Hermann Mattison wurde am 28. Dezember 1894 in Riga
geboren. Er erlernte das Schachspiel im Alter von sieben Jahren,
beschäftige sich aber erst ab 1910 ernsthafter mit Schach.
1913 wurde er Mitglied des Rigaer Schachclubs und machte als
Schachspieler erstmals auf sich aufmerksam, als er in einer
Simultanvorstellung Weltmeister Capablanca schlug. Während
des ersten Weltkriegs diente Mattison in der russischen Armee.
Nach Kriegsende stieg er im erstmals unabhängigen Lettland
zum besten Spieler seines Landes auf. 1924 gewann er die
lettische Landesmeisterschaft und die von der neu
gegründeten FIDE ausgerichtete erste
Amateurweltmeisterschaft im Rahmen der achten Schacholympiade.
Auch in den Folgejahren errang er beachtliche Turniererfolge:
geteilter erster Platz in Bad Bartfeld 1926, dritter Platz bei
der zweiten Amateurweltmeisterschaft in Den Haag 1928 und ein
zehnter Platz bei dem sehr stark besetzten Turnier in Karlsbad
1929. Bei der Schacholympiade 1931 in Prag erreichte er am ersten
Brett für Lettland 50\% der Punkte, wobei er die Partien
gegen Weltmeister Aljechin sowie gegen Rubinstein und Vidmar
gewann. Mattison verstarb am 16. November 1932 im Alter von nur
37 Jahren in seiner Heimatstadt Riga an Schwindsucht.
Am nachhaltigsten ist Mattison der Schachwelt als
ausgezeichneter Komponist von Endspielstudien in Erinnerung
geblieben. Insgesamt veröffentlichte er ab 1911 etwas mehr
als 50 Studien, vor der Zäsur des ersten Weltkriegs in
Rigaer Zeitungen, danach in einer produktiven Schaffensperiode in
den 1920er Jahren in diversen lettischen Publikationen, aber auch
international renommierten Fachzeitschriften. Zwölf seiner
Studien sind in das erste FIDE Album aufgenommen worden.
Mattisons Studien zeichnen sich durch sehr natürlich
wirkende, mit vortrefflicher Eleganz und Ökonomie konstruierte
Stellungen aus, in denen sich ein dynamischer Schlagabtausch und
lebhaftes Figurenspiel beider Parteien entfaltet. Der Inhalt wird
häufig durch thematische Verführungen und eine
Aufteilung in mehrere Hauptvarianten angereichert, so dass diese
Werke auch heute noch frisch und modern wirken und beim
Betrachter einen ästhetisch befriedigenden Gesamteindruck
hinterlassen. Mattisons Studien sind in der Literatur gut
dokumentiert, zuvorderst sind hier die Sammlungen von Timothy
Whitworth zu nennen. Für die Auswahl der Studien für
diesen Aufsatz habe ich zwei Themenschwerpunkte gebildet, die
Mattisons Werke wesentlich kennzeichnen: Pattstudien und
Gewinnstudien, in denen der Kampf um Bauern-Umwandlungen eine
wesentliche Rolle spielt.
Nr. 3
Rigaer Tageblatt
1914
Remis (3+4)
Ein bildhübsches Spiegel-Idealpatt sehen wir in der Nr.
3: 1.Tg8! L:d6+ 2.Kc4. Wegen der Drohung 3.Ta8# muss Schwarz
nun seinen Turm opfern: 2.- Tc3+! (2.- Td4+
3.K:d4 f2 4.Ta8+ K~ 5.Ta1=) 3.K:c3 f2 4.Tg4+!
(4.Ta8+? Kb5 5.Ta1 Le5+ 6.Kd3 L:a1 7.Ke2 Ld4-+) 4.-
Ka3 5.Tg5! (5.Tg8? Le5+ 6.Kc2 f1D-+) 5.- Lb4+
6.Kc2 f1D 7.Ta5+! L:a5 patt. Nach 1.- Lh6 sichert Weiß der
noch auf dem Brett verbliebene Bd6 das Remis: 2.Kc4 Tc3+ 3.K:c3
f2 4.Ta8+ Kb5 5.Ta1 Lg7+ 6.Kd3 L:a1 7.Ke2=. 1.Kc4? scheitert an
1.- f2 2.Tf1 Tf3 3.Ta1+ Ta3 4.Tf1 Ta2-+.
Nr. 4
Schachmatny Listok
1927
1./2. Preis
Remis (2+4)
In der Nr. 4 werden mit nur sechs Steinen zwei
schöne Echopattvarianten auf das Brett gezaubert, das
feine inhaltsreiche Spiel beider Parteien zeugt von einer
perfekten Materialbeherrschung. 1.Kd2! droht
2.Tc5 samt 3.K:e2. 1.- Sc1! Verhindert, dass
der weiße Turm d3 betritt (1.- Sc3 2.Td3 Lf4+ 3.Ke1=) und droht
2.- Lf4+ 3.Ke1 Lg3+ bzw. auch sofort 2.- Lg3 samt Umwandlung
des sBe2\@. Der Kampf gegen diese Drohungen bestimmt im
Folgenden maßgeblich das weiße Spiel. 2.Tb5+
(2.Tf5? Lg3 oder 2.- Sb3+ 3.K:e2 Sd4+) 2.- Ka2
3.Ta5+! (3.Tb4? e1D+! 4.K:e1 Sd3+ -+) 3.-
Kb3! (3.- Kb2 4.Ta4 Lc7 5.Tb4+ Ka3 6.Te4=) 4.Tf5!
Nun spielbar, nachdem der schwarze König zum Block nach b3
getrieben wurde und so Sb3+ verhindert. Die schwarzen Drohungen
4.- Lg3 (5.Tf3+) und 4.- Lf4+ sind abgewehrt und Weiß droht
5.Tf2 mit Vernichtung des sBe2\@. Schwarz konfrontiert den
Weißen seinerseits mittels 4.- Ld6 mit der
analogen Drohung 5.- Lb4+. Weiß kontert mit dem Zwischenschach
5.Tf3+, wonach sich das Spiel in zwei
Varianten teilt: (1) 5.- Kb2 6.Tf2! Diese
feine Hinterstellung bzw. Vorausfesselung verhindert die
Umwandlung des sBe2. 6.- Lb4+ 7.Ke3 Lc5+ 8.Kd2
L:f2 patt (2) 5.- Ka4 6.Te3! Lf4 7.Ke1 L:e3
patt. "Geradezu genial! Wir scheuen uns nicht, ein so starkes
Wort zu gebrauchen, weil wir der Ansicht sind, dass dieses
Meisterwerk der Schachkunst schwerlich überbewertet werden
kann. Es ist schwer zu sagen, wie H. Mattison und auch andere
Meister der Schachkomposition solche Werke zustande gebracht
haben, in denen - wie im vorliegenden Fall - sich
buchstäblich alles aufs idealste ineinander fügt.
Alles erreicht einen solchen Grad der Ausgewogenheit, wie es
sonst nur in der Natur selbst, im lebenden Organismus
angetroffen wird, wo nichts Überflüssiges vorhanden und
alles aufs Vollkommenste aufeinander angestimmt ist."
(Gurwitsch, 1964, S. 60)
Nr. 5
Deutsches
Wochenschach
1918
Remis (3+4)
Die Nr. 5 zeigt "ein reines und prächtig
herbeigeführtes Zentralpatt" (Chéron, 1960, S.
347), bei dem die schwarzen Steine jeweils zwei Fluchtfelder
des weißen Königs decken. 1.Td7 (1.b7?
Tb2-+) 1.- Td2 (1.- Th6 2.b7=) 2.b7
Se4+. Befreit den schwarzen Läufer von der Deckung des
sTd2\@. Schwächer ist 2.- Sf5+ 3.Kg4 Sh6+ 4.Kf3=. 3.Kf3
La7 4.b8D+! (4.Tc7? Sg5+ 5.Kg4 Se6 6.Tc8+ Td8 7.Kf5 Kf7-+) 4.-
L:b8 5.Tb7 Sg5+ 6.Kg4 (6.Ke3? Td8-+) 6.- Tg2+
7.Kf5 Ld6 8.Tg7+! K:g7 patt.
Nr. 6
Latvia Sport
1922
Remis (4+4)
Die Nr. 6 ist die erste nicht im FIDE Album
enthaltene Studie dieses Beitrags, reiht sich aber dennoch
würdig in diese Auswahl ein, denn die Hauptvariante (HV)
mit dem spektakulären Ankerwurf im sechsten weißen Zug ist
wirklich sehenswert: 1.f7 Tf5 (1.- L:f7 2.L:f7
c:d5 3.Kd2 d4 4.Kd3 Tg4 5.Ld5+ Kf2 6.Le4=) 2.d6
(2.f8D? T:f8 3.L:g6 c:d5 4.Kd2 d4 5.Kd3 Td8-+) 2.-
L:f7 (2.- Tf1+ 3.Kd2 L:f7 4.d7 Lb3 5.Kc3=) 3.L:c6+
(3.d7? Td5-+) 3.- Kg3 4.d7 Tf1+ 5.Kd2 (5.Kc2?
Lg6+ 6.Kd2 Tf8-+) 5.- Lh5 6.Lf3!! L:f3 7.d8D
Td1+ 8.Ke3 T:d8 patt. Dazu gibt es eine weitere mit einigen
Feinheiten gespickte Variante nach 3.- Kh2 4.d7 Tf1+ 5.Kd2 Lh5
6.Ke3 Td1 7.La4 Td6 8.Kf4 Kh3 9.Ke5 Td2 10.Ke6(Kf6) Lg4+
11.Ke7=. Leider gibt es im Schlussspiel den Dual 10.Lb3 Lg4
11.Le6=, eine kleine Schwäche dieser zweiten Variante.
Nr. 7
Latvijas Šacha
Vestnesis
1924
Remis (3+3)
In der Nr. 7 scheint die weiße Lage angesichts
des gefangenen Sa8 und des "richtigen" sLf2 aussichtslos, es
gibt jedoch einen eleganten Ausweg: 1.a4! a5
(1.- Kc8 2.a5 Kb7 3.Sb6 L:b6 4.a:b6 a:b6 5.Kc3 Ka6 6.Kb4=) 2.Ke2!
Lg1 3.Kd3 Kd7 4.Kc4 Kc6 5.Sc7! K:c7 6.Kb5 Lb6 7.Ka6 Kc6 patt.
Zu beachten sind hier zwei feine Verführungen: (1) 1.Ke2?
Lg1 2.a4 Kc8! 3.a5 Kb7 4.Sb6 L:b6 5.a:b6 a:b6 und nun steht der
weiße König auf e2 (statt auf d2 wie in der obigen NV nach
1.- Kc8) und der schwarze König gewinnt die
Diagonalopposition 6.Kd3 Ka6 7.Kc3 Ka5-+. (2) 2.Kd3? Kd7! 3.Kc4
Kc6 4.Sc7 K:c7 5.Kb5 Le1!-+. Die Version von Gorgiew bereichert
Mattisons Fassung um die Lenkung des schwarzen Läufers
nach g1. (Urfassung H.M.: Ke4, Sa8, Ba2 / Kd8, Lg1, Ba7 mit der
Lösung 1.Kd5 Kd7 2.a4 a5 3.Kc4 Kc6 4.Sc7! etc., nicht
1.a4? Kc8! 2.a5 Kb7 3.Sb6 L:b6 4.a:b6 a:b6-+).
Nr. 8
Schweizerische
Schach-
zeitung
1923
2. Preis
Remis (6+8)
Die Nr. 8 ist mit 14 Steinen für
Mattisons Verhältnisse nahezu ein Schwergewicht, aber das
famose Finale mit zwei Chamäleon-Echopatts mit Fesselungen
des weißen Springers durch die schwarzen Läufer wirkt auch
heute noch außergewöhnlich und originell: 1.Th8+
Kf7 (1.- Kd7 2.Tb8 K:c7 3.T:b2=) 2.Tb8 Sb5
3.Tf8+! Kg6! (3.- K:f8? 4.c8D+ Kf7 5.Dc2 b1D 6.D:b1 Sc3+ 7.Kd3
S:b1 8.h7+/-) 4.Sf4+! (4.Tf1? S:c7 5.Tb1 Lc1
6.Sf4+ K:h6 7.Se2(Sd3) Sb5-+) 4.- Kh7! (4.-
K:h6 5.Th8+ Kg7 6.S:e6+ Kg6 7.Sf4+ =; 4.- L:f4 5.c8D b1D+
6.K:f4=) 5.Th8+! (5.c8D? b1D+ 6.Ke3 De1+ 7.Kd3
Dd1+ 8.Ke3 Df3+ 9.Kd2 L:f4+ -+) 5.- K:h8
6.c8D+ Kh7 7.Dc2. Und nun folgt die verblüffende doppelte
Schlusspointe 7.- b1D 8.Ke3+! D:c2 patt oder 7.-
b1L! 8.Sd3! L:c2 patt.
Nr. 9
Rigaer Tageblatt
1914
Gewinn (3+4)
Beschließen möchte ich das Kapitel Pattstudien mit der
kuriosen Geschichte der Nr. 9. Was hat dieses
Stück in diesem Kapitel zu suchen? Schauen wir uns
zunächst die Originalstudie von Mattison an: Kf5, Lf4,
Sd7, Bf2 / Ka1, Se1, Bg2 (4+3), Remis (?). Die (beabsichtigte)
Lösung ist: 1.Lh2 Sf3 2.Lg1! S:g1 3.Se5 Se2 4.Sf3 Sd4+
5.Kg4! S:f3 6.Kh3 g1D patt oder 6.- Se1(Sh4) 7.Kh2 Kb2 8.f4 Kc3
9.f5 Kd4 10.f6 Ke3 11.f7 Kf2 12.f8D+ Sf3+ 13.D:f3+ K:f3 14.Kg1
Kg3 patt. Eine elegante Konstruktion und Lösung ganz im
Stile Mattisons. Überraschenderweise wurde scheinbar erst 1968
festgestellt, dass diese Studie unlösbar ist, da Schwarz
nach 6.- g1S+! gewinnt (vgl. z. B. Korn, 1975, S. 99). Die
berühmten Analysen Troizkys zu dem Endspiel zwei Springer
gegen einen Bauern erschienen ja bereits 1906 in der Deutschen
Schachzeitung. Ebenfalls in 1968 wurde folgende Korrektur des
niederländischen Studienkomponisten Cornelius de Feijter
veröffentlicht (EG Nr. 11, Januar 1968, S. 299 und Nr. 12,
April 1968, S. 348): Kh8, Sd8, Bc6 / Kc4, Lc5, Se2, Bb7, c7;
Gewinn (1.c:b7 etc.). Dies ist, nach dem ersten weißen Zug, die
um 180 Grad gedrehte Stellung von Mattison mit Farbvertauschung
und Änderung der Forderung in eine Gewinnstudie mit analoger
Lösung, was aus der Not der Widerlegung 6.- g1S+ die
Tugend des weißen Gewinnzugs 7.b8S+! macht. Freilich löste
der unschöne Schlag 1.c:b7 schon bald Kritik aus. Jan van
Reek kommentierte, dass die Fassung von de Feijter nicht dem
Stil Mattisons entspreche, dessen Studien niemals
Schlagzüge in der Einleitung beinhalteten und stellte
seinerseits eine eigene Fassung der Studie vor (EG Nr. 17,
August 1969, S. 14/15). Kh8, Sa6, Bb6, c4 / Kd3, Lb8, Se2, Bc7;
Gewinn (1.b7 La7 2.Sb4+ K:c4 3.Sc6 etc. NV: 1.- Sf4 2.S:b8 Sg6+
3.Kg7 Se5 4.Sa6 Sc6/Sd7 5.Sb4+/Sc5+ und 1.- Sd4 2.S:b8 K:c4
3.Sd7 Sc6 4.Se5+, ohne den wBc4 hielte 2.- Ke4 Remis). Jedoch
sei auch diese Fassung wegen des wBc4 nicht optimal und es sei
wohl das Beste, in der Korrektur von de Feijter das einleitende
Zugpaar 1.c:b7 La7 wegzulassen. Dem stimme ich zu: am ehesten
dem "Geiste Mattisons" entsprechend dürfte die
ursprüngliche Miniaturfassung sein, die hier im Diagramm
wiedergegeben ist. Der Vollständigkeit halber nochmals die
Lösung: 1.Sc6 Lb8 2.S:b8 Sd4 3.Sd7 Sc6
4.Se5+ Kb5 5.S:c6 Ka6 6.b8S+!+/-. Damit leiten wir zu
Mattisons Gewinnstudien über, in denen der Kampf um die
Umwandlung weißer Bauern ebenfalls eine prominente Rolle
spielt.
3. Gewinnstudien
Nr. 10
Rigasche Rundschau
1914
Gewinn (4+2)
In der Nr. 10 muss Weiß den e-Bauern
hüten wie seinen Augapfel, da er sonst mit dem falschen
Läufer zurückbliebe. 1.Le3+ (1.e7?
Te1+ 2.Kf6 T:e7=; 1.Ke4?, 1.Kf5? Th1=) 1.- Kb7.
Hält die a-Linie für den Turm frei und vermeidet das
Betreten der achten Reihe. Nach anderen Zügen des
schwarzen Königs gewinnt 2.e7 schneller, z. B. 1.- Ka6
2.e7 T:a3 3.Ke4. 2.e7 T:a3 3.La7! Nur dies
pariert die schwarze Doppeldrohung 3.- T:e3+/Ta8, 3.-
Ta1 (3.- K:a7 4.Kf4 Ta4+ 5.Kf5 Ta5+ 6.Kf6 Ta6+ 7.Kf7+/-).
4.Kf4
Um 4.- Te1 mit 5.Le3 begegnen zu können, nicht 4.Ke4?
K:a7= 4.- Tf1+. Nun führen alle Züge
des weißen Königs zum Remis: 5.Kg~? Te1, 5.Ke5/Ke4? K:a7,
5.Ke3? Te1+. Es gewinnt nur das klassische Lenkungsopfer 5.Lf2!
T:f2+ 6.Ke3+/-. Die eleganten echoartigen Sperrzüge 3.La7
und 5.Lf2 machen dieses Stück zu einem wunderbaren
Kleinod.
Nr. 11
Latvis
1923
Gewinn (4+2)
Auch in der materialgleichen Nr. 11 setzen
weißer König und Läufer in einem beeindruckenden
Teamwork die Umwandlung des b-Bauern durch: 1.Lh2!
T:f2 (1.- Tf5+ 2.Le5 Tf7 3.Kc6 T:f2 4.b7 Tc2+ 5.Kb6+/-) 2.b7
Td2+ 3.Ke6! (3.Kc6? Td8 4.Lc7 Th8=) 3.- Td8.
Nun scheitert das "Probespiel" 4.Ke7? noch an 4.- Th8!=. Daher
führt Weiß seinen Läufer durch ein Pendelmanöver
nach e5 und bringt so das Feld h8 unter Kontrolle. 4.Lc7!
Th8! (4.- Tg8 5.Kf7 Th8 6.Ld6+ +/- siehe HV) 5.Le5!
Td8 (5.- Tg8,Te8+ 6.Kf7 Td8 7.Lc7+/- siehe HV). Es folgt die
Führung des weißen Königs nach f7 6.Ke7
Tg8 7.Kf7 Td8, so dass die Rückkehr 8.Lc7!
den schwarzen Turm mit 8.- Th8 zur kritischen
Überschreitung des Felds f8 zwingt und so seine Absperrung
mittels 9.Ld6+ (9.Kg7 Te8 10.Kf7 Zeitverlust)
9.- Ka5 10.Lf8 Th7+ 11.Lg7+/- ermöglicht.
Der erste weiße Zug ist nicht so leicht zu finden, da es zwei
starke Verführungen gibt: 1.b7? Tf5+ 2.Kc6 Tc5+ 3.Kb6 Tb5+
4.Ka7 Ta5+ 5.Kb8 Tf5!= und 1.Ke5? Tg4! 2.b7 Tg8=. Es existiert
auch eine Version dieser Studie mit dem schwarzen Turm auf f3
(statt f4), die im FIDE Album als Nr. 390 mit der Quellenangabe
"Latvis 1924" abgedruckt ist. Die Lösung ist ganz analog
1.Lh2 T:f2 etc. Ferner veröffentlichte Cornelius de
Feijter in Deventer Dagblad, 20.8.1949 folgende um das erste
Zugpaar abgekürzte, leicht modifizierte Version: Kd5, Lh2,
Bb6; Kb4, Tf3; Gewinn; 1.b7 Td3+ 2.Ke6 etc. Nahezu die gleiche
Stellung (mit dem weißen Läufer auf g3 statt h2)
publizierte Chéron, 1952, S. 130, als eigene
"Correction", dies sicher in Unkenntnis der Fassung von de
Feijter. Auch in Chéron, 1960, ist diese Stellung als
Nr. 42 (S. 37) als eigene "Verbesserung" enthalten. Es ist
unwahrscheinlich, dass ein Meister vom Range Mattisons diese
Möglichkeiten der Einsparung des wBf2 nicht gesehen
hätte. Möglicherweise erschien ihm in dieser
fünfsteinigen Fassung der Beginn mit 1.b7 als zu
naheliegend.
Nr. 12
Atputa
1930
Gewinn (4+3)
Kurz, aber scharf pointiert, und ausnahmsweise einmal ohne
Umwandlungsthematik ist die Lösung der Nr.
12. Hier hängen beide weißen Läufer, was also tun? 1.Td5!
T:d5 Ein Turmeinsteller? Nein, denn es folgt der
glänzende Auswahlzug 2.Le3!! (droht
3.Lf7#) und nach 2.- Tg5 (2.- Tf5 3.L:f5 d2
4.Lg4+) 3.Lf7+ holt sich Weiß den Turm durch
zwei hübsche Rückzugsmanöver wieder: 3.-
Kh6 4.Le8! (4.Kh4? Kg7=) bzw. 3.- Tg6 4.Kh2!
Die Verführungen 2.Lf4? Tg5 3.Lf7+ Tg6 4.Kh2 Kg4!=, 2.Ld2?
Tf5! 3.L:f5 patt, 2.Lc1? d2= belegen, warum nur 2.Le3 gewinnt.
Ohne den sBd3 hätte Weiß übrigens nur ein Remis
(1.Td5 T:d5 2.Le3 Tf5!=).
Nr. 13
Jaunakas Zinas
1927
Gewinn (4+4)
Die beiden folgenden Stücke zeigen systematische
Manöver des weißen Königs von großer Feinheit, die
mit sehr ökonomischen Mitteln auf das Brett gezaubert
werden. In der Nr. 13 rückt zuerst der
weiße c-Bauer vor: 1.c6 T:d6 2.c7 Tf6+. Nun
scheitert 3.Ke5? an 3.- Tf5+ 4.Kd6 (4.Kd4? Tf8 5.Sc6 Kf6 6.Sd8
Ke7-+) 4.- Tf6+ 5.Kc5 (5.Kd5? Tf8-+) 5.- Tf8 6.Sc6 Kh7 7.Sd8
Tf1 8.Sc6 Tf8=. Dieser Fehlversuch liefert auch die Erkenntnis,
dass der weiße König die Felder d1-d5 nicht betreten darf.
Nach 3.Kg3? wäre der weiße König den Nadelstichen des
schwarzen h-Bauern ausgesetzt: 3.- Tf8 4.Sc6 h4+ 5.Kg4 h3 6.Sd8
h2 7.c8D h1D=. Gleiches gilt für den Rückzugsversuch
nach g2: 3.Ke4 Te6+ 4.Kf3 Tf6+ 5.Kg2? Tf8 6.Sc6 h4 7.Sd8 h3+
8.Kg3 h2=. Der weiße König findet also nur auf g1 einen
"safe haven": 3.Ke3! Te6+ (3.- Tf8 4.Sc6 Te8+
5.Kf4+/- ist eine Abkürzung der HV) 4.Kf2
Tf6+ 5.Kg1! Tf8 6.Sc6 Te8! Kontert die Drohung 7.Sd8? mit 7.-
Te1+ 8.K~ Tc1-+. Doch jetzt folgt das große "Comeback" des
weißen Königs: 7.Kf2! Tf8+ 8.Ke3 Te8+
9.Kf4 Tf8+ 10.Ke5! Mit dem weißen Springer auf c6 kann der
Rubikon überschritten werden 10.- Te8+
(10.- Tf5+ 11.Ke4 Tf8 12.Sd8+/-) 11.Kd6 Kf6
12.Sd8 Te1 13.c8D Td1+ 14.Kc7 Tc1+ 15.Sc6.
Nr. 14
Jaunakas Zinas
1927
Gewinn (4+3)
Etwas anders akzentuiert sind die Manöver im
"Zwillingsbruder" Nr. 14. Auch hier
marschieren zunächst die Bauern: 1.e6 Te7
2.d6 T:e6 3.d7 Tf6+ 4.Kg2! Aus der vorigen Studie wissen wir,
dass die Felder e1-e5 für den weißen König "verboten"
sind: 4.Ke2? Tf8 5.Sd6 Kg6 6.Se8 Kf7=. 4.-
Tg6+ 5.Kf3! Die h-Linie ist kein sicherer Rückzugsort
für den weißen König, denn dort wird er vom Turm
gepiesackt: 5.Kh3? Tg8 6.Sd6 Ta8! 7.Sc8 Ta3+ 8.K~ Td3=, analog
scheitert 5.Kh2?(Kh1?). 5.- Tf6+ 6.Kg4 Tg6+
7.Kf5 Tg5+ 8.Ke6 Tg6+ 9.Kd5 Tg5+ 10.Kc6! (10.Kd4 Tg4+ 11.Kc3
Tg3+ 12.Kd4 Zeitverlust) 10.- Tc5+ 11.Kd6 T:c4
12.Ke5 Tc5+ 13.Ke4 Tc4+ 14.Ke3 (oder 14.Kd3) 14.-
Tc3+ 15.Kd2. Die zweite HV nach 4.- Tf8
kennen wir bereits aus der vorigen Studie: 5.Sd6
Ta8(Tg8+) 6.Kf3 Tf8+ 7.Kg4 Ta8(Tg8+) 8.Kf5 Tf8+ 9.Ke6 (9.Ke5?
Kg6=) 9.- Kg6 10.Se8 Tf1 11.d8D Te1+ 12.Kd7
Td1+ 13.Sd6. In der ersten HV kann Weiß immer in dieses zweite
Abspiel überleiten, wenn der schwarze Turm in den
Zügen 5-8 auf die Grundreihe zieht (5.- Tg8 6.Sd6 etc.,
6.- Tf8 7.Sd6, 7.- Tg8 8.Sd6, 8.- Tg8 9.Sd6). Seine Inspiration
für diese Stücke bezog Mattison möglicherweise
aus folgender Studie: V. und M. Platov, La Stratégie
1907 (Version): Ka4, Sc2, Bc6, h4 / Kg6, Th1, Ba6 (4+3),
Gewinn. 1.c7 T:h4+ 2.Sd4! Th8 (2.- T:d4+ 3.Kb3 Td3+ 4.Kc2+/-)
3.Sc6 Kf6 4.Sd8 Th4+ 5.Kb3 Th3+ 6.Kc2 Th2+ 7.Kd3 Th3+ 8.Kd4
Th4+ 9.Kd5 Th5+ 10.Kd6 Th1 11.c8D Td1+ 12.Kc7 Tc1+ 13.Sc6.
Nr. 15
Schachmatny Listok
1927/II
1.
Preis
Gewinn (5+3)
In der Nr. 15 gibt es in einer logisch
geprägten Studie einen scharf pointierten Kampf um die
Umwandlung der beiden verbundenen weißen Freibauern zu sehen.
Die wesentliche schwarze Verteidigungsidee ist die Besetzung
der Diagonale g1-a7 durch den Läufer. Weiß verhindert
dies, indem er zunächst seinen Springer besser postiert: 1.Sf7+
Kg8 2.a7 Te8 (die Zugumstellung 1.a7? Te8 2.Sf7+ scheitert an
2.- Kh7!) 3.Sd6 Td8. Nun wird die thematische
Verführung 4.b6? Ld4 5.Sc8 T:c8 6.b7 durch 6.- Tc1+!
widerlegt. Diese Verteidigung schaltet Weiß durch eine
römische Lenkung des sL zwecks Sperrung der c-Linie aus: 4.Sf5!
Lf8 5.b6 Lc5 6.Se7+ Kf8 7.Sc8! Die Kombination wird
gekrönt durch ein schönes Springeropfer, wonach die
beiden weißen Freigänger nicht mehr aufzuhalten sind: 7.-
T:c8 8.b7+/-.
Nr. 16
Rigaer Nachrichten
1922
Gewinn (4+4)
Die Nr. 16 gefällt durch einen
glänzenden Auswahlzug des weißen Königs und die
abschließende verblüffende Zugzwangstellung. 1.g7?
scheitert noch an 1.- Te5+ 2.Kf1 Te8 3.Tf3 Tg8=, daher muss
zunächst der schwarze König auf die achte Reihe
gelenkt werden: 1.b8D+! K:b8 (1.- S:b8 2.g7
Te5+ 3.Te3+/-) 2.g7 Te5+ (2.- Se7 3.Te3 Ta7
4.Kf3+/-; 2.- Ta2+ 3.Kd1 Ta1+ 4.Kc2 Sb4+ 5.Kb2+/-). Und nun
gewinnt in der Tat ausschließlich 3.Kf1!
3.Kf3? verstellt dem weißen Turm das Feld f3 (3.- Te8=), nach
3.Kf2? Te8 4.Tf3 Tc8 5.Tf7 Se5 6.Tf8 rettet Schwarz der
Huftritt 6.- Sg4+ 7.Kf3 Sh6= und nach 3.Kd2(Kd1)? Te8 4.Tf3
Td8+ 5.Kc3 Kc8 6.Tf7 g4= hat sich der weiße König zu weit
vom schwarzen Bauern entfernt, während 5.Ke1 Kc8 6.Tf7
Te8+ 7.Kf1 Kd8 8.Kg2 Se7= die rettende Annäherung des
schwarzen Königs erlaubt. Es folgt 3.-
Te8 (3.- Se7 4.Td7 Sg8 5.Td8+ Kc7 6.T:g8 Te7 7.Ta8+/-) 4.Tf3
(droht 5.Tf8) 4.- Tc8 5.Tf7! (5.Tf8? Se7=).
Schwarz hat keinen brauchbaren Zug mehr. Nach 5.- Ka8, Td8,
Te8, Tg8 oder S~ gewinnt 6.Tf8, nach 5.- Se7 6.T:e7. Dies ist
der zwingende Schluss, nachdem sich der schwarze Bauer schnell
totgelaufen hat: 5.- g4 6.Kg1 g3 7.Kg2.
Nr. 17
Schachmatny Listok
1925
1./2. Preis
Gewinn (4+4)
Die im FIDE-Album als Nr. 422 "benachbarte" Nr.
17 zeigt ein geistreiches Duell der Türme im Kampf um die
Umwandlung der weißen Freibauern: 1.b7 Tb5
2.Td8! Lg2. Nun scheitert 3.c7? an L:b7=, daher erfolgt die
Opferlenkung des schwarzen Turms mit 3.b8D!
T:b8, so dass nach 4.c7 aufgrund des
Drohzuwachses 5.c:b8D die Parade Lb7 verhindert ist. Schwarz
kämpft weiter mit 4.- Tb2+ 5.Kc1! (5.Kc3?
Tb6 6.Tg8+ Kf7 7.T:g2 Tc6+=) 5.- Tb6. Jetzt
folgt der Schlussakkord mit 6.Tg8+! (6.Td7+?
Kf6 7.c8D Tc6+ 8.D:c6+ L:c6 9.Td6+ Kg5 10.T:c6 h3=) 6.-
Kf7 7.T:g2 Tc6+ 8.Tc2.
Magyar Sakkvilág
1925
1. Preis
Gewinn (5+4)
Ähnliche Strategien sehen wir in der Nr. 18,
ein großer Kampf um die Umwandlung des weißen h-Bauern und ein
entscheidendes Tempo für den weißen König. Weiß muss
etwas gegen die Drohung Tf1+ unternehmen, ehe der h-Bauer
vorrücken kann: 1.Tb8+ K:c2. Lässt
Schwarz den wBc2 am Leben, gewinnt Weiß ohne Probleme, z. B.
1.- Ka2 2.h7 Th1 3.h8D+/-, 2.h7 Th1. Nun
scheitert die thematische Verführung 3.h8D? an 3.- L:g4+
4.K:g4 T:h8 5.T:h8 a4 6.Ta8 Kb3 7.Kf3 a3 8.Ke2 a2 9.Kd2 Kb2
10.Tb8+ Ka1=, Weiß fehlt ein Tempo zum Gewinn bzw. der weiße
König steht um ein Feld zu weit vom schwarzen König
bzw. Bauern entfernt. Weiß verschafft sich das zur Umwandlung
des h-Bauern benötigte Tempo durch zwei konsekutive
Opferzüge des weißen Turms: 3.Tb2+!
Kc1(Kd3) 4.Th2! (4.Kg3? Lg2=) 4.- T:h2 5.Kg3
Th1 6.h8D+/-. Die schwarzen Figuren stehen zu unkoordiniert,
um dem langen Arm der weißen Dame ersthaften Widerstand zu
leisten. In der zweiten HV gewinnt der weiße König das
entscheidende Tempo durch eine verzögerte Annahme des
Läufer-Opfers 2.- L:g4+ 3.Kg2! (3.K:g4?
Th1 4.h8D T:h8 5.T:h8 a4=, s. o. nach 3.h8D?) 3.-
Lf3+ (3.- Te2+ 4.Kg3 Te3+ 5.K:g4 Te4+ 6.Kf3 Th4 7.h8D geht in
die HV über) 4.K:f3 Th1 5.h8D T:h8 6.T:h8
a4 7.Ta8 Kb3 8.Ke3(Ke2) a3 9.Kd2 (9.Kd3? Kb2 10.Tb8+ Kc1=) 9.-
Kb2 10.Tb8+ samt #5.
Literatur und Quellen: Chéron, A.: Lehr-
und Handbuch der Endspiele, Bd. I, 2. Aufl., Berlin 1960;
Chéron, A.: Nouveau Traité Complet d'Échecs, Lille
1952; FIDE Album 1914-44 Bd. III, Zagreb 1975; Gurwitsch, A.,
Speckmann, W.: Meisterwerke der Endspielkunst, Berlin 1964; van
der Heijden, H.: Endgame Study Database IV, 2010; Korn, W.:
American Chess Art 250 Portraits of Endgame Study, New York
1975; Wikipedia Artikel zu Hermann Mattison, zuletzt abgerufen
am 21.7.2018; Whitworth, T.: Mattison's Chess Endgame Studies,
St. Leonards on Sea 1987, Revised Edition, Cambridge 1997.