Von mehreren Schachproblem-Konzepten
werden in diesem Artikel Beispiele in Zwei- und Dreizügern einander
gegenübergestellt, pointierte Probleme aus verschiedenen Jahrzehnten
und fünfzehn Ländern. Bei der Auswahl wurde darauf geachtet,
dass in den meisten Kompositionen den entsprechenden Themen eine spezielle
Note verliehen wurde.
Halbfesselung - Half-pin
Im ersten Teil dieses Beitrags war das Kreuzschach der Vertreter eines
besonders vitalen" Themas, im zweiten Teil sollen Fesselungskonzepte
diese Rolle übernehmen. Sie werden in zwei Gruppen aufgeteilt,
begonnen wird mit Beispielen, in welchen die Halbfesselung eine wichtige
Rolle spielt, und später, als 3. Gruppe, folgen Beispiele aus
dem weiteren vielfältigen Fesselungs-Ideenbereich.
Die Halbfesselung dient vielen Probleminhalten als formales Element.
Doch das eigentliche half-pin-Thema lautet: zwei halbgefesselte Steine
werden einzeln weggelenkt, damit die volle Fesselung des verbliebenen
genutzt werden kann. Die weit verbreitete englische Bezeichnung half-pin
für die Halbfesselung wurde von dem 19-jährigen Briten Comins
Mansfleld 1915 in einem Brief an den amerikanischen Problemisten Murray
Marble erstmals benutzt und geprägt. Mansfield hat die zuvor
nur sehr sporadisch aufgetretene Halbfesselung neu entdeckt und zu
deren Ausbreitung maßgeblich beigetragen, unter anderem mit
bewundernswerten Aufgaben wie Nr. 20, die aus dem vorerwähnten
Jahr stammt.
Der Versuch 1.Lb6? [2.Ta5##] scheitert überraschend an 1.
La5! 2.? Daher 1.Lc7! [2.Ta5##] 1. La5! 2.Tb6#! (2.T:a5++?
Kb4!), 1. La3 2.b3#, 1. Lc3 (Lc5) 2.Tb3#, 1.Ld2 2.D:c2#,
1. Sc6 2.Ta5# nun einfaches Turm-#. 1. S:b5 2.b:a8D!#
zweimal je zwei Fesselnutzungen. [1. Sb3+ 2.a:b3#] Eine direkt
unenglisch fulminante Gestaltung von gleich sechs Themavarianten!
[1936 widmete der amerikanische Kunstschach-Mäzen A. C. White
diesem Komponisten den Band A Genius ofthe Twomover.]
20
Comins Mansfield
Hamphsire Telegraph & Post 1915
1. Preis
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21
Giorgio Giudelli
The Brisbane Courier 1917
1. Preis
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22
Wieland Bruch
NZZ-Turnier 2004/05
2. Ehrende Erwähnung
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#2 |
(10+12) |
#2 |
(8+14) |
#2 |
(11+10) |
Ein Gedankenblitz G. Guidellis wiederum würzt in Nr. 21
den bekannten Verlauf des gleichen Themas: 1.Se1! [2.Td4#] 1.
Lg4 2.Dd3#!, 1. Sg4 (g6) 2.Df3#! Als Erster zeigte er die attraktive
Verflechtung des half-pin mit der Entfesselung einer weissen Figur,
hier der wD, die danach mattsetzen kann! 1. Se~ anders 2.Se7#,
1. D:c3 2.S:c3#. [Leider muss noch eine Korrektur erfolgen gegenüber
Teil 1: G. Guidelli, geb. 1897, starb 1924 im Alter von erst 27 Jahren.]
Mit Nr. 22 kommen wir in die Gegenwart: 1.Tb4! [2.Sd6#]
1. K:f5 2.Sce3#! (2.Sde3+? Kf6!) 1. Le~ nun 2.Sde3#! (2.Se7+?
Tc6!) 1. Ld6 jetzt 2.Se7#! der soeben voll gefesselte sTe6 darf
gleich wieder entfesselt werden, denn sein Zugang zur Mattlinie ist
vom eigenen Läufer auf d6 verstellt: Thema Goethart (2.Sde3+? Kd4!
und 2.Sc:d6+ Ke5!) 1. Tc6 2.Sf6#! Zweifache Fesselnutzung, 1.
Ta6+ Sa5# Das Zusammenwirken von Halbfesselung und zwei Batterien ist
sehr reizvoll, ferner gibt es fortgesetzte Verteidigung von Le5 mit
vorzüglicher Mattpräzisierung: eine rundum begeisternde Aufgabe!
23
Giorgio Mirri
L'Italia Scacchistica 1976
2. Preis
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24
Vincent L. Eaton
Western Daily Mercury
1. Preis
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25
Walentin Udartsew
Youisnij 1990
1. Preis
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#3 |
(14+10) |
#3 |
(9+11) |
#3 |
(9+13) |
Natürlich bedienen sich
die Dreizüger-Komponisten ebenfalls der Halbfesselung, diese ist
indes häufiger im Zweizüger zu finden. Doch in Nr.
23 begegnen wir einem Glücksfall:
Der bekannte, phantasievolle italienische Komponist Giorgio Mirri ließ
sich vom half-pin inspirieren und goss diesen in die dreizügige
Form, wodurch er ansprechend weitergeführt wurde. Nr. 23:
1.Lg7! [2.Dh4+ Se4(Sf4) 3.D:S#, 1. Sf4 2.La2! [3.Tc4#] 2.
Sd5 Rückkehr! 3.Td3#, 1. S:f5 2.T:c5 [3.c3#] 2. Sd6
Rückkehr! 3.Dd3#. Nach dem Drohspiel beginnt in beiden Varianten
die schwarze Abwehr wie gewohnt durch die Ganzfesselung je einer eigenen
Figur. Was neu ist, Weiß nutzt dies zu einer sekundären Drohung,
welche Schwarz durch Rückkehr in die Halbfesselung verhindern muss!
Doch nun soll Weiß trotz dieser wieder stärkeren Position
von Schwarz ein Matt haben. Dieses Problem ist ein Beispiel dafür,
wie selbst längst bekannte Problemthemen immer wieder Anregung
schenken können zu neuen Ideen, und das Thema Mirri könnte
seinerseits Impulse geben zu weiteren Darstellungen dieser vertieften
half-pin-Version.
In der Kolumne Browsing in the Library" (Beim Blättern
in der Bibliothek) hat Michael McDowell im renommierten englischen The
Problemist zu Recht an V. L. Eaton (19151962) erinnert. Dieser
zählt zu den führenden amerikanischen Komponisten, vor allem
auf dem Gebiet des Dreizügers. Ihm verdanken wir denn auch einen
pikanten problemistischen Leckerbissen: In Nr. 24 wird eine weiße
gegen eine schwarze Halbfesselung eingesetzt! Beide bestehen bereits
in der Ausgangsstellung, die schwarze in der Vertikalen, die weisse
in der Diagonalen, das Drohspiel lautet: 1.LcS! [2.Sd7+, Kd5
3.Dg8#] Schwarz verstellt nun zweimal die Deckungslinie des wLa3. Dadurch
steht Weiß nur noch in Drittelfesselung und kann ruhig die zuvor
halbgefesselte Figur zum Schachgebot und die zweite zum Matt wegziehen:
1. c5 2.Sc6+ L:c6 3.f4#! und 1. Tc5 2.f4+ S:f4 3.Sf3#!,
2. Kd6 3.S:f5##. Schwarz aber muss die ihm Schach bietenden Steine
schlagen, was seine zweite Themafigur voll fesselt: So führen die
schwarzen Züge zu den bekannten half-pin-Abspielen, während
anderseits Weiß seine Halbfesselung komplett auflösen kann.
Eine konstruktiv schwierig zu gestaltende Idee, brillant gemeistert,
führt zu einem spannenden Lösungsverlauf!
Nr. 25 ist ein Diagramm aus neuerer Zeit. 1.Dd8! 2.Dg5+
A S:g5 3.Sd5# B. 1. Tg1 2.Sd5+ B L:d5 3.Df6#
C. 1. Td3 2.Df6+ C S:f6 3.Se6# D (2.Se6+?
L:e6+!), 1. Td1 2.Se6+ D L:e6 3.Dg5# A (2.Df6+?
S:f6!). In seinen ersten Zügen deckt Schwarz das von Weiß
anvisierte Schachfeld bzw. die Mattfelder. Erst die mit Figurenopfern
verbundenen weißen Schachs locken je eine halbgefesselte Figur
aus der half-pin-Linie, sodass die Fesselung der zweiten genutzt werden
kann. Hinzu kommen zweimal die Dualvermeidung für den 2. weißen
Zug und man entdeckt auch noch einen vierfachen Zyklus der 2.
und 3. Züge! Reichhaltig und exzellent ausgearbeitet.
Thema Grimshaw
Drei- und erst recht Mehrzügerthemen können vom Zweizüger
kaum je übernommen werden. Doch selbst hier gibt es Ausnahmen:
Als 1850 sein Diagramm in den Illustrated London News erschien, hätte
sich der 18-jährige Walter Grimshaw (18321890) vermutlich
nicht träumen lassen, dass seine Idee nach rd. fünf Jahrzehnten
erst wirklich wahrgenommen, später aber nach ihm benannt und zu
einem der international verbreitetsten Themen werden würde. Seine
Urfassung war ein Fünfzüger, mit einer kritischen Lenkung,
und die berühmte, Schwalbe" (!) gegenannte vierzügige
Version von J. Kohtz und C. Kockelkorn von 1911 enthielt dann die kritische
Lenkung von sT und sL und anschliessend die reziproke schädliche
Verstellung. Mit der Zeit fielen aber die kritischen Lenkungen immer
öfter weg und so wurde der Grimshaw selbst für Zweizüger-Komponisten
zugänglich. In Nr. 26 wird dies auf überzeugende Art
bewiesen:
26
Wiktor Kapusta
Sergej Limast
M.T. Dzektser Problemist
Yuga 1996
1. Preis
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27
Milan Vukcevich
StrateGems 2002
(Auszeichnung?)
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28
I. A. Schiffmann
Schachmaty 1928
5. Preis
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#2 |
(11+10) |
#2 |
(12+9) |
#2 |
(9+10) |
1.Sf3? [2.S:d2/S:g5#]
aber 1. Ld6!; 1.Sc4? [2. nur S:d2#] aber 1. Td6!, 1.Sf7?
[nur 2.S:g5#] aber 1. d6!, daher 1.Sg4! [2.Sf2#] 1.
Td6 2.Ta4#, 1. Ld6 2.Sb6#!, 1. d6 2.De6#, 1. f:g4/f4
2.D:g6# Es gibt Springer-Auswahlschlüssel, welche zu drei thematischen
Scheinlösungen führen, die von den drei Grimshaw-Themasteinen
nacheinander auf dem Schnittpunkt d6 verhindert werden! Nach dem richtigen
Erstzug von Weiß kann dieser die drei Verstellungen auf d6 nutzen:
Tripel-Grimshaw, da auch der Bd7 zur Themafigur geworden ist. So ergibt
sich ein guter Vergleich: Zu Beginn wurde die reziproke T/L-Verstellung
im Drei- und Mehrzüger mit kritischer Lenkung dieser beiden Figuren
eingeführt. Im Zweizüger, dessen Lösungsphase hiefür
zu kurz ist, kann indes die Ausdehnung in thematische Verführungsphasen
eine andere, doch ebenfalls bereichernde Thema-Einleitung bringen.
In Nr. 27 erkennt man eine ganz andere Grimshaw-Darstellung:
1.Tf3? dr. 2.Sf6#! A (2.Se3+? Kd3!) aber 1. Kd5! a,
1.Lf3? dr. 2.S:f2# B aber 1. Kd3! b; 1.Sf3!
dr. Sd2#!, 1. Kd5 a 2.Sf6#! A, 1. Kd3 b
2.S:f2#! B [1. Sd3! 2.Se3# schirmt die soeben entfesselte
schwarze Dame ab]. Doch wo bleiben die üblichen schwarzen T/L-Verstellungen?
Genaues Hinsehen zeigt, dieses Problem hat sich nicht fälschlicherweise
in diese Aufgabengruppe verirrt, denn hier entwickelt sich der recht
seltene weisse Grimshaw: In allen drei Schlüsselzügen wird
auf f3 der wSg4 für ein Matt entfesselt, was die drei Phasen harmonisch
verbindet. Doch die eigenen gegenseitigen Verstellungen von wTh3 und
wLh1 schaden hier Weiß (Selbstbehinderung) und lassen die Verführungen
nicht durchdringen. Ferner hat der Komponist nebst der klassischen Idee
das moderne Thema Dombrovskis ganz natürlich in diese Aufgabe einfließen
lassen! Doch bereits im Jahr nachdem diese Aufgabe erschienen war, starb
Milan Vukcevich, was in der Welt des Kunstschachs großes Bedauern
ausgelöst hat.
Die Nr. 28 von I. A. Schiffmann gehört nicht zu seinen am
häufigsten nachgedruckten Aufgaben, sie ist aber eine feine, innovative
Komposition, in welcher er den Samen auswarf für eine erweiterte
Grimshaw-Form: 1.Lg6! [2.Te2#] 1. Tf5 2.Sd5#! und 1.
Lf5 2.Se6#!, und nach 1. T:g6 2.Se6#! verstellt Weiß gleich
beide nun offen stehenden vorherigen schwarzen Themafiguren, 1.
Te5 2.S:d4#, 1. b3 2.Sa3#, 1. d2 2.Db1#. Nach dem pointierten
Drohspiel ist Weiß angewiesen auf seine vorerst noch maskierte
Fesselungs-Linie von g6-d3. Daher verstellt Schwarz diese Linie vorbeugend
durch doppelwendige T/L-Verstellungen auf f5. Dieser klassische Grimshaw
reicht jedoch nicht, auch der verstellende schwarze Stein muss im Matt
noch verstellt werden! Diesen verdichteten Grimshaw zeigte Schiffmann
im gleichen Jahr auch in Kulisa (4. Preis). Seine Idee scheint
damals aber kaum bewusst von anderen Problemisten aufgegriffen worden
zu sein.
Doch nach rund fünf Jahrzehnten, 1977, hatte der erfindungsreiche
griechische Komponist Byron Zappas einen Einfall, der mit demjenigen
von Schiffmann nahe verwandt ist: Auch er sieht eine zusätzliche
Verstellung vor, doch jetzt muss nicht der verstellende, sondern der
schon verstellte Stein noch ein zweites Mal von Weiß verstellt
werden! Weshalb? Weil die Sekundärdrohung die verstellende schwarze
Figur zur Verteidigung weglotsen wird. Es ist gar nicht leicht, diese
scharfsinnige Idee kompositorisch zu motivieren, und es braucht dazu
natürlich die Länge des Dreizügers. Ob der polnische
Komponist Piotr Ruszczynski je diesbezügliche Aufgaben von Schiffmann
und/oder Zappas gesehen hat, ist nicht bekannt. Doch weitere 27 Jahre
später ergänzen sich in seinem Preisträger Nr. 29
die beiden Ideen auf kreative, überraschende Weise:
29
Piotr Ruszczynski
Milan Vuczevich-MT 2004
1. Preis
|
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30
Daniel Papack
Neue Zürcher Zeitung 1989/90
1. Preis
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31
Milan Vukcevich
Ivanic-MT 1986
1. Preis
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#3 |
(9+10) |
#3 |
(9+14) |
#3 |
(9+12) |
1.Df6!
[2.f:g3+ K:e1 3.Ld2#] 1. Tc3 2.Ld2! A [3.Sc2# B]
2. Tf3 3.Sd3#! (2. Tc1/Te3 3.f:g3/f:e3#), 1. Lc3 2.Sc2!
B [3.Ld2# A] 2. L:f6 3.Le3#! (2. Le1 3.Se3#).
sTc6 und sLb4 verstellen sich auf c3 normal gemäß Grimshaw,
Weiß nutzt dies jeweils umgehend und verstellt seinerseits die
schon verstellte schwarze Figur (Idee B. Z.). Im sekundären Drohmatt
muss auch die schwarze Figur, welche verstellt hatte, noch von Weiß
verstellt, abgeschirmt werden (Idee I. Sch.) Zur Abwehr der neuen Drohung
löst Schwarz seine Grimshaw-Verstellung auf und Weiß
kann nun seine kluge präventive zweite Verstellung der Grimshaw-Figur
nutzen (Idee B. Z.) Faszinierend intensiver, geistreicher Inhalt!
In Nr. 30 wechselt die Tonart" erneut. Es soll aus
dem Kommentar von Preisrichter GM H. P. Rehm zitiert werden: Im
Satz werden die Verstellungen auf b5 (Grimshaw) gleich genutzt, in der
Lösung aber erst einen Zug später, wobei paradoxerweise im
1. Zug auf der nicht verstellten Linie geopfert wird. Dieser Mechanismus
ist nicht neu, die vorliegende Verbindung mit einer Halbfesselung macht
aber einen vorzüglichen Eindruck, besonders da auch die Matts wechseln.
Einfache Fesselungen im Satz werden im Spiel durch doppelte ersetzt.
Die Kurzdrohung ist kaum zu vermeiden, dafür wird ein Fluchtfeld
gegeben." 1. Tb5 2.T:c4+ Sd4 3.Dd3#, 1. Lb5 2.c3+ Td3
3.Sg3#, 1.Da5! [D:e5#] 1. Tb5 2.c3+ T:b1 3.D:e5#, 2.
Td3 3.T:c4#, 1. Lb5 2.T:c4+ L:c4 3.D:e5#, 2. Sd4 3.c3# (1.
Kd4 2.Td1+ Ke4(Td3) 3.D:e5# Ein hervorragendes Problem!
Mit ihrem originellen Akzent kann schließlich Nr. 31 diese
Themengruppe aufs beste abrunden. Weiß zieht die Fäden allein
mit stillen zweiten Zügen: 1.Sg5! [2.S:e4 und 3.Sc3#] 1.
Tf3 2.K:g4 [3.Sg~#] 2. T~+! 3.Sf3#, 2. Se6 3.S:e6#, 1.
Lf3 2.K:f4 [3.Sg~#] 2. L~+! 3.Sf3#, 2. Se6+ 3.S:e6#; (1.
Sa8, dieser Zug in die ferne Ecke pariert das Drohspiel, denn jetzt
2.S:e4? S:b6 3.Sc3+? Kd4!, daher 2.Sf3! wodurch Feld f3 auch noch zu
einem Nowotny-Schnittpunkt wird: 2. L:f3 3.K:f4#, 2. T:f3
3.K:g4#.) In den beiden thematischen Varianten nutzt Weiß jeweils
umgehend die Verstellungen auf f3, wonach eine sekundäre Drohung
entsteht. Schwarz wehrt diese ab durch Auflösung seiner Verstellung,
mit Schachgebot. Eine spritzige Idee, Grimshaw mit Kreuzschach zu verbinden!
Man ist erstaunt, wenn man feststellt, wie in den sehr verschiedenen
hier gezeigten Grimshaw-Aufgaben das zugrunde liegende Konzept
die genutzte reziproke Verstellung von zwei Langschrittlern, meist Turm
und Läufer nie tangiert wurde. Es sind vielmehr von den
Komponisten ersonnene weitere Ausdrucksformen bzw. zusätzlich aufgestellte
Anforderungen bezüglich des Grundthemas, dank denen die Probleme
sich so unterschiedlich präsentieren können: Grimshaw mit
thematischen Verführungen, Tripel- und auch weißer Grimshaw,
eine zusätzliche Verstellung wird nötig, einmal der verstellenden,
einmal der verstellten Figur, paradoxe Grimshaw-Form, nebst sofortiger
auch die verzögerte Verstellungsnutzung und schließlich Auflösung
der eigenen Verstellungen durch Schwarz, wobei dies einmal mit einem
zweiten Thema, dem Kreuzschach, verbunden wird! (Es gäbe noch weitere
Beispiele, die jedoch nicht auch noch gezeigt werden können). Solche
Darstellungs-Vielfalt rund um das Kernthema ist auch bei weiteren Konzepten
zu beobachten. Es ist jedoch beizufügen, dass ebenfalls interessante
Variationen eines bekannten Themas durchaus begrüßenswert
sein können.
Diverse
Fesselungsthemen
Der berühmte Zweizügermeister A. Ellerman (18931969)
eröffnet mit Nr. 32 diese Themengruppe: Im Schlüsselzug
wird mutig die schwarze Dame entfesselt und ein weißer Springer
geopfert. 1.Sd4! [2.Ta4#], dann folgen überraschende Varianten
1. K:d4 2.e3#, 1.D:d4 2.Sc7#, 1. D:d5+ 2.Tc6#, 1.
D:e2 2.Sb4#, 1. De6 2.Se3#. Die zuvor entfesselte schwarze Königin
steht in allen fünf Abspielen erneut in Fesselungsstellung, was
Weiß das Matt ermöglicht. Die erste Gestaltung dieses schwierigen
Tasks wurde ohne Konzessionen und mit lateinischer eleganza erzielt
von den Preisrichtern aber leider nicht entsprechend gewürdigt.
Der Argentinier Arnoldo Ellerman und der Italiener Giorgio Guidelli
erwiesen sich, trotz starker Konkurrenz, als Champions nach den vielen
Problemturnieren der ausstrahlungsreichen, in Amerika gegründeten
Good Companion" Society für Problem-Komponisten aus
aller Welt (191324).
Dem amerikanischen Komponisten Frederick Gamage (18821956) fiel
nicht nur das später nach ihm benannte Thema ein, sondern er schuf
auch weitere ausgezeichnete Aufgaben, wofür Nr. 33 ein Beispiel
ist: 1.Kg3! Fesselung des eigenen Td6 [2.e4#] 1. D:d6+
2.S:d6# (2. Fesselung und Fesselungsnutzung) 1. Sd3 ~ (3. und
4. Fesselung, von sSc2 und wBe3) 2.Sd4#! (5. Fesselung und doppelte
Fesselungsnutzung) 1. Se5! (6. Fesselung sowie Entfesselung wTd6
und Voraus-Entfesselung von sLc5!) 2.Tf6#! (1. Lc6 2.D:g6#). Man
kann nur bewundernd den Kopf schütteln, mit welcher Bravour 6 Fesselungen,
2 Entfesselungen und 3 Fesselnutzungen in die kurze einphasige Lösung
gegossen wurden! Hat man sich einmal länger mit modernen, konstruktiv
oft anspruchsvollen, jedoch zuweilen etwas spröden, undurchbluteten
Schema-Problemen befasst, so können Kreationen wie Nr. 33
mit ihrer Prise Loyd'schem Überschwang als erfrischende,
belebende Dusche wirken.
In Nr. 34 führt ein berühmter Holländer in eine
sehr interessante Aufgabe: 1.Da8! [2.Te6#] 1. K:e3! 2.Sc2#!
(2.S:d5? T:d5!), 1. Ke5! 2.Sc6#! (2.S:d3 T:d3!, 2.D:d5? T:d5!),
1. L:e3 2.D:d5# (2.S:d3? L:d4!), 1. f:e3 2.S:d3# (2.Sc6?
T5d4!, 2.D:d5? Kf4!) 1. e5 2.S:d5# (2.Sc2? T3d4!). Der wehrbereite
schwarze König entfesselt in seinen zwei Fluchtzügen gleich
die beiden eigenen Türme, was die Situation von Schwarz entscheidend
verbessert. Doch dann nimmt Weiß diese gegnerischen Türme
in seine Dienste, indem sie einen wichtigen Part in der meisterlichen
Dual- und Trialmatt-Vermeidung übernehmen müssen herrlich
konzipiert!
In Nr. 35 brilliert L. Loschinski (19131976), ein Vertreter
der Weltklasse, mit einer dreizügigen Komposition, in der Schwarz
selbst in drei Abspielen stets drei (!) eigene Figuren fesselt, was
von Weiß in schönen Mustermatts genutzt wird! 1.Sc2!
[2.Sd6#] 1. K:d5 2.Db7+ Dc6 3.Sd6#! (2. Ke5 2.Lg7#) 1.
Dc5 2.Sd6+ K:d5 3.Sb4#! (2. D:d6 3.Dd4#), 1. T:b5 2.g:f3+
K:d5 3.Sb4#! (2. K:f3 3.Dg2#) Ein fantastischer Task!
35
Lew Loschinski
Swerdlowskogo KFS 1946
1. Preis
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36
Robert Burger
R.C.O. Matthews
M. Niemeijer MT 1989/90
2. Preis
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37
Waleri Schawyrin
Probleemblad TT 2002
1. Preis
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#3 |
(10+8) |
#3 |
(13+11) |
#3 |
(13+11) |
Nr. 36 1.T:d6!
[2.T:e6+ K:d4 3.Da4#] 1. Tf6 2.Tf5+! L/T:f5
3.T:d5# 2. K:d4 3.Da4#, 2. K:d6 3.Sb5#, 1. Tc3 2.Te3+!
K:d4 3.Te4#, 2. K:d6 3.Sb5#, 1. K:d4 2.Da4+ Ke5 (Rückkehr)
3.T:e6# (1. K:d6 2.Lb8+ Sc7 3.S:b7#, 1. b5 2.S8c6+ Ke4/K:d6
3.Tf4/De7#). Verlässt der sK die Diagonale h8-b2, steht der wSd4
unliebsam in Fesselung. Daher veranlasst Weiß im voraus die beiden
gegnerischen Türme dazu, die drohende Schachlinie selber zu verstellen
(Vorausentfesselung)! Zudem ermöglichen die Züge 1.
Tf6 und 1. Tc3 einen Umnow I, der diesen Hauptvarianten eine zusätzliche
Würze verleiht!
In Nr. 37 zeigt der Dreizüger-Weltmeister von 20012004
eine begeisternde Fesselungs-Idee: 1.Tc6! [2.Sgf6+ A!
K:e5 3.T:e3#] 1. L:e5 2.f6+ B! K:d5 3.S:e3#, 1. D:c3
2.Shf6+ C! Kf4 3.f:e3#!, 1. S:c6 2.T:e3+ d:e3 3.Sgf6# A
(2. K:d5 3.Lf7#), 1. Sd6 2.T:d6 ~ 3.f6# B, 1.
K:d5 2.T:d4+ D/B:d4 3.Shf6# C. Im Drohspiel und in den ersten
zwei Varianten wird der sBd4 aus drei Richtungen von drei verschiedenen
weissen Figuren (Lc3, Td3 und Da4) gefesselt, was drei entsprechende
Fesselnutzungen im Matt, immer auf e3, ermöglicht! Ferner sind
die Züge A, B und C vorerst die Schachgebote von Weiß, in
weiteren Abspielen werden sie zu den Matts A, B und C. Anspruchsvoller
Inhalt, meisterlich gestaltet!
[Die berühmte Schiffmann-Parade in ihren drei Formen ist ein besonders
geistreiches strategisches Fesselungsthema. Daher war tatsächlich
vorgesehen, auch dieses Konzept in zwei und drei Zügen zu zeigen,
und zwar sollte nur aus Kompositionen, die für das Schiffmann-Centenar
von 2003 und danach entstanden sind, ausgewählt werden. Doch es
zeigte sich, dass inzwischen bereits eine ganze Anzahl interessanter
und auch innovativer Aufgaben erschienen ist, weshalb diesen und noch
kommenden gehaltvollen Schiffmann-Diagrammen in ungefähr drei Jahren
ein eigener Beitrag gewidmet wird.]
Zyklen
Als Inbegriff des Zyklus" gilt wohl auch heute noch im Dreizüger
jener der 2. und 3. weißen Züge, dessen Glanzzeit vorwiegend
in die Jahre von 19651985 fällt, doch auch später erschienen
vorzügliche Versionen (z.B. Nrn. 25 und 40). Für diesen Zyklus,
der sich in einer Phase abspielt und auf weisse Züge beschränkt,
ist der Zweizüger zu kurz. Wollten seine Komponisten dennoch einen
ähnlichen Kreislauf erzielen, mussten sie eigene Wege suchen.
Ein Beispiel ist Nr. 38, welche eine geradezu lyrisch schöne
zweizügige Gestaltung bringt: 1.Ld3! Zugzwang. 1.
Kc5 2.Sce4# A (nicht 2.Sfe4+? B Kd4!), 1. Ke7 2.Sfe4#
B (nicht 2.Se8+? C Kf8!), 1. Kc7 2.Se8# C
(nicht 2.Sb5+? D K:b8!), 1. Ke5 2.Sb5# D (nicht
2.Sce4+? A Kf5!). Ein einphasiger Zyklus zweiter weisser Züge,
AB-BC-CD-DA, von der Königs-Sternflucht eingeleitet und durch Dualvermeidung
ermöglicht! Eine bemerkenswerte Zugabe sind drei Scheinlösungen,
die zwar alle an 1. Kc5 scheitern, aber auf den schwarzen Königszug
nach e7 drei verschiedene Matts bringen: 1.Dh5? Zz. 1. Ke7 2.De5#,
1.Dh6? Zz. 1. Ke7 2.Df8#, 1.T1b?? Zz. 1. Ke7 2.T:d7# und
ein vierter Mattwechsel folgt in der Lösung: 1. Ke7 2.Sfe4#!
[Bereits in den Dreißigerjahren haben vor allem russische Komponisten,
unter ihnen der erfinderische Mark Barulin, sich mit Dualvermeidung
befasst, und neben der prosaischen" Dualverhütung aller
Problemisten trat danach international die thematische Dualvermeidung
auf, welche größere Differenzierungs-Fähigkeit voraussetzt,
den Aufgaben aber zusätzliche Prägnanz schenkt.]
38
W. J. G. Mees
Schakend Nederland 1965
1. Peis
|
|
39
Gerard Smits
The Problemist 1984
4. Preis
|
|
40
Marcel Tribowski
Thosten Zirkwitz
Schach aktiv 1993
1./2. Preis
|
|
|
|
#2 |
(11+3) |
#3 |
(12+11) |
#3 |
(9+12) |
Wie manche weitere
Problemidee kann die Zyklik sporadisch schon in frühen Aufgaben
entdeckt werden, als sie noch nicht zum Thema geworden war. Ob angestrebt
oder sich im Lösungs-Ablauf von selbst ergebend, ist nicht zu eruieren,
u.a. weil damals die Buchstaben-Bezeichnung dieser thematischen Züge
noch nicht bekannt war. Inzwischen gibt es im Dreizüger eine recht
grosse Anzahl vor allem drei- und viergliedriger Zyklen. Letztere sollten
indes nicht nur erzielt werden, sondern es wird geschätzt, wenn
sie sich auch in einer nicht forciert, sondern einheitlich wirkenden
Lösung entwickeln! Nr. 39 entspricht beiden Anforderungen
aufs beste: 1.d6! [2.T:e7+] pariert Schwarz mit den Pickaninny-Zügen
des angegriffenen sBe7! 1. e6 2.Tg4 A K:f5 3.Ld3# B,
1. e:d6 2.Ld3+ B Kd5 3.D:f3# C, 1.- e:f6 2.D:f3+
C K:f5 3.Sg3# D, 1. e5 2.Sg3+ D K:f4 3.Tg4#
A. Dieser viergliedrige Zyklus AB-BC-CD-DA entfaltet sich sehr
natürlich innerhalb der vier harmonischen Themavarianten, und ein
zusätzlicher Wert sind die vier Vorausblöcke des Pickaninny-Bauern!
Das hohe Niveau und die Finessen, vor allem
in den noch folgenden Dreizügern, können besser genossen werden,
indem man sie löst oder nachspielt. Nr. 40 bringt eine zweiphasige
Variation. Statt des üblichen einphasigen Kreislaufs erfolgt jetzt
in Verführung und Lösung in je zwei Abspielen die reziproke
Vertauschung der 2. und 3. weißen Züge, 1.Le6? [2.Df5/Sc4#]
1. L:e6 2.Sc4+ A L:c4 3.Df5# B, 1. D:e6 2.Df5+
B D:f5 3.Sc4# A aber 1. f5! 1.Dd1! [2.Ld5
und 3.Sc4#, 2. D:d5/Sd2 3.D:d5/Da1#] 1.De6! 2.Sg4+ C
D:g4 3.Dd5# D, 1. Le6! 2.Dd5+ D L:d5 3.Sg4#C. [1.
Ke4 2.Dd3+ Ke5 3.Sd2~#, 2. Kf3 3.Tf1#, 1. Sd2 2.Sg4+ L:g4
3.Da1#] Diese ausgezeichnete Komposition ist bereits ohne Zyklik gehaltvoll:
In der Verführung entfaltet sich der Plachutta mit Schnittpunkt
auf e6, in der Lösung wird Schwarz durch das Drohspiel mit stillem
2. Zug zu den Holzhausen-Verstellungen, auch auf e6, verleitet. Die
gegenseitigen Vertauschungen der 2. und 3. Züge, AB-BA sowie CD-DC,
werden glänzend in die Schnittpunkt-Thematik integriert! Ein Bijou.
Was nun den Höhepunkt, den sechsgliedrigen Zyklus, betrifft, so
schrieb F. Chlubna noch 1994: Jede Bewältigung dieses enorm
schwierigen Tasks ist eine gewaltige Leistung." In Nr. 41
gelang Andrej Lobussow schon 1976 sein erster, damals noch äusserst
seltener Zyklus AB-BC-CD-DE-EF-FA, und dies mit nur 17 luftig gestellten
Steinen: 1.Sb4! 2.Sbc6+ A L:c6 3.Sf5# B. 1.
La8 2.Sf5+ B Kc5 3.Sbd5# C. 1. Kc5 2.Sbd5+ C
Kd4 3.Sec6# D. 1. Df3 2.Sec6+ D L:c6 3.Sc2# E.
(2. Kc5 3.Sd5#), 1. Dc2 2.S:c2+ E Ke5 3.Sed5# F
(2. L:c2 3.Sec6#), 1. Ke5 2.Sed5+ F Kd4 3.Sbc6# A!
Je mehr zyklische Glieder gebracht werden, je anspruchsvoller wird es,
sie gleichzeitig in einer homogenen Lösung zu entwickeln. Doch
hier wird es durchaus erreicht: Der Schlüssel überlässt
dem sK zwei Fluchtfelder, was eine Lösung erschließt, in
welcher sich ein brillant präzisiertes Spiel zweier vorerst indirekter
Batterien entfaltet. Eine Pointe ist ferner, dass alle zwölf Zykluszüge
von den beiden weißen Springern in vortrefflichem Zusammenwirken
übernommen werden! Diese hochwertige frühe Komposition des
jungen A. Lobussow ließ bereits den kommenden Meister erahnen.
[Zu der nicht großen Gruppe weiterer Komponisten, die den sechsgliedrigen
Zyklus im Dreizüger zeigten, gehören u.a. R. C. O. Matthews,
E. Visserman, M. Gafarow, J. M. Loustau, M. Keller, M. Manolescu.]
Einige Leser fragen sich vielleicht, ob Zyklen auch in Vierzügern
figurieren. Dies gibt es, und da ist speziell eine grossartige Version
von Jakow Wladimirow, Probleemblad 1966, 1. Preis. Die Stellung
wird für Interessenten angegeben. Weiß: Ka2, Tb3 und h4,
La3 und b7, Se2 und g2, Ba4, c2, d2 = 10. Schwarz: Kc4, Dg8, Td8 und
e8, Lg6 und h8, Sc8 und f8, Bd4, e4, f4, g5 = 12. Matt in 4 Zügen.
1.Kb1! [2.Tb4+ Kc5 3.Tb5+ Kc4 4.Tc5#] In den drei Thema-Abspielen erscheint
inmitten einer pointierten Lösung in den 2., 3. und 4. weißen
Zügen der Zyklus ABC-CBA-BCA. Ein Meisterwerk!
Nach seiner ersten Hochblüte war es für den Zweizüger
lebenswichtig, dass ihm, ungefähr ab Mitte des letzten Jahrhunderts,
die Verführungsphasen allgemein erschlossen wurden, nachdem zuvor
höchstens Satzspiele einige Beachtung fanden und Verführungen
erst vereinzelt auftraten. Die zusätzlichen Phasen boten reiche
Anregung, einerseits für Verführungen, anderseits für
neue Zweizüger-Ideen, wobei jetzt Matt-, Paraden- sowie Funktionswechsel
wichtig wurden und diese Themen (Le Grand, Dombrovskis, Bannij, Hannelius,
Wladimirow, u.v.m.) durch Buchstaben-Schemata verständlich gemacht
werden. Weil diese modernen Konzepte schon längere Zeit boomen
und daher ständig in den Fachblättern und Spalten auftreten,
werden sie hier nicht illustriert. Wie zu Beginn dieses Artikels vermerkt,
sollen in demselben lebendig gebliebene Themen klassischen Zuschnitts
zu Wort kommen - vielleicht verfasst jedoch ein anderer Autor einen
ähnlichen Beitrag mit modernen Konzepten!?
Das faszinierende Thema, das sich der Slowake L'udovit Lacny 1949 ausgedacht
hat (1. Preis Przepiorka MT 1949) ist wohl der einprägsamste zweizügige
Zyklus: In der ersten Phase, Satz oder Verführung, folgen auf mindestens
drei schwarze Züge verschiedene weiße Matts. In der Lösung
folgen auf die selben Züge von Schwarz die gleichen Matts, jedoch
in neuer Reihenfolge: Mattwechsel durch Mattverschiebung! Nr. 42:
1. Sf4 a 2.Tg5# A (2.Sg3?), 1. Df4 b
2.Sg3# B (Le6?), 1. D:e4 c 2.Le6# C (2.Tg5?),
1.Dc3! [2.De5#] 1. Sf4 a 2.Sg3# B (2.Tg5?),
1. Df4 b 2.Le6# C (2.Sg3?), 1. D:e4 c
2.Tg5# A (2.Le6?). Der Zweizüger-Weltmeister von 20012004
verleiht den zweimal drei thematischen Varianten einen besonderen Reiz,
indem er sie ergänzt durch virtuose Dualvermeidung! Letztere hat
in Nr. 38 den weißen Zyklus überhaupt erst ermöglicht,
in dieser Aufgabe vertieft sie die Abspiele.
41
Andrej Lobussow
Sowietskoje Sapoljarie 1976
1. Preis
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42
Marjan Kovacevic
Pat a Mat 1998
1. Preis
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43
L'udovit Lacny
Magyar Sakklet 1955
2. Preis
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#3 |
(10+7) |
#2 |
(12+7) |
#2 |
(10+12) |
[Für allfällig interessierte Leser soll das hervorragende
2000 erschienene Buch Cyclone von Peter Gvozdjak erwähnt
werden. Nebst aufschlussreichen Auskünften findet man 1637 zusammengetragene
Diagramme, eine Fülle an problemistischem Erfindergeist! Nebst
sieben weiteren Zyklen wurde dem Thema Lacny der prominenteste Platz
eingeräumt: zahllose Darstellungen verschiedenster Arten, aus sämtlichen
existierenden Problemsparten und vielen Ländern.]
Für den Erfinder des Lacny-Themas war die Herausforderung einer
vierten Variante besonders stark und 1955 konnte er als Erster
ein solches Problem vorlegen, Nr. 43. Satz: 1. Kd5 a
2.S:e3# A! 1. Sb3 b! 2.L:b3# B!, 1.
Kd3 c 2.Se5# C!, 1. Sb5 d 2.L:b5# D!.
1.Se2! [2.Dd4#] 1. Kd5 a 2.Lb3# B!, 1.
Sb3 b 2.Se5# C!, 1. Kd3 c 2.Lb5# D!,
1. Sb5 d 2.S:e3# A! (Zwei normale Verführungen
1.Sb5? [2.Dd4#] 1. Kd3! und 1.Sb3? [2.Dd4#] 1. Kd5!) In
einer meisterlich entworfenen harmonischen Matrix entwickeln sich ganz
unforciert wunderschön präzisierte Abspiele, welche in zwei
Phasen erstmals die je vier Lacny-Varianten enthalten! Die zyklische
Verschiebung von vier Matts gehört zum Schwierigsten, das im orthodoxen
Zweizüger, auch ohne Zwillingsform und zusätzliche Umwandlungsfiguren,
komponiert werden kann. Großmeister V. Rudenko schrieb noch 1983,
diese Taskaufgabe sei eine unschlagbare Leistung". In der
Tat entstanden von 1955 bis Ende 1999 nebst Lacnys eigenen zwei Kompositionen
nur noch sechs weitere solche Versionen!
Tritt eine als Zweizügerkonzept erfundene Idee im Dreizüger
auf, so besteht einerseits eine gewisse Gefahr, dass es verwässert,
etwas verschleiert oder überwuchert wird. Dass man es ohne genaueres
Studium der Lösung gar übersieht. Anderseits besteht auch
stets die Chance, dass ein solches Thema attraktiv mit anderen Problemideen
verbunden wird und trotzdem nicht untergeht. Dem gleichen Thema kann
durchaus in verschiedenen Diagrammen beides widerfahren. Besonders schön
aber ist es, wenn ein Zweizügerthema im Dreizüger entweder
kreativ weitergeführt wird (Nrn. 23 und 29) oder eindrücklich
gehäuft erscheint (Nr. 44) Doch das Lacny-Konzept ist eines, dass
sich auch im Dreizüger behaupten und herauskristallisieren kann
- dank der auffallenden gleich bleibenden Verteidigungen, die es verlangt.
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44
Andrej Lobussow
Neue Zürcher Zeitung 1982/83
1. Preis |
|
#3 |
(11+14)
|
In Peter Kniests
Caissas Schlossbewohner Nr. 2 von 1985 schrieb Andrej Lobussow:
Mein Hobby sind Zyklus-Probleme!" In der Themenliste dieses
Großmeisters befinden sich denn auch viele solche Kompositionen,
und zufolge dieser Affinität hat ihn auch Lacnys zyklische Zugverschiebung
zu mehreren kunstvollen Aufgaben inspiriert.
In Nr. 44 handelt es sich um einen eindrucksvollen Task, von
dem es im orthodoxen Rahmen bis Ende 1999 erst vier weitere solche Darstellungen
gab! Das zweiphasige Thema wird nun dreiphasig entfaltet! Satz: 1.
b:c5 a 2.Sg4+ A Lf2/T:g1 3.L:f2/e3#, 1. Ld5 b
2.Le4+ B Dd2/T:d1 3.D:g5#, 2. K:c5/K:e5 3.Sfd3/Dg7#, 1.
L:e5 c 2.Sfe4+ C T:g1 3.e3#; Verführung: 1.De7? [2.D:d6+
Ld5 3.Se6#] 1. b:c5 a 2.Le4+ B Dd2/T:d1 3.T:d2/e3#,
1. Ld5 b 2.Sfe4+ C Lf2/T:g1 3.L:f2/e3#, 1.
L:e5 c 2.Sg4+ A Kd5/T:g1 3.Le4!/D:e5# aber 1. c:d3!
Lösung: 1.Dc7! [2.D:d6+ Ld5 3.Se6#] 1. b:c5 a
2.Sfe4+ C! Kd5/K:e5 3.D:d6#, 2. Lf2/T:g1 3.D:c5#, 1.
Ld5 b 2.Sg4+ A L:f2/T:g1 3.L:f2/e3#, 1. L:e5 c
2.Le4+ B Dd2/T:d1 3.T:d2/S:d1# (1. K:e5 2.Sg4+ Kd5 3.Le4#,
2. f:g4/h:g4 3.T(:f5)#, 1. c:d3 jetzt 2.Tf:d3+! Kc4 /K:e5
3.Td4!/D:d6#) also ABC-BCA-CAB. Der Fokus liegt in dieser Aufgabe auf
den drei wechselnden Königs-Fluchtfeldern in der 6. Reihe. Souverän
variiert wird das Spiel der zwei direkten weißen Batterien, wobei
die gleichbleibenden schwarzen Züge in allen drei Phasen auch zu
Blockschäden führen können. Dieses reichhaltige Meisterwerk
rundet unsere Diagramm-Serie ab.
Zum Abschluss folgt ein Gedanke aus dem Buch Solving in Style
von John Nunn. Dieser britische Großmeister der Schachpartie wandte
sich auch dem Kunstschach zu und konnte auf diesem Gebiet seinen zweiten
Großmeistertitel erringen, jenen der Sparte Schachproblem-Lösung.
Er schreibt: Chess problems are an unusual art form in that the
audience (solvers) have to participate actively, by solving the problem,
in order to appreciate the artist's message." Schachprobleme
sind eine ungewöhnliche Kunstform, da das Publikum (die Löser)
sich aktiv beteiligen muss, indem es das Problem löst, um die Botschaft
des Künstlers schätzen zu können."
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