Ein
Virtuose des Mehrzügers
zum Gedenken an Alois Johandl (30.6.1931 9.7.2004)
vom Klaus Wenda, Wien
Der
logische Mehrzüger hat in Österreich Tradition. Aufbauend
auf den von Josef Halumbirek entwickelten Theorien, waren es zunächst
Stefan Schneider und Hans Lepuschütz, die bis ca. 1980 die neudeutsche
Schule entscheidend mitgeprägt haben. Ab den 1950er Jahren erstrahlte
ein neuer Fixstem neben diesem Dreigestirn: Alois Johandl.
Er fand
rasch zu seinem eigenständigen, unverwechselbaren Stil, mit welchem
er in den Arenen der Problernturniere einen Erfolg an den anderen
reihte. Prägnanz und logische Fundierung der Idee, überraschender
Verlauf des Spiels und optimale Ökonomie des Materialeinsatzes
waren die signifikanten Elemente seiner meisterlichen Kompositionen,
die ihm schon bald im Jahr 1972 den Internationalen Meistertitel der
FIDE einbrachten. Daneben verlor er aber nie den Kontakt zum breiten
Löserpublikum und komponierte auch für jene Problernfreunde,
die unbeschwert von theoretischen Überlegungen im Schachproblem
primär ein intellektuelles Rätsel suchten. In hunderten
Schachspalten auf allen 5 Kontinenten tauchte der Autor Alois Johandl
auf, um mit lockeren, eleganten Stellungen voller Witz und Esprit
den Lesern Unterhaltung zu bieten und Werbung für das Schachproblem
zu machen. In dieser Bandbreite vom komplizierten Meisterwerk, dessen
voller Inhalt sich nur ausgesuchten Experten eröffnet, bis zum
( für die Breitenwirkung des Problemschachs unverzichtbaren
) Tageszeitungsrätsel ist das aus rund 600 opera bestehende
Problemschaffen des Verstorbenen nach meiner Einschätzung einzigartig.
Meine Bekanntschaft mit Alois Johandl geht ungefähr auf das Jahr
1960 zurück. Seit damals trafen wir uns 1-2 mal im Monat im Rahmen
der Wiener Problemrunde. Nach einer berufsbedingten schöpferischen
Pause im Dezennium 1978-1988 intensivierte Alois seine kompositorischen
Aktivitäten erst wieder, als ihm der berufliche Ruhestand dafür
genügend Zeit und Muße bot. Das Studium der FIDEAlben und
mehrerer Schwalbe-Jahrgänge brachte ihn trotz 10-jähriger
Absenz schnell wieder auf die Höhe seiner Zeit, wofür 10
Aufgaben im FIDE-Album 1989-1991 ein eindrucksvolles Zeugnis geben.
Ab 1990 wurden
auch unsere persönlichen Kontakte häufiger und vertieften
sich zu einer über das Problemschach hinausgehenden Freundschaft.
Im Jahr 1999 begannen die Vorarbeiten zu dem von Fritz Chlubna herausgegebenen
Buch Dreiklang, welche uns viele interessante gemeinsame Stunden
zur Sichtung und Wertung unserer Aufgaben bescherten. Im August 2001,
kurz nach seinem 70. Geburtstag, konnte Alois ein druckfrisches Exemplar
dieses Buches, welches u.a. 158 seiner von ihm selbst ausgewählten
und kommentierten Aufgaben enthielt, mit Freude in Empfang nehmen.
In den vergangenen
2 Jahren gelang es mir, die Aufmerksamkeit meines Freundes auch auf
logische Selbst- und Reflexmatts, sowie Mehrzüger mit Märchenfiguren
auszudehnen und wir nahmen einige Gemeinschaftsarbeiten in Angriff.
In den letzten Monaten klagte er des öfteren über Herzbeschwerden,
glaubte aber, sie durch medikainentöse Behandlung unter Kontrolle
zu haben. Noch am 5.7.2004 telefonierten wir miteinander. Alois hatte
einen zweiwöchigen Urlaub in Kärnten vor sich, er war guter
Dinge und voller Konstruktionsideen und wir planten für August
ein Treffen in meinem Sommerdomizil zum Gedankenaustausch.
Das Schicksal
ließ es nicht mehr dazu kommen. Am 9.7.2004 verstarb Alois in
seinem Urlaubsort an einem plötzlichen Herzinfarkt. Unser aller
Mitgefühl gilt seiner Familie, insbesonders seiner Witwe Hedwig,
die ihm mehr als 4 Jahrzehnte eine liebe- und verständnisvolle
Wegbegleiterin war.
Die Welt des Problemschachs
hat einen ihrer Großen verloren. Eine Stimme des Dreiklangs
ist unwiederbringlich verstummt, aber ihr Nachhall wird weiterklingen
in den unvergänglichen Kompositionen, welche dem Namen Alois
Johandl bei allen Freunden des Schachproblems noch in Jahrzehnten
Präsenz verleihen werden.
In Erinnerung
an den Verstorbenen habe ich die folgenden sechs Probleme ausgewählt.
Der einleitende 6-Züger zeigt seine Meisterschaft auch in der
kleinen, löserfreundlichen Form; das Selbstmatt, welches von
mir konstruktiv erweitert wurde, ist ein Beispiel für seinen
Erfindungsreichtum auch in dieser Aufgabenart, die vier anschließenden
Mehrzüger zählten zu den persönlichen Favoriten des
Autors aus der Schaffensperiode 2001-2003.
Die Nr. 12459
des heutigen Urdruckteils aus dem Nachlaß Alois Johandls schließlich
ist ein glänzendes Beispiel seiner bis zuletzt ungebrochenen
Schaffenskraft.
A
Alois Johandl
Neue Osnabrücker Zeitung
1994
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B
Alois Johandl
und Klaus Wenda
StrateGems 2003 (v)
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C
Alois Johandl
Problem-Forum 2001
1. Preis
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#6
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(3+8)
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s#13
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(11+4)
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#7
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(6+12)
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Lösungen: A:
1.Sf4? h1D+!; 1.Tg2! h1S 2.Tg8+ Kf7 3.Tg7+ Kf8 4.Sf4 Td8 5.Sg6+ Ke8
6.T:e7#. Holst-Umwandlung. B: 1.Tg8! h2 2.f8D g5 3.Dd6
g4 4.S6c7+ Ka7, b8 5.Sa8+ K:a8 6.L:b7+ Ka7 7.La8+ K:a8 8.Da1+ Ta2 9.Da3+
T:a3 10.Dh1+ Tf3 11.Le5! g3 12.Tf8 g2 13.Sg7+ T:f8#. Perilenkung des
sTg2. C: 1.Ld4! c2 2.Lf2+ L:f2 3.Sd2 Th3 4.Sf5+ Kh5 5.g4+
f:g4 e. p. 6.Sg7+ Kh4 7.Sf3#. Liniensperre, L-Sperropfer, T-Block, ep
Liniensperre, K-Pendel.
D
Alois Johandl
Freie Presse 2002
1. Preis
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E
Alois Johandl
Wl Sheltonoshko60JT 2002
3. Preis
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Sp.-Preis:
8491
Gerd Wilts Norbert Geissler
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#6
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(10+10)
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#7
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(6+9)
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#7
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(7+9)
|
D: 1.b:c4?
Td8; 1.Sf4! K:f4 2.Ld6+ c:d6 3.e3+ Ke5 4.b:c4 d5 5.c5 d4 6.c:d4#. S-Opfer
für L-Opfer, Dresdner, Fesselungsmatt. E: 1.Sd4?
Le2!; 1.Tc4+ d:c4 2.Sd4 Lb7 3.c6 L:c6 4.Sf5+ Kg4+/Kh3 5.Sh4+ K:h4 6.Lc5
g2 7.Lf2#. Dresdner, Feldräumung, Linienräumung, Kreuzschach.
F: 1.e3 e:d3 2.Tdd4 K:e6 3.Td6+ Ke5 4.Tf5+ Ke4 5.Te6+
Tg:e6 6.Tf4+ Ke5 7.S:g4#, 5. Te:e6 6.Tf4+ Ke5 7.Sf7#. Vorausblock
auf e3, Beseitigung hinderlicher weißer Masse auf e6, zweimal
T-Ablenkung.
Konstruktions-Preisausschreiben
Ausschreibung zum 194. Thematurnier der Schwalbe
Es wird hiermit ein Konstruktions-Wettbewerb zu acht Themen ausgeschrieben.
Jeder kann teilnehmen, auch wenn er nicht für alle Themen eine
Lösung einsendet. Die Themenstellungen versuchen, unterschiedlichen
Interessen gerecht zu werden; sie bilden eine bunte Mischung aus Leichtem
und Anspruchsvollerem, aus Vorwärts- und Rückwärtsspiel,
aus orthodoxen und märchenschachlichen Elementen. Gemeinsam ist
ihnen, dass man Ideen braucht, um an das Optimum heranzukommen. Hier
sind die Aufgabenstellungen:
Thema I
(W. Dittmann)
Konstruiere eine legale Stellung mit möglichst vielen Steinen,
in der kein Stein einen anderen deckt oder
angreift. Gewertet wird in erster Linie nach der möglichst großen
Anzahl der verwendeten Steine, in zweiter Linie nach der möglichst
großen Anzahl der verwendeten Bauern.
Thema II
(W. Dittmann)
Anticirce: Konstruiere eine legale Stellung, in der nach Anticirce-Regeln
der schwarze König (nicht im Schach) durch einen einzigen weißen
Zug möglichst viele Schachgebote erhält. Gewertet wird in
erster Linie nach der möglichst großen Anzahl der Schachgebote
durch Weiß, in zweiter Linie nach der möglichst geringen
Anzahl der verwendeten Steine.
Thema III
(J. Haas)
Konstruiere eine legale Stellung mit 32 Steinen, in der auf jeder
Linie, jeder Reihe und auf den beiden längsten Diagonalen je
zwei weiße und zwei schwarze Steine stehen. Zur Erläuterung:
Es sollen demnach in der Stellung auf 18 Strecken (auf den 8 Linien,
den 8 Reihen und den 2 Diagonalen: a1-h8 und a8-h1) jeweils 2 weiße
und 2 schwarze Steine (= 4 Steine) stehen. Das Rekordkriterium: Die
Beweispartie für diese Stellung soll möglichst kurz sein;
es kommt dabei nicht auf die Reihenfolge, sondern nur auf die Anzahl
der Züge an. Gewertet wird nach der möglichst geringen Zügezahl
der vom Einsender angegebenen Beweispartie.
Thema IV
(W. Dittmann)
Erspiele von der Partieanfangsstellung aus in der geringsten Anzahl
von weißen Serienzügen eine Stellung, in der Weiß
(am Zug) die folgenden drei Partieschlüsse herbeiführen
kann: Einzügiges Matt, einzügiges Patt, einzügiges
Selbstmatt. Es zieht also nur Weiß; dabei kommt es nicht auf
die Reihenfolge der Serienzüge, sondern nur auf ihre Anzahl an.
Während der Serienzüge darf kein Schachgebot erfolgen. Gewertet
wird nach der möglichst geringen Anzahl der erforderlichen Serienzüge,
wobei die vom Einsender angegebene Serienzugfolge für die Wertung
maßgebend ist.
Thema V
(W. Dittmann und W. Frangen)
Konstruiere eine legale Stellung mit unbekanntem Anzug (kein König
im Schach), die nachweislich mindestens eine Umwandlungsfigur enthält.
In diese Stellung soll ein weißer Bauer auf möglichst vielen
Feldern so eingefügt werden können, dass jeweils eine legale
Stellung ohne Umwandlungsfigur entsteht. Gewertet wird in erster Linie
nach der möglichst großen Anzahl der Einfügungsfelder,
in zweiter Linie nach der möglichst geringen Anzahl der verwendeten
Steine.
Thema VI
(W. Dittmann)
Konstruiere eine legale Stellung, in der nachweislich möglichst
viele schwarze Bauern (als Bauern, nicht als Umwandlungsfiguren) von
weißen Bauern geschlagen worden sind. Gewertet wird in erster
Linie nach der möglichst großen Anzahl der von weißen
Bauern geschlagenen schwarzen Bauern, in zweiter Linie nach der möglichst
geringen Anzahl der verwendeten Steine.
Thema VII
(J. Haas)
Konstruiere eine legale Stellung ohne Umwandlungsfiguren, in der der
schwarze König im Schach steht. Weiß soll hier einen Zug
zurücknehmen und einen anderen Zug ausführen, mit dem er
Schwarz mattsetzt, wobei die einzige Lösung in der Rücknahme
eines e. p.-Schlages und beim Mattzug in der Ausführung einer
Rochade bestehen soll. Das Rekordkriterium: Die Stellung soll neben
der Schlüsselzug-Rücknahme möglichst viele weitere
legale letzte Züge von Weiß enthalten. Gewertet wird in
erster Linie nach der möglichst großen Anzahl der möglichen
letzten Züge von Weiß, in zweiter Linie nach der möglichst
geringen Anzahl der verwendeten Steine.
Thema VIII
(W. Dittmann)
Anticirce: Konstruiere mit dem Material der Partieanfangsstellung
(keine zwei gleichfarbigen Läufer mit derselben Felderfarbe)
eine Stellung, zu deren Erspielung aus der Partieanfangsstellung nach
den Anticirce-Regeln möglichst viele Bauernzüge erforderlich
sind. Gewertet wird in erster Linie nach der möglichst großen
Anzahl der nachweislich geschehenen (weißen und schwarzen) Bauemzüge,
in zweiter Linie nach der möglichst geringen Anzahl der verwendeten
Steine.
Erläuterungen
zu den Themen: I und II sind leichtere Aufgaben; man lasse sich
von der Märchenbedingung in II nicht abschrecken. Für alle
Themen ist es nützlich, auf den genauen Wortlaut der Formulierungen
zu achten (Beispiel: Wo Umwandlungsfiguren nicht ausdrücklich
ausgeschlossen sind, sind sie erlaubt). "Legal" ist eine
Stellung, wenn sie partiemöglich, d.h. aus der Partieanfangsstellung
erspielbar ist. Definition von Anticirce (Thema II und VIII): Ein
schlagender Stein, auch ein K, wird auf seinem
Partieanfangsfeld wieder geboren, wobei bei Bauern die Linie, bei
Offizieren (außer D) die Farbe des Schlagfeldes das Wiedergeburtsfeld
bestimmt; der geschlagene Stein verschwindet vom Brett. Ist das Ursprungsfeld
nicht frei, darf nicht geschlagen werden.
Zum Wertungsmodus: Bei jedem Thema erhält jedes erzielte
Optimum 3 Punkte, das zweitbeste Ergebnis 2 Punkte, das drittbeste
1 Punkt. Alle Rekordstellungen werden veröffentlicht. Es stehen
Geldpreise im Gesamtwert von 100,- Euro und Buchpreise zur Verfügung.
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