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Odette Vollenweider 30.7.1933-26.2.2021
von Thomas Brand, Bornheim1
Ende Februar ist unerwartet die "heimliche First Lady der internationalen Problemschachszene" (Günter Büsing in seiner Laudatio zu ihrem 80. Geburtstag, 262 Die Schwalbe August 2013, S. 177) verstorben. Beinahe 60 Jahre lang hat sie die Problemisten weltweit begeistert: besonders mit ihren Veröffentlichungen in Buch- und Artikelform, ihrer Redaktion der Schachrubrik der Neuen Zürcher Zeitung von 1976 bis 2010, also über 34 Jahre, die sie zu Weltruhm führte. Über 13 Jahre hat sie das Schweizer Problemschach als Delegierte bei der damaligen PCCC vertreten. Für ihre Verdienste verlieh ihr die FIDE im Jahr 2007 den Titel "Honorary Master of Chess Composition".
In Zollikon und Zürich aufgewachsen, besuchte Odette Vollenweider die Handelsschule, assistierte im väterlichen Betrieb und war selbstständig im Handel mit italienischer Keramik tätig. Über ihren Geigenlehrer Hans Johner (7.1.1889-2.12.1975), der gleichzeitig bedeutender Schachspieler (zwölfmal Schweizer Meister), Problemkomponist und Leiter der NZZ-Schachrubrik von 1914 bis 1971 war, kam sie mit Problemschach in Berührung, das sie bald mehr als die Geige faszinierte.
Mit nicht einmal 30 Jahren begann sie an ihrem ersten Buch "Faszinierendes Schachproblem. Kompositionen von I. A. Schiffmann" zu arbeiten, das sie dann etwa zum Jahreswechsel 1963/1964 im Selbstverlag veröffentlichte2 - allerdings unter dem (männlichen) Pseudonym Gabriel Baumgartner, da sie befürchtete, das Buch einer jungen Problemistin würde vielleicht nicht ernst genommen. Dieses Pseudonym verwendete sie auch für ihr drei Jahre später erschienenes Buch "Kostbarkeiten der Problemkunst", mit dem sie ihrem Mentor Hans Johner ein Denkmal setzte.3 Die Auf lösung erfolgte erst in den 1970er Jahren, als sich Gabriel Baumgartner zu einem persönlichen Besuch bei Jan Hartong angemeldet hatte und dieser ziemlich erschrocken war, als dann eine Dame erschien und ihm die Geschichte von Gabriel Baumgartner und Odette Vollenweider erzählte. Erschrocken war er nicht wegen ihres Geschlechts, sondern er hatte für das Treffen mit Herrn Baumgartner einen guten Whisky besorgt und musste sich nun um Kaffee und Kuchen für Frau Vollenweider bemühen ...
In den letzten zwanzig Jahren hat Odette Vollenweider die Schwalbe-Leser immer wieder mit hervorragenden Artikeln begeistert: inhaltlich klar und tiefgängig, stets die Ideen, Inhalt und Form verständlich beschrieben, häufig angereichert mit persönlichen Eindrücken und Erlebnissen. Ich kann allen Lesern nur empfehlen, diese Artikel erstmals oder noch einmal zu genießen4
- "Faszinierende Facetten eines geistreichen Themas - Hommage zum 100. Geburtstag von I. A. Schiffmann". 200 Die Schwalbe IV/2003, S. 53-64. 38 Aufgaben. (Siehe auch ihren komplementären Artikel ``THE EVER-YOUNG SCHIFFMANN THEME-Homage to I.A.Schiffmann on his 100th birthday (1903-1930)''. The Problemist V/2003, pp.106-110. 16 Aufgaben.)
- "Ein eindrücklicher Fund - Nachtrag zum Geburtstagsartikel für I. A. Schiffmann in Heft 200", 203 Die Schwalbe X/2003, S. 252-253. 1 Aufgabe.
- "Gleiche Inhalte in Zwei- und Dreizügern". Teil I: 222 Die Schwalbe XII/2006, S. 625-630. Teil II: 223 Die Schwalbe II/2007, S. 20-29. 19+25 Aufgaben.
- "Lebendige Klassik - Kompositionen von Juri Marker". 231 Die Schwalbe VI/2008, S. 463-467. 15 Aufgaben.
- "Eindrückliches Erbe eines Meisters - Kompositionen von Marsil Gafarov". 236 Die Schwalbe IV/2009, S. 78-84. 20 Aufgaben.
- "Die eindrückliche Meisterschaft von Andrej Lobussow (17. Juni 1951 - 13. Juli 2010)". Teil I: 246 Die Schwalbe XII/2010, S. 703-710. Teil II: 247 Die Schwalbe II/2011, S. 5-14. 15+22 Aufgaben.
Drei Problem-Persönlichkeiten haben Odette Vollenweider sicherlich besonders geprägt und beeinflusst: Zunächst einmal muss hier ihr Lehrer und Mentor Hans Johner genannt werden, über den sie den Zugang zum Problemschach fand, der sie - nach einem fünf Jahre langen "Interregnum" - als seine Nachfolgerin in der Leitung der NZZ-Problemrubrik installierte.
Die ersten Zweizüger des bereits 1930 so jung verstorbenen Israel A. Schiffmann veranlassten sie, nach einem Buch mit seinen Aufgaben zu suchen. Als sie feststellte, dass es so etwas nicht gab, entschloss sie sich, es selbst zusammenzustellen und zu schreiben. Diese intensive Beschäftigung mit dem Autor und "seinem Thema", der Schiffmann-Parade ("Schwarz fesselt sich selbst in Erwartung indirekter Wiederentfesselung (durch die Verstellung der Fessellinie bei Ausführung des Drohspiels). Weiß setzt daraufhin fesselnutzend anders matt." http://www.schach-udo.de/dab/themens.htm ) hinterließ auch deutliche Spuren in ihrem eigenen Problemschaffen.
Über ihre NZZ-Rubrik kam sie 1980 mit dem Moskauer Andrej Lobussow in Kontakt; persönliche Besuche entwickelten sich zu einer engen Freundschaft mit ihm und seiner Familie. Lobussow übergab ihr bei ihrem letzten Besuch in Moskau die Sammlung seiner Probleme mit der Bitte, dafür zu sorgen, dass Jakow Wladimirow sie kommentiere und herausgebe. Dieses Buch ("Grandmaster Lobusov", auf Russisch, Schachmatnaja komposizia Band 9) erschien 2014. Wladimirows Vorwort darin wird abgeschlossen mit einem Foto Odette Vollenweiders an ihrem Rechner, mit einem Lobussow-Foto sowie einem Schwalbe-Heft auf ihrem Schreibtisch.
Ich selbst habe Odette Vollenweider bei zwei WCCC-Treffen ein wenig näher kennen lernen dürfen: Sie wird mir immer als eine freundliche, gebildete, aufgeschlossene, humorvolle, im Umgang sehr angenehme Dame in Erinnerung bleiben.
Diese Rückschau möchte ich mit der Präsentation sechs ihrer Zweizüger beenden; auf dieses Gebiet hat sie sich kompositorisch fast vollständig, sieht man von einigen wenigen Dreizügern ab, konzentriert.
Gabriel Baumgartner
Neue Zürcher Zeitung 1957
#2 (8+3)
Opus Nummer 2 mit zwei zusätzlichen Fluchtfeldgaben im Schlüssel, der dann ein Königskreuz ermöglicht, das mit direkten und indirekten Batterien erledigt wird. Dombrovskis mit den "Königsfluchten in die Batterien"; sparsame Darstellung. Vergleiche dazu den Zwilling von Gerhard Latzel drei Jahre zuvor (Albrecht-Sammlung Nr. 48.586) mit Kreuz- und Sternflucht.
Gabriel Baumgartner
Schweizerische Schach-
zeitung 1962
#2 (7+5)
Odette Vollenweider
Die Schwalbe 1980/81
1. ehrende Erwähnung
#2 (16+8)
Odette Vollenweider
Olympia-Turnier 1982/83
Lob
#2 (15+8)
Wassyl Djatschuk
Odette Vollenweider
The Problemist 2002/II
1. Preis
#2 (12+10)
Odette Vollenweider
Neue Zürcher Zeitung
2004-2005
2. Preis
#2 (14+9)