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Zum Tod von Sarah (Siegfried) Hornecker (19.3.1986 - 22.3.2024)
von Martin Minski
Etwa 2002 erhielt ich einen skurrilen Telefonanruf: „Hier ist Siegfried Hornecker.“ Der Name kam mir bekannt vor. Ich wusste, dass dieser junge Herr sich auch mit Schachstudien beschäftigt. Bevor ich darüber groß nachdenken konnte, sagte die andere Stimme: „Ich übergebe den Hörer an meine Mutter. - Guten Tag, hier ist Monika Rehbein, die Mutter von Siegfried. Was kann ich für dich tun?“ Ich war so perplex und überfordert mit dieser Situation, dass ich noch ein paar Höflichkeitsfloskeln stammelte und dann irgendwie das Gespräch beenden konnte. Kurze Zeit später ging es um die Planung des Buches „Wege zu Schachstudien“. Gerhard Josten und Gerd Wilhelm Hörning wollten auch diesen Siegfried Hornecker mit als vierten Buchautor aufführen. Ich machte den beiden deutlich, dass ich mit so einem „komischen Kauz“ kein gemeinsames Buchprojekt starten werde. Als Kompromiss „durfte“ er Artikel für das Buch beisteuern, ohne dass sein Name auf der Titelseite stand.
Persönlich lernte ich Siegfried 2007 während der Schwalbetagung in Forchheim kennen. Ich erinnere mich noch an die Stadtführung. Wir wurden von der Stadtführerin mit Zahlen und Informationen gefüttert und es gab hin und wieder kleine Schenkelklopfer-Witze, wobei ich den Eindruck hatte, dass die Stadtführerin die gleichen Gags jeder x-beliebigen Gruppe vorsetzt, ohne groß auf die Herkunft oder Zusammensetzung der Stadtfremden zu blicken. So spulte sie ihr Programm herunter, bis wir in eine Art Grotte hinabstiegen. Plötzlich bemerkte sie, dass Siegfried gar keine Schuhe trägt, sondern barfuß läuft. Das brachte sie dann so aus dem Konzept, dass ich mir mein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. In Forchheim übergab mir Siegfried ganz uneigennützig sein erstes grandioses Studienschema. Ich war sofort davon begeistert. Eine symmetrische Remisschaukel, die ich später mit einer passenden Einleitung versehen durfte. Es folgte eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit knapp 40 Studien-Koproduktionen, von denen bisher 10 in die FIDE-Alben aufgenommen wurden.
Für das FIDE-Album 2013-15 sprang Siegfried kurzfristig als Ersatzdirektor ein und leistete wertvolle Koordination und Zuarbeit. Als beteiligter Richter erlebte ich mit ihm einen Schreckmoment. So wollte er kurz vor Veröffentlichung der Ergebnisse eine Miniatur von mir von 2,5 auf 3 Punkte anheben, weil sie ihm doch so sehr gefiel. Ich machte ihn mit feuchten Händen darauf aufmerksam, dass er durch diese Änderung mehr als 20 Studien mit 7,5 Punkten aus der ohnehin schon „skandalträchtigen“ Studienauswahl entfernen würde, da sonst nur noch alle Studien mit mindestens 8 Punkten im Album vertreten wären. Zu meiner großen Erleichterung beließ er es bei der ursprünglichen Wertung.
In unregelmäßigen Abständen begegneten wir uns bei den Schwalbetagungen sowie bei den internationalen Kongressen wie zum Beispiel 2015 in Ostroda, 2016 in Belgrad oder 2017 in Dresden. Siegfried war ein freundlicher und interessierter Gesprächspartner, der durch sein exzellentes Englisch viele tiefgründige Gespräche mit den anderen Kongressteilnehmern führen konnte.
2021 erfuhren wir von seinem immer dramatischer werdenden Gesundheitszustand, der ihm langsam, aber sicher den Lebensmut verlieren ließ. Daraufhin setzte ich mich zusammen mit Klaus Rubin in den Zug Richtung Güstrow, wo wir auf einen sichtlich erfreuten Siegfried (siehe Foto) trafen, der mit uns und seiner Familie einen schönen und sonnigen Tag verbrachte.
Vor allem in den letzen Jahren setzte sich Siegfried aktiv für die Popularisierung der Schachstudie ein. So unterstützte er als förderndes Mitglied der Schwalbe jahrelang Michael Roxlau in der Studienabteilung dieser Zeitschrift. Sein autobiographisches Buch „Weltenfern“ (nur in Englisch) kann auf der ARVES-Website gefunden werden. Seine inzwischen legendären Artikel in EG und auf chessbase.com sind sehr fundiert und lesenswert. Beachtlich ist seine große Beteiligung an Diskussionen im Matplus-Forum.
Im Mai 2023 schickte mir Siegfried ein Foto, auf dem er stark geschminkt war. Er teilte mir mit, dass er in Zukunft Sarah genannt werden möchte. Zunächst vermutete ich dahinter ein eher scherzhaftes Rollenspiel, doch es war tatsächlich seine neue Identität, für die er bzw. sie sich bewusst entschieden hatte. 2015 publizierte Monika Rehbein das Buch Bastis Welt, in dem sie ihren Umgang verarbeitet mit dem Kind, das „anders tickt und in seiner eigenen Welt lebt“. Ich denke, dass Frau Rehbein versuchte ihr Kind so anzunehmen, so zu lieben, wie es ist. Ich bin Sarah dankbar dafür, dass sich auch mein Horizont in Sachen Toleranz gegenüber anderen, nicht gewohnten Verhaltensweisen deutlich erweitert hat. Sarah hat sich nie über ihre schwere Krankheit beklagt. Bis zuletzt war sie optimistisch, dass es irgendwann besser wird. Für sie war die eintretende Sepsis, die letztendlich zum Tod führte, vielleicht eine Erlösung - für die Studiengemeinschaft ist es ein großer Verlust. Die vielen kleinen Erinnerungen an Sarah/Siegfried und ihre/seine tollen Studien werden uns bleiben. Hier eine kleine Auswahl:
S. Hornecker, M. Minski
Schach 2016
Ehrende Erwähnung
+ (4+4)
S. Hornecker, S. Didukh
Birnow MT 2010
2. Preis
+ (6+7)
S. Hornecker
Akobia JT 2007
7. spezieller Preis
+ (7+4)
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