Ungefähr
drei Jahre ist die Idee nun alt, und vor fast zwei Jahren, als bernd ellinghoven
mit mir über mögliche Märchenschach-Ideen für das nächste
Andernach-Treffen sprach, reifte der Entschluß, sie ebendort der Allgemeinheit
vorzustellen: die take&make-Bedingung. Ihr Grundgedanke ist, einen geschlagenen
Stein nicht, wie üblich, ohne Erbarmen vom Brett zu stellen, sondern ihn
dabei mit einem Schwanengesang noch einmal zur Wirkung kommen zu lassen: Jeder
Stein wird bei Ausführung eines Schlages (take") verpflichtet,
unmittelbar (also als Bestandteil des schlagenden Zuges) vom Feld des vollzogenen
Schlages aus noch einen Zug nach der Gangart des geschlagenen Steins auszuführen
(make") - so als würde der Geist des geschlagenen Steins noch
einmal in ihn fahren. Damit reiht sich diese Märchenschach-Idee in die Gruppe
der zusammengesetzten Züge ein, für die man in den orthodoxen Regeln
bereits die zwar als besonderer K-Zug geltende, aber aus einer Bewegungskombination
des Königs und des Turms bestehende Rochade als Beispiel vorfindet. Auch
die Bauernumwandlungen können als zusammengesetzt aufgefaßt werden,
nämlich aus einem gewöhnlichen Bauernzug und der Wahl einer Umwandlungsfigur,
wenn auch letztere nicht den Charakter eines Zuges hat. Sehen wir uns die take&make-Bedingung
einmal in einigen Beispielen an, die seither das Licht der Welt erblickt haben:
A
Stephen Emmerson Andernach-Programm 2006
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B
Michel Caillaud Andernach-Turnier 2006 7. Platz (Abt. Direktes Spiel)
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C
Uri Avner Hans Peter Rehm Kjell Widlert Andernach-Turnier
2006 4. Platz(Abt. DirektesSpiel), Version
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#2
take&make
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(8+4) |
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s#6
take&make
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(11+5) |
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#2
take&make
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(9+10) |
Wir beginnen mit
A aus der Werkstatt von Stephen Emmerson, der unverzüglich sowohl
die Bedingung begeistert aufgriff als auch die Programmierung für das Löse-Programm
popeye in Angriff nahm: 1.e5+? ist fast" matt - allerdings nur fast:
Zwar ist der wBf5 tabu, da ja Schwarz den Schlag K:f5 (take") von f5
aus mit einem Zug nach der Gangart des geschlagenen Bauern komplettieren müßte,
d.h. mit Kf5-f6 (make"); als take&make-Zug geschrieben 1.-
K:f5-f6", was wegen Selbstschachs illegal wäre. Auch wäre 1.- K:e5-e6
illegal, nicht wegen der Deckung von e5 durch die wD, sondern wegen der Deckung
von e6 durch den wBf5. Aber Schwarz pariert das weiße Schach durch den Schlag
des wL 1.-d:e2-c4! erfolgreich. (Der wT könnte zwar auf c4 schlagen, stünde
dann aber wegen der take&make-Bedingung im gleichen Moment auf c3 und würde
daher nicht einmal mehr Schach bieten!) Daher 1.Ld1! mit der Drohung 2.e5#. Schwarz
kann sich mit seinem Springer vierfach zur Wehr setzen, doch jedesmal gibt es
ein take&make-bedingtes Matt: 1.- Sb6 2.S:b6-d5#, 1.- Sc5 2.S:c5-e6#, 1.-
Se5 2.Dh6# (wobei die Blockade von e5 nicht nur unmittelbar, sondern auch nach
dem versuchten Schlag des wBe4 spürbar ist: Der Be4 ist nicht etwa durch
den wTb4 gedeckt", sondern er kann nicht geschlagen werden, weil das einzige
Feld, auf das er seiner Gangart nach ziehen könnte, das Feld e5, besetzt
ist!), 1.- Sf6 2.Db8# (2.- K:f5-f6??). Das
Kompositionsturnier Andernach 2006 erbrachte eine Reihe hervorragender Arbeiten,
die man im Preisbericht in feenschach" studieren können wird.
Ein witziges Stück daraus ist das Selbstmatt B: Stünde der wSf3
auf g1, so wäre Schwarz nach 1.Kf1 zu e2# gezwungen: Der sB kann weder vom
wK noch vom wS geschlagen werden, weil dann von e2 aus ein Zug in der Gangart
des sB ausgeführt werden müßte; einen solchen gibt es aber nicht,
da das Feld e1 besetzt ist. Da Schwarz in der Diagrammstellung patt ist und sich
dies auch nach 1.Sg1?? nicht bessert, geht es darum, diesen Zug möglich zu
machen: Nach 1.e8T! hat Schwarz einen einzigen Zug: 1.- S:e8-e6. Weiter geht's:
2.d8T S:d8-d6 3.c8T S:c8-c6 4.b8T S:b8-b6. Und nun 5.Sg1, denn jetzt ist Schwarz
nicht patt: 5.- S:a8-c6, und schließlich 6.Kf1 e2#. Man könnte es auch
mit 1.e8L,D? oder 1.e8S? versuchen, würde aber nicht ans Ziel gelangen: Es
muß tatsächlich jedesmal in einen Turm umgewandelt werden! Der
4. Platz in der Abteilung Direktes Spiel" des Andemach-Turniers 2006
war eine der Aufgaben, die später überarbeitet und deutlich aufpoliert
wurden. Das Ergebnis ist in C zu sehen: Da 1.f8S+? an 1.- K:e7-g8! scheitert,
könnte man auf die Idee kommen, sich dazu erst einmal des Se7 zu entledigen.
Sowohl 1.S:d5-d4+? T:d4-~2.f8S# als auch 1.S:g6-g5+? L:g5-~2.f8S# sieht zunächst
gut aus - bis man die widerlegenden fortgesetzten Verteidigungen 1.- T:d4-b5!
bzw. 1.- L:g5-e4! findet. Die weißen Springerschachs treten als Mattzüge
auf nach 1.f8D? [2.Dg8#] Lf4/Tf4 2.S:d5-d4/S:g6-g5#. Auch 1.- Tc,e4 (mit der Absicht
2.Dg8+? K:e7-c6! bzw. K:e7-f5!) kann Weiß noch erledigen: 2.L:T-g4#. Aber
nach 1.- Lg5! (2.Dg8+ L:f6-f7+!) geht es nicht weiter. Nach diesem Grimshaw-Vorprogramm"
kulminiert das thematische Geschehen durch das, was nach dem fluchtfeldgebenden
Schlüssel 1.f4! passiert. Es droht 2.f5#, da wegen des besetzten Feldes f6
der wBf5 nicht geschlagen werden kann. Und nun lassen die nur scheinbaren Schnittpunktbesetzungen
à la Novotny" 1.- L:f4-f5 bzw. 1.-T:f4-f5 die schwarzen Langschrittler
dank der take&make-Bedingung aus der Bahn geraten, mit der jeweiligen Folge
2.S:g6-g5# bzw. 2.S:d5-d4#. Liegt hier nun ein reziproker Mattwechsel vor, oder
ist es nur" ein Paradenwechsel? Denn streng genommen ist ja der Zug
1.- Lf4 aus der Verführung ganz und gar nicht mehr der Zug 1.- L:f4-f5 aus
der Lösung (ebenso für den Turmzug)! Die K-Flucht 1.- Kd6 wird mit 2.D:b2-b6#
beantwortet.
D
Volker Gühlke Peter Schmidt Andernach-Programm 2006
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XVVV |
E
Andreas Thoma Original
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VVX |
F
Viele Väter Original
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h#2
take&make b) sBg5 >d2
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(5+9) |
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h=4 take&make-Circe
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(2+3) |
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h=3* take&make-Circe
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(2+2) |
Das Andernach-Turnier
2006 ergab auch im Bereich der Hilfsforderungen glänzende Resultate. Obwohl
deutlich weniger ambitioniert als die Turnierspitze, läßt Aufgabe D
aus dem damaligen Programmblatt dies schon ahnen: a) 1.Sf5+ L:f5-g3+ 2.Tf4 T:f4-f5#,
da für den sK jedes von f5 aus in Turm-Gangart erreichbare Feld unzugänglich
ist, und mit ähnlicher Begründung b) 1.Se4 T:e4-g5+ 2.Tf5 L:f5-f4#. Interessant
ist die Verbindung mit der Circe-Bedingung, da auch diese an das Schlagen von
Steinen geknüpft ist. Wir wollen mit take&make-Circe" diejenige
Kombination von Bedingungen bezeichnen, bei der nach der Ausführung eines
take&make-Zuges die Circe-Wiedergeburtsregeln auf den gerade geschlagenen
Stein angewandt werden. In E wird aus dem geringen Material ein munteres
Treiben herausgeholt: 1.-f1D+ Ka2 2.Df7+ g;f7-e8D+ 3.K:e8-a8 (wDd1) Dg1 4.h:g1-b1T
(wDd1) D:b1-b6 =. Es ist zu beachten, daß stets erst der take&make-Zug
ausgeführt und erst dann über die Wiedergeburt entschieden wird und
nicht umgekehrt; sonst wäre der 4. Zug nicht möglich, da die zu
früh" wiedergeborene wD den Weg des sT nach bl versperrte. Ferner gilt,
daß wie im orthodoxen Schach erst nach Abschluß eines Bauernzuges
(auf die Grundreihe der anderen Farbe) die Umwandlung erfolgt. Obwohl man es nicht
merkt", zieht also im 4. Zug der schwarze Bauer von g1 nach b1 und
wird erst auf b1 zum Turm. Auch dies folgt dem Prinzip, daß der take&make-Zug
in jedem Fall eine Einheit ist, deren zwei Teile nicht durch scheinbare zwischenzeitlich
auftretende Effekte (wie eine B-Umwandlung) getrennt werden können. Schon
in B wurde dieses Prinzip angewandt: Ein nach dem take"-Teil eines
Schlagzuges eventuell optisch vorhandenes Selbstschach (dort: nach sS:wT) ist
irrelevant, wenn es durch den make"-Teil (dort: sS-6) wieder neutralisiert
wird. Schlägt ein Bauer auf ein Umwandlungsfeld und verläßt vermöge
des make"-Teils des Schlagzuges wieder die Umwandlungsreihe, so bleibt
er ein Bauer; es findet in dem Fall keine Umwandlung statt, da der Zug nicht mit
einem Bauern auf einem Umwandlungsfeld endet.
Unvermeidlich
ist es natürlich, auch die bekannte Viele-Väter-Stellung"
auf ihre take&make-Brauchbarkeit zu untersuchen. Mindestens Stephen Emmerson,
Norbert Geissler und der Schreiber dieser Zeilen entdeckten unabhängig und
fast gleichzeitig, daß gerade die Kombination take&make-Circe hier ein
wohlschmeckendes Bonbon bereithält, siehe F: Satz: 1.-b:a7-a6 (sBa7)=.
Spiel: 1.a:b6-b7 (wBb2) b4 2.Ka7 b5 3.Ka8 b6 =. Auch hier ist im Satz zu beachten,
daß über die Wiedergeburt erst nach Ausführung des take&make-Zuges
entschieden wird. Hätte dagegen Circe die Priorität gegenüber take&make,
so würde der auf a7 geschlagene Bauer zunächst auf Nimmerwiedersehen
verschwinden und erst dann das Feld a7 durch den wB geräumt.
Schließlich
gilt es noch dem Unglücksfall vorzubeugen, daß ein Bauer eine Figur
schlägt, die auf die Grundreihe der Farbe des schlagenden Bauern ziehen könnte:
Dies ergäbe den Effekt, daß z.B. ein weißer Bauer auf die erste
Reihe geraten könnte, mit der ärgerlichen Konsequenz, daß für
ihn dann keine orthodoxen Zugregeln existierten. Jede (natürlich mögliche)
Festsetzung einer solchen Regel unterläge einer Willkür und führte
zu Diskussionen (und Stellungsbildern), die mit dem ursprünglichen take&make-Gedanken
nichts zu tun hätten. Daher gehört zu den take&make-Regeln auch
der Ausschluß von Bauern auf der Grundreihe der eigenen Farbe. Insgesamt
wird die take&make-Bedingung in der folgenden Definition erfaßt, mit
der sie schon 2006 in Andernach vorgestellt wurde:
Schlägt ein Stein Y einen Stein X (keinen König!), so muß
Y als Bestandteil desselben Zuges vom Feld des Schlags aus noch einen nicht schlagenden
Zug gemäß der orthodoxen Regel für die Gangart von X ausführen.
Gibt es einen solchen Zug nicht, so kann X nicht von Y geschlagen werden. Als
Feld des Schlags gilt stets das von Y beim Schlagen betretene Feld (was insbesondere
beim e.p.-Schlag zu beachten ist). Ein Bauer darf weder auf der Grundreihe
der eigenen Farbe stehen noch aufgrund der take&make-Bedingung dort hinziehen. Eine
Bauern-Umwandlung findet dann und nur dann statt, wenn das abschließend
erreichte Feld eines Bauernzuges auf der Umwandlungsreihe liegt (also nicht, wenn
ein Bauer in die Umwandlungsreihe hineinschlägt und diese aufgrund der take&make-Bedingung
wieder verläßt!). Schachgebote werden wie im Orthodoxen behandelt
(d.h. auf einen König als zu schlagenden Stein wird die take&make-Bedingung
nicht angewandt).
This is the definition ofthe take&make condition
in English: 1) If a unit Y makes a capturing move to a square s, then, after
capturing ("take"), Y must execute (from s) a further non-capturing
move ("make") obeying the (orthodox) move laws for the captured unit,
as part of the complete capturing move. If there is no such move, Y cannot capture
the unit. 2) Checks are orthodox, kings cannot be captured, pawns can never
move to (or initially be placed on) the first rank of their own colour, pawn promotion
takes place only if the pawn move ends on the 8th rank (and not immediately after
the "take" part of a take&make move). 3) In the comblnation take&make-Circe,
a Circe rebirth takes place only after the complete take&make move, not immediately
after its "take" part.
Die
Ergebnisse des Turniers von Andernach 2006 sind ermutigend und nähren die
Erwartung, daß im Bereich der take&make-Bedingung noch manche witzige
und manche tiefliegende Komposition zu entdecken sein dürfte. Daher
wird ein Thema-Turnier dazu ausgeschrieben |