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Dies# fiel mir auf (18)
von Hartmut Laue, Kronshagen
Der Aufgabenkommentar „Doppelte Drohkorrektur“ ist ambig. Denn was soll damit wirklich gemeint sein? In den Aufgaben (A), (B) auf den Seiten 655, 656 des Dezemberheftes 2018 der Schwalbe gibt es zwei scheiternde Erstversuche mit separaten Drohungen und einen Schlüssel, der simultan einen Drohwechsel bezüglich beider bewirkt. Statt zweier scheiternder Drohungen ersten Grades, die mit dem Schlüssel beide eine Korrektur erfahren, sieht man jedoch häufig eine Doppelsetzung ganz anderer Art: Man hat nur eine einzige scheiternde Drohung ersten Grades, jedoch zwei verschiedene Möglichkeiten einer Drohkorrektur, von denen nur eine richtig ist.
A) Christopher Reeves
The Problemist 2004
#2 (9+9)
Die damit festgestellte Auswahl zwischen zwei vollständigen Drohkorrekturen ist das thematische Gerippe der Aufgabe, zu deren inhaltlicher Würdigung jedoch mehr gehört: Da ist zum einen der Zug 1.- Tg8, der gegen jede der drei auftretenden Drohungen verteidigt, im Falle von 1.Sh3(7)? als Widerlegung, nach 1.S:e6? mit der Folge 2.S:d4#, nach 1.S:e4! mit der Folge 2.Sd6#, also einen Mattwechsel erzeugend. Zum anderen spielt der Zug 1.- L:e5 eine ähnliche Rolle: als Widerlegung von 1.S:e6!?, nach 1.S:e4! mit der Folge 2.T:e5#, nach 1.Sh3? mit der schon im Satz bereitliegenden Folge 2.f:e5#, also ebenfalls mit Mattwechsel. (Nach 1.Sh7? ist der Zug wegen der Deckung von f6 keine Verteidigung.) Weiter kommt in beiden Varianten mit schwarzer Königsflucht - 1.S:e6!? K:e6 2.f5#, 1.S:e4! K:e4 2.Lc2# - in verschiedener Weise der weiße Läufer zum Einsatz, und die sich stark aufdrängende Symmetrie des gesamten Geschehens zur fünften Reihe wird angenehm durchbrochen. All das macht den Inhalt der Aufgabe mit aus, ist aber für das reine Drohwechselgeschehen nicht konstitutiv. 3)
B) Hartmut Laue
feenschach 2017
s#2 (6+12)
C) Hartmut Laue
The Macedonian
Problemist 2016
s#2 (8+14)
Liegt hiermit nun, in ein anderes Kleid gehüllt, dieselbe Thematik vor wie in (B)? Nein, keineswegs! Denn der für die Drohung 2.T:c2+ L:c2# benötigte Effekt der Deckung des Feldes b3 entsteht durch beide bei der Drohwechselauswahl konkurrierenden Springerzüge, 1.Sc5!? und 1.Sd4!. Demnach müßte diese Drohung eigentlich nach beiden Springerzügen akut sein. Das ist nur deswegen nicht der Fall, weil 1.Sd4! den neuen schädlichen Effekt aufweist, Schwarz durch die Verstellung des wTh4 nach 2.T:c2+? das Fluchtfeld b4 einzuräumen. Wie beim Wechsel von 1.S~{}? zu einem der Springerzüge auf die Diagonale a7-e3 hat beim Übergang von 1.Sc5!? zu 1.Sd4! der letztgenannte Zug zwar denselben positiven Effekt (Deckung von b3) wie der erstgenannte, annulliert aber zugleich die damit an sich verbundene Drohung (2.T:c2+ L:c2#). Er ist dann nur dank abermals neuer Drohung (2.Se2+ S:e2#) erfolgreich. Er leistet also wieder eine Drohkorrektur, jedoch - weiter differenzierend - auf zweiter Stufe. Auch diese ist vollständig: Mit der oben schon einmal (als Widerlegung der primären Drohung) gesehenen Verteidigung 1.- b4 beseitigt Schwarz hier durch Fluchtfeldblockade den genannten schädlichen Effekt des Schlüssels und erlaubt 2.T:c2+ L:c2#. Nicht diese, in etwa der Variante 1.- L:d7 in (B) entsprechende Vollständigkeit, sondern das Vorliegen einer zweischrittigen Gradierung unterscheidet (C) thematisch von (B), wo „nur“ eine ungradierte Auswahl zwischen zwei Drohkorrekturen stattfindet. Wegen der Iteration der Gradierung spricht man bei (C) von einer tertiären Drohkorrektur (englisch abgekürzt: TTC). Durchgängiges Linienspiel (e7-e3, a7-e3, h4-b4, a6-e2) bestimmt den strategischen Charakter des Geschehens, wobei der Schlüssel eine zweifarbige Turm/Läufer-Verstellung zum (doppelten) Schaden für Weiß zeigt.
Immer noch passiert es, daß selbst für berufen gehaltene Stimmen unerwartet Zeugnis davon ablegen, den dargestellten Unterschied zwischen einer Drohwechselauswahl und einer TTC nicht zu erkennen - und dies viele Jahre nach Christopher Reeves' redlichem Ringen um Klarheit, wie es in seinem Text a. a. O. und in seiner Nachschrift 4) noch deutlich spürbar ist. Keineswegs hat sich seitdem die Begriffswelt dieser Thematik im allgemeinen Bewußtsein so gesetzt, wie man es nach dem subtilen Beleuchten ihrer verschiedenen Seiten in einer ansehnlichen Zahl meisterhafter Bearbeitungen im direkten Zweizüger annehmen sollte. In Teil I der in Fußnote 2 genannten Artikelfolge, dort S. 367, wird ein Drohwechsel vollständig genannt, wenn das primäre Drohmatt nach der Drohkorrektur als Variante erscheint. Sinnvollerweise wird der Begriff des Drohwechsels von dem der Vollständigkeit separiert. Dagegen wird es bei einer TTC als zur Definition gehörig angesehen, daß die beiden Drohungen niedrigeren Grades nach dem Schlüssel als Varianten auftreten. Bei der TTC bedeutet dann Vollständigkeit a. a. O. spezieller, daß auch der Drohwechsel der Verführung im anfangs genannten Sinne vollständig ist. Abweichend davon wird im „definitive book“ von Milan Velimirović, Kari Valtonen: Encyclopedia of chess problems (Beograd 2012), auf S. 112 die Vollständigkeit eines Drohwechsels zwar noch wie oben als etwas Zusätzliches definiert, bei der TTC jedoch plötzlich zum integralen Teil der Definition gemacht, hier in Übereinstimmung mit dem FIDE Album 2010-2012 (S. 622), das sich im übrigen zum Begriff der Vollständigkeit ausschweigt. Im Album wird bei der Definition der TTC ausdrücklich hervorgehoben, daß die Erstzüge der drei Phasen alle durch denselben weißen Stein zu erfolgen hätten. In Teil III der in Fußnote 2 genannten Artikelfolge erfährt man auf S. 95 allerdings, daß gerade dieses in der russischen Literatur nicht obligatorisch, sondern eine „western meaning“ sei, wobei wohl ein sprachliches Mißverständnis vorliege.
D) Juri Antonow
Sergej Burmistrow
Schachmaty w SSSR 1984
1. Preis
#2 (8+8)
E) Gerhard Maleika
The Problemist 2005-I
2. ehr. Erw.
#2 (9+9)
Welche Möglichkeiten die Verbindung der Drohwechselthematik mit Selbstmattmechanismen eröffnet, bleibt weiter auszuloten. Beiträge wie (B) und (C) stehen dabei hoffentlich nicht am Ende, sondern eher am Anfang eines Bemühens um raffinierte Inhalte. In der Schwalbe sind in den letzten Jahren wiederholt TTC-Selbstmatts erschienen, zuletzt Nr. 17508, deren Lösungsbesprechung sich auf S. 44 im Februarheft dieses Jahres befindet. Auch in dieser Aufgabe ist ein weißer Springer der thematische Held.
Fußnoten