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Heft 296, April 2019

 


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Hartmut Laue: Dies# fiel mir auf (18) 82
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Dies# fiel mir auf (18)

von Hartmut Laue, Kronshagen

Der Aufgabenkommentar „Doppelte Drohkorrektur“ ist ambig. Denn was soll damit wirklich gemeint sein? In den Aufgaben (A), (B) auf den Seiten 655, 656 des Dezemberheftes 2018 der Schwalbe gibt es zwei scheiternde Erstversuche mit separaten Drohungen und einen Schlüssel, der simultan einen Drohwechsel bezüglich beider bewirkt. Statt zweier scheiternder Drohungen ersten Grades, die mit dem Schlüssel beide eine Korrektur erfahren, sieht man jedoch häufig eine Doppelsetzung ganz anderer Art: Man hat nur eine einzige scheiternde Drohung ersten Grades, jedoch zwei verschiedene Möglichkeiten einer Drohkorrektur, von denen nur eine richtig ist.

A) Christopher Reeves

The Problemist 2004

wKh5, wDf1, wTc5g2, wLa4, wSg5, wBe5f4f6,
sKf5, sTd8, sLa8d4, sSh8, sBe3e4e6f7

#2 (9+9)

Ein Beispiel dieser im direkten Zweizüger inzwischen vielfach und mit großer Kreativität bearbeiteten Art ist (A), deren Erstfassung nicht im Urdruckteil, sondern als separates Original innerhalb einer Vortragsausarbeitung 1) des Autors in The Problemist erschien; eine Dekade später tauchte die Aufgabe in aufpolierter Form als Beispiel 19 innerhalb einer umfangreichen und höchst verdienstvollen Aufsatzreihe 2) zu demselben Thema auf. Zur Aufstellung der Drohung 2.Tg5# bedarf es der Räumung des Feldes g5 durch den weißen Springer, doch nach 1.Sh3?, 1.Sh7? pariert Schwarz bequem mit 1.- Tg8!. Mit 1.S:e6!? entwertet Weiß den drohrelevanten Effekt der Feldräumung von g5 durch die gleichzeitige Fluchtfeldgabe auf e6 (2.Tg5+? K:e6), stellt aber die neue Drohung 2.Sg7# auf - das typische Phänomen des Drohwechsels. Dieser erweist sich vermöge des Abspiels 1.- f:e6 2.Tg5#, in dem Schwarz den für die vormalige Drohabsicht im Schlüssel eingetretenen Schaden aufhebt, als vollständig. An 1.- L:e5! jedoch scheitert der Versuch. Das analoge 1.S:e4! führt mit der Fluchtfeldgabe von e4 (und damit erneut vorläufiger Entwertung der Feldräumung von g5), der Drohung 2.Sg3# und dem Abspiel 1.- L:e4 2.Tg5# zu einer ganz entsprechend verlaufenden zweiten vollständigen Drohkorrektur.

Die damit festgestellte Auswahl zwischen zwei vollständigen Drohkorrekturen ist das thematische Gerippe der Aufgabe, zu deren inhaltlicher Würdigung jedoch mehr gehört: Da ist zum einen der Zug 1.- Tg8, der gegen jede der drei auftretenden Drohungen verteidigt, im Falle von 1.Sh3(7)? als Widerlegung, nach 1.S:e6? mit der Folge 2.S:d4#, nach 1.S:e4! mit der Folge 2.Sd6#, also einen Mattwechsel erzeugend. Zum anderen spielt der Zug 1.- L:e5 eine ähnliche Rolle: als Widerlegung von 1.S:e6!?, nach 1.S:e4! mit der Folge 2.T:e5#, nach 1.Sh3? mit der schon im Satz bereitliegenden Folge 2.f:e5#, also ebenfalls mit Mattwechsel. (Nach 1.Sh7? ist der Zug wegen der Deckung von f6 keine Verteidigung.) Weiter kommt in beiden Varianten mit schwarzer Königsflucht - 1.S:e6!? K:e6 2.f5#, 1.S:e4! K:e4 2.Lc2# - in verschiedener Weise der weiße Läufer zum Einsatz, und die sich stark aufdrängende Symmetrie des gesamten Geschehens zur fünften Reihe wird angenehm durchbrochen. All das macht den Inhalt der Aufgabe mit aus, ist aber für das reine Drohwechselgeschehen nicht konstitutiv. 3)

B) Hartmut Laue

feenschach 2017

wKd2, wDh6, wLe6, wSd7e5, wBc2,
  sKe4, sDf1, sTc1g1, sLb5h8, sBd3d4f2f3g2h5

s#2 (6+12)

In (B) steht Weiß wieder ein eigener Springer im Weg, der diesmal jedoch nicht wie in (A) ein Feld für einen Teamkollegen blockiert, sondern auf e5 die selbstmattypisch erwünschte Wirkung des sLh8 auf das Feld c3 unterbindet. Ein Zug des wSe5 wie etwa 1.Sf7? stellt daher die Drohung 2.De3+ d:e3# auf; er wird jedoch durch 1.- Te1! widerlegt. Mit 1.Sc4!? sucht der Springer zwar ausgerechnet ein Feld auf, von dem aus er e3 deckt und folglich trotz Einschaltung des sLh8 den Zug 2.De3+ als Drohung entwertet. Es droht aber neu 2.c:d3+ D:d3# und lädt ein zu 1.- L:c4 2.De3+ d:e3#, stellt also eine vollständige Drohkorrektur dar. Doch nach 1.- d:c2! geht es nicht weiter. Der andere Springerzug, der die vormalige Drohung 2.De3+ durch Deckung von e3 annulliert, ist der Schlüssel: 1.Sg4!, mit der neuen Drohung 2.S:f2+ D:f2#. Auch dieser Drohwechsel ist vollständig: 1.- h:g4 2.De3+ d:e3#. Nach der einzigen weiteren Parade 1.- L:d7 sieht man in dieser Aufgabe das Drohspiel des zuvor gescheiterten Drohwechsels wieder: 2.c:d3+ D:d3#. Natürlich ist Letzteres nur eine Zugabe und gehört nicht etwa zu den Erfordernissen bei einer Drohwechselauswahl; z. B. ist ein Wiedersehen des mit 1.S:e6!? geplanten Drohzuges 2.Sg7# in (A) nach dem Schlüssel 1.S:e4! völlig illusorisch. Der Gedanke, in Weiterführung der Idee der Vollständigkeit eines Drohwechsels bei einer Drohwechselauswahl auch die Drohung des gescheiterten Versuchs im Lösungsgeschehen wieder auf leben zu lassen, erscheint jedoch nicht abwegig.

C) Hartmut Laue

The Macedonian
Problemist 2016

wKc1, wDe7, wTb2h4, wLh7, wSd6e6, wBc6, sKc3, sDa6, sTa1h1, sLa7b1, sSb8g1, sBa2a3b5c2e3h2

s#2 (8+14)

Zum dritten Mal stört in (C) ein eigener Springer die weißen Möglichkeiten, diesmal indem er auf e6 die Damenlinie von e7 nach e3 unterbricht. Nach etwa 1.Sf8? droht 2.D:e3+ L:e3#, doch scheitert dies an 1.- b4! Verstellt Weiß mit seinem Se6 jedoch die Linie des sLa7, so droht zwar trotz der Linienöffnung für die weiße Dame nicht mehr 2.D:e3+, aber dafür etwas Neues: 1.Sc5!? deckt b3 und droht daher 2.T:c2+ L:c2#. Beseitigt Schwarz durch Schlag des wSc5 die von Weiß in Kauf genommene Verstellung des schwarzen Läufers, so folgt natürlich der alte Drohzug: 1.- L:c5 2.D:e3+ L:e3#. Wir haben also eine vollständige Drohkorrektur vor uns, die allerdings an 1.- Da4! scheitert. Der zweite Pfeil im Drohwechselköcher ist der Schlüssel: 1.Sd4!, mit der Drohung 2.Se2+ S:e2# und der „Vollständigkeitsvariante“ 1.- L:d4 2.D:e3+ L:e3#.

Liegt hiermit nun, in ein anderes Kleid gehüllt, dieselbe Thematik vor wie in (B)? Nein, keineswegs! Denn der für die Drohung 2.T:c2+ L:c2# benötigte Effekt der Deckung des Feldes b3 entsteht durch beide bei der Drohwechselauswahl konkurrierenden Springerzüge, 1.Sc5!? und 1.Sd4!. Demnach müßte diese Drohung eigentlich nach beiden Springerzügen akut sein. Das ist nur deswegen nicht der Fall, weil 1.Sd4! den neuen schädlichen Effekt aufweist, Schwarz durch die Verstellung des wTh4 nach 2.T:c2+? das Fluchtfeld b4 einzuräumen. Wie beim Wechsel von 1.S~{}? zu einem der Springerzüge auf die Diagonale a7-e3 hat beim Übergang von 1.Sc5!? zu 1.Sd4! der letztgenannte Zug zwar denselben positiven Effekt (Deckung von b3) wie der erstgenannte, annulliert aber zugleich die damit an sich verbundene Drohung (2.T:c2+ L:c2#). Er ist dann nur dank abermals neuer Drohung (2.Se2+ S:e2#) erfolgreich. Er leistet also wieder eine Drohkorrektur, jedoch - weiter differenzierend - auf zweiter Stufe. Auch diese ist vollständig: Mit der oben schon einmal (als Widerlegung der primären Drohung) gesehenen Verteidigung 1.- b4 beseitigt Schwarz hier durch Fluchtfeldblockade den genannten schädlichen Effekt des Schlüssels und erlaubt 2.T:c2+ L:c2#. Nicht diese, in etwa der Variante 1.- L:d7 in (B) entsprechende Vollständigkeit, sondern das Vorliegen einer zweischrittigen Gradierung unterscheidet (C) thematisch von (B), wo „nur“ eine ungradierte Auswahl zwischen zwei Drohkorrekturen stattfindet. Wegen der Iteration der Gradierung spricht man bei (C) von einer tertiären Drohkorrektur (englisch abgekürzt: TTC). Durchgängiges Linienspiel (e7-e3, a7-e3, h4-b4, a6-e2) bestimmt den strategischen Charakter des Geschehens, wobei der Schlüssel eine zweifarbige Turm/Läufer-Verstellung zum (doppelten) Schaden für Weiß zeigt.

Immer noch passiert es, daß selbst für berufen gehaltene Stimmen unerwartet Zeugnis davon ablegen, den dargestellten Unterschied zwischen einer Drohwechselauswahl und einer TTC nicht zu erkennen - und dies viele Jahre nach Christopher Reeves' redlichem Ringen um Klarheit, wie es in seinem Text a. a. O. und in seiner Nachschrift 4) noch deutlich spürbar ist. Keineswegs hat sich seitdem die Begriffswelt dieser Thematik im allgemeinen Bewußtsein so gesetzt, wie man es nach dem subtilen Beleuchten ihrer verschiedenen Seiten in einer ansehnlichen Zahl meisterhafter Bearbeitungen im direkten Zweizüger annehmen sollte. In Teil I der in Fußnote 2 genannten Artikelfolge, dort S. 367, wird ein Drohwechsel vollständig genannt, wenn das primäre Drohmatt nach der Drohkorrektur als Variante erscheint. Sinnvollerweise wird der Begriff des Drohwechsels von dem der Vollständigkeit separiert. Dagegen wird es bei einer TTC als zur Definition gehörig angesehen, daß die beiden Drohungen niedrigeren Grades nach dem Schlüssel als Varianten auftreten. Bei der TTC bedeutet dann Vollständigkeit a. a. O. spezieller, daß auch der Drohwechsel der Verführung im anfangs genannten Sinne vollständig ist. Abweichend davon wird im „definitive book“ von Milan Velimirović, Kari Valtonen: Encyclopedia of chess problems (Beograd 2012), auf S. 112 die Vollständigkeit eines Drohwechsels zwar noch wie oben als etwas Zusätzliches definiert, bei der TTC jedoch plötzlich zum integralen Teil der Definition gemacht, hier in Übereinstimmung mit dem FIDE Album 2010-2012 (S. 622), das sich im übrigen zum Begriff der Vollständigkeit ausschweigt. Im Album wird bei der Definition der TTC ausdrücklich hervorgehoben, daß die Erstzüge der drei Phasen alle durch denselben weißen Stein zu erfolgen hätten. In Teil III der in Fußnote 2 genannten Artikelfolge erfährt man auf S. 95 allerdings, daß gerade dieses in der russischen Literatur nicht obligatorisch, sondern eine „western meaning“ sei, wobei wohl ein sprachliches Mißverständnis vorliege.

D) Juri Antonow
Sergej Burmistrow

Schachmaty w SSSR 1984

1. Preis

wKg7, wDb5, wTc3, wTg2, wLa1, wSf7h6, wBd2,
sKe4, sLb8h1, sSg1, sBc4d5d6f4

#2 (8+8)

Ein entsprechendes Beispiel dazu ist (D) (1.Sf5? [2.Db1#] f3!; 1.Tf3!? [2.Sg5#, nicht 2.Db1?] S:f3 2.Db1#, 1.- Sh3!; 1.Td3! [2.D:d5#, nicht 2.Db1?, nicht 2.Sg5+?] K:d3/c:d3 2.Db1/Sg5#). Auch zeigt diese Aufgabe, daß ein Zug von Beliebigkeitscharakter („random move}“) zur Auslösung der Primärdrohung, wie man ihn z. B. in (A), (B), (C) vorfindet, mit dem Wesen des Drohwechsels gar nicht notwendig verbunden ist (siehe dazu auch (A) auf S. 655 und (B) auf S. 656 unseres Dezemberheftes 2018), sondern nur einen häufig anzutreffenden Typus darstellt. Die Verengung darauf erweist sich vielmehr als gedankliches Hindernis beim Fortschreiten vom 2. zum 3. Grad, weil sich die Erwartung eines erneuten Beliebigkeitsaspekts dabei nicht erfüllt.

E) Gerhard Maleika

The Problemist 2005-I

2. ehr. Erw.

wKf3, wDf1, wTf5, wLe6h8, wSg5, wBb4d2g3,
  sKd4, sDf6, sTf7h2, sLf8, sSd6, sBb5f2h3

#2 (9+9)

Eine treffende Analyse der positiven und negativen Effekte im Drohkomplex hingegen wird in Teil II der zitierten Aufsatzfolge, dort S. 506f, im Falle von (E) (1.Kf4? [2.Sf3#] Lh6!; 1.Kg4!? [2.Td5#, nicht 2.Sf3+?] S:f5!, 1.Ke2! [2.Da1#, nicht 2.Sf3+?, nicht 2.Td5+?] Se4/Sc4 2.Sf3/Td5#) zwar kurz vorgestellt. Leider wird dann aber als „notwendig andersartige Korrekturlogik“ abgetan, was hier eigentlich als des Pudels Kern hervortreten sollte und den landläufigen Fall des „random move“ als eine mögliche Ausformung enthält, ebenso wie die im FIDE Album gesondert aufgeführte „Tertiary Arrival Threat Correction“. Typisches Symptom einer zu eng angelegten Definition ist es in aller Regel, wenn man sich durch damit nicht erfaßtes anderweitiges Auftreten des gemeinten Phänomens zu einer Kasuistik (hier: verschiedener Korrekturarten) genötigt sieht.

Welche Möglichkeiten die Verbindung der Drohwechselthematik mit Selbstmattmechanismen eröffnet, bleibt weiter auszuloten. Beiträge wie (B) und (C) stehen dabei hoffentlich nicht am Ende, sondern eher am Anfang eines Bemühens um raffinierte Inhalte. In der Schwalbe sind in den letzten Jahren wiederholt TTC-Selbstmatts erschienen, zuletzt Nr. 17508, deren Lösungsbesprechung sich auf S. 44 im Februarheft dieses Jahres befindet. Auch in dieser Aufgabe ist ein weißer Springer der thematische Held.


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