! a) 1.L:e6 Ng3 2.Lc8 Lb6#, b) 1.S:c5 Ga1 2.Sa6 Nb6#, c)
1.T:a4 Lh3 2.T:a7 Tb6#.
3. Preis: Nr. 10661 von Hubert Gockel Herrlicher
Djurasevic mit vorbildlicher Ausnutzung der Sentinelles-Bedingung im Zusammenspiel
mit zwei Batterien. Zwei zusätzliche Mattwechsel bereichern den sinnfälligen
Zyklus - hier ist für ausreichenden Ertrag der 22 Steine gesorgt (s. Exkurs).
Mit der Zwillingsbildung (zu versetzender sB beide Male als Widerleger) habe ich
kein Problem - da sind die Märchenschächer wohl schon weiter als die
Orthodoxen, die sich mit so etwas immer noch schwer tun? a) 1.T:c3 [+wBc2]?
c:d4!, 1.Kg5 [+wBg6]! A (droht 2.Sg3# B) 1.- T:f4 x 2.T:c3#
C, 1.- Sf7+/e:f6+/Tf3 2.g:f7#/S:f6 [+wBh5]#/g:f3#; b) 1.Kg5 [+wBg6]? h1S!,
1.T:c3 [+wBc2] C (droht 2.Kg5# A) 1.- T:f4 x 2.Sg3# B,
1.- Sf7/e:f6 2.K:f7#/Te3 [+wBc3]#.
4.
Preis: 10908 Sergej Smotrow
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XVVV |
1.
Ehr. Erw.: 10791 Hans Peter Rehm |
VVX |
2.
Ehr. Erw.: 10976 Reto Aschwanden |
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s#19 |
(6+8) |
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#4 |
(12+16) |
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#2v |
(11+10) |
=
Nachtreiter
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=
Pao =
Vao
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=
Turmlion = Läuferlion =
Nao
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4.
Preis: Nr. 10908 von Sergej Smotrow Eine mustergültige
neudeutsche Pendelaufgabe aus Semipalatinsk! Selten habe ich solch perfekte Pendelei
in solch sparsamer Form und "beizu" (das ist altrheinisch!) noch eine
ernsthafte Taskidee geboten bekommen. Achtmal wird eine Batterie aufgebaut und
abgefeuert, zweimal sogar "überlappend": 2.Lf5+ und 17.Ld3+ feuern
jeweils ab und bauen zugleich neu auf. 1.Lc6+? S:c6+ 2.Kc8?!; 1.Ld3+! Kf4
2.Lf5+ Ke3 3.Lh3+ Ke4 4.Nc5+ Ke3 5.Td3+ Kf4 6.Td6+ Ke3 7.Nc4+ Kf4 8.Tg4+ Kf5 9.T:g8+
Kf4 10.Tg4+ Kf5 11.Tg2+ Kf4 12.Nb2+ Ke3 13.Td3+ Kf4 14.Td7+ Ke3 15.Ng7+ Ke4 16.Lf5+
Ke3 17.Ld3+ Kf4 18.Lb5+ Ke4 19.Lc6+ S:c6#.
1. ehrende Erwähnung:
Nr. 10791 von Hans Peter Rehm Zweifellos geistreich und gediegen - aber
28 Steine in "exotischer" (sprich: "illegaler") Stellung?
Probleme mit einer größeren Summe von Bauern plus Märchenfiguren
derselben Farbe als acht sind mir schon deshalb suspekt, weil ich letztere gerne
mit gedrehten Bauern aufbaue und ergo einen zweiten Bauernsatz heranziehen muss.
Das nehme ich klaglos nur hin, wenn mich der Inhalt "umhaut" wie beim
1. Preis. Hier nun schalten 2.- VA/PAf4+ die reziproken Fortsetzungen 3.- PA/VAf4+
durch Entzug des Hintersteins aus, aber 3.-T/L:d5 durch Linienöffnungen
hilfsstein-blockdresdnerisch
ein. Wir haben also BLöcke auf d5 und BÖcke auf f4, welch letzteres
Feld aber weder als BLockpunkt noch als Grimshaw-Schnittpunkt Verwendung findet
(selbst wenn 3.- PA/VA:f4?? ausnahmsweise möglich oder sVA/PAf4 ausnahmsweise
transparent wären, nützte dies Schwarz überhaupt nichts). Hinzu
kommen Schachprovokation und Zickzackthema durch den wK. Die logische Form mit
den Vorplanweglenkungen lästiger Extradecker durch einen angenehm unauffälligen
Schlüssel mit vollzügiger Drohung ist einwandfrei (der Drohmattdual
stört mich überhaupt nicht, da die Drohzüge unthematisch sind).
Ja, wenn man reziproke Palitzsch- oder Brunner-Dresdner statt nicht wirklich reziproker
Hilfssteindresdner bekommen hätte - vielleicht wäre ein Preis drin"
gewesen (reziproke Grimshaw-Römer zwischen gelenktem und gesperrtem Stein
gibt es orthodox und sparsamer ja schon einige!). Aber mit Hilfssteindresdnern,
ganz egal, wieviel Steine allein die Matrix dafür schon braucht, erscheinen
mir 28 Diagramm-Steine in "exotischer" Stellung für eine höhere
Auszeichnung zu viel des Aufwands gemessen am Ertrag (s. Exkurs). 1.Kg4?
(droht 2.Te6#) 1.- VAf4+ 2.K:g5 T:d5!; 1.K:g5? (droht 2.Te6#) 1.- PAf4+ 2.Kg4
L:d5!; 1.PAh3! (droht 2.Te6+ Kf5 3.Sg3+ Kf4 4.Sd3#/Te4#) 1.- PAa3 2.Kg4 VAf4+
3.K:g5 T:d5 4.Sc6#, 1.-VA:h3 2.K:g5 PAf4+ 3.Kg4 L:d5 4.Sd3#.
2. ehrende
Erwähnung: Nr. 10976 von Reto Aschwanden Schwierig zu beurteilen!
Das tiefsinnige Konzept und die ansehnliche Umsetzung gefallen mir sehr: Lacny,
Droh-Reversal und zweimal fortgesetzte Verteidigung zweiten Grades in zum Glück
"legaler" (und nicht gemäß altem Kodex "exotischer")
Stellung. Nun gibt es aber einen Vorgänger vom selben Autor, und mein Lieblingslöser
stellt zurecht die Frage, ob der zusätzliche Droh-Reversal die Einführung
von Naos und einem Umwandlungsläufer wert sei. Allerdings habe ich im Vorläufer
thematische Unreinheiten entdeckt, die hier bereinigt sind. Dennoch: Vorläufer
ist Vorläufer und Umwandlungsläufer ist Umwandlungsläufer, daher
ist dies leider kein Selbstläufer für einen Preis! 1.NAd5? A
(droht: 2.LLf3# B) 1.- NAb3~ x 2.NAb2# C, 7.- NAd2! y
2.Tf6# D, 1.- NAd4! z 2.Sd8# E, aber 1.- TLb4!; 1.LLf3! B
(droht 2.NAd5# A) 1.- NAb3~ x 2.Tf6# D, 1.- NAd2! y
2.Sd8# E, 1.- NAd4!! z 2.NAb2# C.
3.
ehr. Erw.: S.410/Diagr.3 Reto Aschwanden
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4.
ehr. Erwähnung: 10722 Yves Cheylan |
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1.
Lob: 10726 Klaus Wenda |
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#2
Zügen
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(12+7) |
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#2
v v
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(8+7) |
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h#2
Circe
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(6+7) |
2
Lösungen =
Pao =
Vao
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=
Sirene = Grashüpfer
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b)
gespiegelt (a1 = h1) =
Nonstop-Equihopper
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3.
ehrende Erwähnung: S. 410 / Diagr. 3 von Reto Aschwanden Ich
gestehe freimütig, dass es mir immer schwerer fällt, den Überblick
über sämtliche weiße Linienkombinationen zu wahren. Jedenfalls
gefiel mir das originelle Liniengewirk in dieser Aufgabe, ob nun Thema J oder
K ... Zwei Lösungen zu fordern finde ich völlig legitim (s. Kommentar
zum 3. Preis), zumal wenn sie fortgesetzte Angriffe gegenüber demselben Probespiel
darstellen. Allerdings hinterlassen die reziproken Mattwechsel bei mir doch einen
etwas automatischen Eindruck, weil sich die beiden Lösungen gedanklich zu
ähnlich sind, fast wie die beiden Seiten derselben Medaille. Als Pluspunkt
hingegen möchte ich die Ökonomie hervorheben (s. Exkurs). Leider stellt
der neue Kodex einen Freibrief für das Treiben ökonomischen Schindluders
aus, sobald Märchenelemente im Spiel sind - nach altem (Piraner) Kodex ist
diese Aufgabe jedoch "legal", nicht bloß exotisch",
was für mich auch und gerade einen gehörigen ästhetischen Unterschied
bedeutet (s. Exkurs). 1.VAh3~? (droht 2.Sh3#) 1.- VAc8!; I.) 1. VAg4! (droht
2.Sh3#) 1.- Te6 2.Sg2#, 1.-Le7 2.Sd5#, (1.- Se4 2.T:e4#); II.) 1.VAf5! (droht
2.Sh3#) 1.-Te6 2.Sd5#, 1.- Le7 2.Sg2#, (1.- Se4 2.T:e4#).
4.
ehrende Erwähnung: Nr. 10722 von Yves Cheylan "Thema F, 2. Sonderform"
ist die primäre Autorabsicht. Was mich zusätzlich erfreut, sind die
sirenenspezifischen weißen Fernblöcke in den Verführungen, die
Schwarz für Königsfluchten zu nutzen weiß, und die perfekte auswahllogische
Form in gefälliger Ökonomie. 1.Sf6? (droht 2.Se6#) 1.- c5! (2.SIa1?
Ke5!), 1.Sd6? (droht 2.Se6#) 1.- Gc5! (SId2? Kd5!); 1.Sg7! (droht 2.S7e6#) 1.-
c5 2.SIa1#, 1.- Gc5 2.SId2#, 1.- Gg1+ 2.S5e6#.
1.
Lob: Nr. 10726 von Klaus Wenda Spiegelungs-Zwillinge haben mich schon immer
fasziniert. Hier führt der kleine Unterschied des sD-Repulses zu feiner Analogie.
a) 1.g.f1L [+wNEf8] NE:f1 [+sLc8] 2.e3 (Le3?) NE:b4 [+sDd8]#, b) Lb:a1T
[+NEa8] NE:a1 [+sTh8] 2.Ld3 (d3?) NE:g4 [+sDd8]#.
2.
Lob: Nr. 10654 von Unto Heinonen Schönes Idealpatt mit weißer
Idealökonomie, aber fünf von sechs weißen Zügen sind Schlagfälle
(die Crux der meisten Pattaufgaben) - und sind AUWs mit 14 Steinen angesichts
der unübersehbaren Fülle von Darstellungen überhaupt noch ökonomisch
(s. Exkurs)? 1.Se5 d8T 2.Lf3 T:d3 3.Ld5 f:g8D 4.Kd6 D:g3 5.Tb8+ a:b8S 6.Ld8
c:d8L=.
3. Lob: Nr. 10906 von Rolf Wiehagen & Achim Schöneberg Ich
persönlich habe kein Problem damit, auch im ("logischen") Hilfsspiel
von ("logischen") Verführungen zu sprechen, schließlich soll
ja der Löser "verführt" werden, nicht der (im Hilfsspiel "verloren
gegangene") Gegner. Die Bezeichnung Probespiel wäre mir natürlich
genauso recht. Jedenfalls gewinnen in meinen Augen die beiden Rehm-Manöver
durch das Vorhandensein der eindeutigen Versuche, ohne sie auszukommen, klar an
Kontur. Und weil dergestalt logisch unterfütterte Serienhilfszüger m.W.
Neuland betreten, hat dieser nette Forsberg-Zwilling den Sprung in den Preisbericht
geschafft. a) 1.Ta4? 2.T:d4 3.T:e4 4.T:e6+ L:e6+? 5.L:e6!, 1.Lb1! 2.Ld3
3.Lc4 4.L:e6 4.L:e6#; b) 1.Lb1? 2.Ld3 3.L:e2 4.L:f3 4.T:f3+? 5.T:f3!, 1.Ta4! 2.T:d4
3.Td3 4.Tf3 4.T:f3#.
4. Lob: Nr. 10977 von Arnold Beine Hier
ist die Orthogonal-Diagonal-Analogie wirklich apart! a) 1.CSe2 [=wCL] CT:e4
[=CD] 2.CDg4 [=wCS] CLf1 [=sCT]#, b) 1.CS:e2 [=CL] CT:h4 [=CD]+ 2.CDg3 [=wCS]
CSf1 [=sCL]#.
Exkurs Ökonomiefragen ziehen sich wie ein
roter Faden durch diesen Entscheid. Insbesondere Liebhaber steinreicher Zyklen
argumentieren gerne, eine Aufgabe sei umso ökonomischer, je weniger Steine
sie zusätzlich zur Matrix verwende. Der erste Irrtum besteht in meinen Augen
schon einmal darin, dass unterschwellig immer angenommen zu werden scheint, jeder
auch noch so fern liegende Zyklus sei per se darstellenswert. Das mögen Extremsammler
von Zyklen so empfinden, nicht aber Ästheten: Vielen Zyklen geht die nötige
Inhaltsästhetik ab, und dann sind mir schon 15, geschweige denn 30 Steine
zuviel. Nicht jede Matrix ist per se den Aufwand wert, den sie benötigt.
Der
zweite Irrtum besteht in der Annahme, Ökonomie beziehe sich nur auf die möglichst
sparsame Verwendung von nachtwächternden Cookstoppern oder Nebenspielakteuren.
Tatsächlich bedeutet (gute) Ökonomie aber das (angemessene) Verhältnis
von Inhalt und Gesamtaufwand. Das (feine) Gespür für die Angemessenheit
des Aufwands bekommen wir nur durch jahrelange problemschachliche Sozialisation
vermittelt. Es ist äußerst heikel, labil, intersubjektiv und spottet
jedem Formalisierungsversuch. Insofern verhielte es sich mit etwaigen extragalaktischen
Besuchern genau umgekehrt zu dem, was ein lieb gewordener Schachfreund einmal
vermutete: Sie würden nicht an den Märchenregeln scheitern, die sie
(dank ihrer unterstellten Intelligenz und bei hinreichendem Problem-Input) schnell
"spitz" bekämen, sondern an der ästhetischen Beurteilung,
der Beurteilung von Inhalts- wie Formästhetik und ihrem ausgewogenen Zusammenspiel,
weil sie für die Entwicklung dieses Sensoriums auf unserer Erde und im Schöße
unserer Problemschachgemeinde hätten groß werden müssen. (Näheres
zu Inhalts- und Formästhetik in "Quadrupelfuge, Tanztee und Quintolen",
Die Schwalbe 188, IV/2001, S.49-51.)
Ökonomie ist übrigens
keineswegs nur eine Frage wuchtiger Stellungen - auch eine Miniatur kann völlig
unökonomisch sein, wenn ihr einziger nennenswerter Pluspunkt der ist, nicht
mehr als sieben Steine zu beschäftigen. Und je abgedroschener ein Thema ist,
desto sparsamer wollen wir es dargestellt sehen. Dabei fußt unser Gespür
für die Angemessenheit des Aufwands wesentlich auf den Erfahrungen mit der
Orthodoxie. Für denselben "Erlebniswert", den ich orthodox für
10 oder 20 Steine geboten bekomme, will ich heterodox nicht unbedingt 20 oder
30 Steinen aufbringen. Hierher gehört auch die Frage der Legalität von
Märchenstellungen. Können sie auf orthodoxe Stellungen "zurückgeführt"
werden, ist das ein erheblicher formästhetischer Vorzug gegenüber "exotischen",
jeden Rahmen sprengenden Stellungen. Wie unsere Märchenregeln wesentlich
auf den orthodoxen Regeln fußen, sie aber zum Glück beliebig modifizieren
können, wiewohl niemals allesamt und zugleich, so ist es auch mit unserem
ästhetischen Empfinden bestellt. Auch das ändert sich, wenn wir inhaltliches
Neuland betreten, aber nur behutsam und schrittweise. So muss sich immer neu und
aktuell ein verschärftes Gespür für die Aufwandsangemessenheit
erweiterter Märchenthematik herausbilden. Das ist ein mühsamer und unberechenbarer
Prozess - vermutlich nicht immer etwas für stürmische Stolzinge, ehe
sie noch zum Hans Sachs gereift.
Jörg Kuhlmann, Köln, im November
2007
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