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Heft 262, August 2013

 


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Werner Speckmann 100

von Hemmo Axt, Frasdorf

Am 21. August 2013 wäre Werner Speckmann 100 geworden.
Die älteren unter den Problemisten müssen sicher nicht besonders an ihn erinnert werden, ihnen wird es ähnlich gehen wie mir - WS war jahrzehntelang quasi ein Synonym für "Schwalbe". Sie war in nicht einfacher Situation, als er 1959 ihr 1. Vorsitzender wurde, und er blieb es für 23 Jahre, in denen er Vielfältiges und Wichtiges für unsere Vereinigung leistete. Da möchte ich nicht ein weiteres Mal in Details gehen.

Natürlich muss hervorgehoben werden die Bedeutung Werner Speckmanns auf dem Gebiet der Schachkomposition, durch seine Probleme, durch seine Beiträge vor allem auch zur Darstellung und Entwicklung der Logik, niedergelegt in vielen Publikationen, zuvorderst Strategie im Schachproblem und Das logische Schachproblem. Die jüngeren unter den Lesern möchte ich nicht nur auf diese und andere seiner Bücher verweisen, auch auf die beiden Sonderhefte 141A und 189 der Schwalbe sowie auf seine Selbstdarstellung in Caissas Schlossbewohner IV.

Selbstverständlich sollen jetzt auch Schachprobleme folgen. Ich dachte, es könnte gefallen, einen ganz kleinen Ausschnitt aus der Problemwelt seines Geburtsjahrs zu zeigen in Verbindung mit einigen Aufgaben Werner Speckmanns selbst (und nicht solchen, die man in den gerade genannten Würdigungen findet). Sicher war ja 1913 ihm nicht in die Wiege gelegt, einer der bedeutenden Problemisten seines Jahrhunderts zu werden. Und zu jener Zeit war problemschachlich immerhin schon einiges los!

(A1)
Victor Holst

Dt. Wochenschach 1913

wKg1, wTb7d1, wLa3b3, wBa2b2b4d3, sKa1, sSb1, sBa5d2d4g2

#5 (9+6)

Beginnen wir mit dem zeitlosen Inder. Wenn man in (A1) sofort versucht, die wTT auf der ersten Reihe zu verdoppeln, braucht man mindestens 3 Züge dazu wegen der sBBd2,g2 (z. B. 1.Tf7 2.K:g2 3.Tf1) und Schwarz kommt zu a5-a4:b3:a2. Zieht man Lb3 weg, so droht 1.- a4 mit Patt. Daher 1.Lg8! und auf 1.- a4? käme 2.Tf7! K:a2 3.Tff1+ Ka1 4.T:b1#, also 1.- a:b4(!) 2.Lb3! (gegen das störende 2.- b3) 2.- b:a3 3.Lg8! (deckt wieder b2) 3.- a:b2 4.Tf7! (der zweite Inder) K:a2 5.Ta7#. Ein Inder droht auf den falschen schwarzen Zug und kommt später wieder nach L-Pendelei.
Natürlich findet man bei WS viel Indisches, vor allem - wie könnte es anders sein - in Miniaturform.

(A2)
Werner Speckmann

Schachmatna Misl 1966

2. Preis

wKh4, wLe4, wSd6, wBb6, sKb8, sBg4

#8 (4+2)

In (A2) sieht man die Verstellung in größtmöglichem Abstand vom sK, mit nur 6 Steinen. Der sB kann nicht einfach geschlagen werden vom wK oder später vom wL wegen des Patts. Daher 1.Lh1! g3 2.Kh3 g2 3.K:g2! Ka8 und nun 4.Kf3 5.Ke4 6.Kd5 7.Kc6 Ka8 8.Kc7#.

(A3)
Werner Speckmann

Europe Echecs 1967 Verb.

wKh3, wTb2h4, wLb7, wSa2, wBb5, sKe3

#4 (6+1)

Dagegen gibt es in (A3) einen Inder als Vorplan: 1.Sc1? (2.Te2#) patt! Also 1.Lh1! Kd3 2.Tg2! Ke3 3.Sc1! Kf3 4.Te2#.

Beschäftigen wir uns nun mit störender Masse.

(B1)
Otto Würzburg

Pittsburgh Gazette Times
1913

wKe2, wDd3, wLd1d6, wSb8, wBc2, sKg1, sDh1, sTg2h4, sLe1, sSf1, sBd2e3f2g3g4h2h5

#8 (6+13)

(B1) bringt ein immer wieder variiertes Motiv. Die Absicht S-c6-d4, D~, Kd3 nebst Se2# ist, hintereinander ausgeführt, viel zu langsam, Schwarz spielt einfach Th3 und h4 und ist patt. Also 1.Le7! Th3 2.Lh4! T:h4 3.Dd8! Th3 4.Dh4! T:h4, und die wD ist mit Tempo weg. 5.Sc6 Th3 6.Sd4 h4 und 7.Kd3 e2 8.S:e2# (natürlich nicht 6.Kd3?? e2 7.Sd4 e:d1D/L!).
Solche konsekutive Massebeseitigung geht wohl nicht in Miniaturform.

(B2)
Werner Speckmann

Berliner Morgenpost 1958

wKf8, wDd7, wLh4, sKh8, sLc3d3, sSd6

#4 (3+4)

Dafür macht es WS in (B2) einfach - und sehr elegant. Ohne Lh4 geht sofort 1.Dh3+ Lh7 2.D:c3#. 1.Lh4~\ (2.Dh3+) wäre zu langsam, man muss direkt sein: 1.Le1! Da ja neben 2.L:c3# nun auch 2.Dh3+ droht, wäre 1.- La1/Lb2? nicht gut, 2.Dh3+ Lh7 3.Lc3+ usw. Also 1.- Le5/Lf6 2.Lc3! (deckt jetzt der sS den sL, kommt 3.L:L+ S:L 4.Dg7#) 2.- L:c3!, und der wL ist verschwunden, 3.Dh3+ Lh7 4.D:c3#. Trotzdem gibt es einen Wermutstropfen, den der Autor sehr wohl bemerkte, aber ihm ging Eleganz (Miniatur!) vor: Auf 1.- Ld4(?) geht neben 2.Lc3 auch 2.Dg4! (3.Dg8#) Lh7/Kh7 3.D:d4/Dh5#, also wenigestens eine Kurzvariante. Ein zusätzlicher sB, etwa auf f4, würde das beheben, aber der wäre halt der 8. Stein.

(C1)
Walther Freiherr
von Holzhausen

Dt. Wochenschach 1913

wKf1, wDd2, wLc1, sKa8, sBb5b6b7

#3 (3+4)

In (C1) hat man auszuwählen: 1.De2(Dc2, Dh2)? b4! 2.Lf4 b3!, 1.Dd1(Dd4)? Kb8! 2.Lf4+ Kc8! Richtig ist, mit der wD e8 anzupeilen sowie die a-Linie weiter unten mittels 1.De1! und 1.- b4/Ka7 2.Lf4 3.Da1#, 1.- Kb8 2.Lf4+ Ka7,8/Kc8 3.Da1/De8#.

(C2)
Werner Speckmann

L'Echiquier de France
1956

2. Preis

wKg8, wDd5, wLc7, wBa7, sKa8, sTb7, sLh2, sBb4c5d2d4f4

#4 (4+8)

(C2), ebenfalls mit wD und wL, aber mit mehr Material, zeigt ebenfalls zwei Fehlversuche: 1.Dc6? (2.De8+ K:a7 3.Da4#) d1D!, 1.Le5? (2.Dd8+ K:a7 3.Da5#) K:a7! Der schöne Schlüssel 1.Kh8! droht 2.Dg8+ K:a7 3.Da2#, und 1.- b3/c4 2.Dc6/Le5! usw.

Natürlich gab es schon 1913 schwalbenähnliche Vorplangeschichten.

(D1)
David Przepiórka

Dt. Wochenschach 1913

wKc8, wDh7, wLf1, wBd7, sKa8, sDh2, sTh1, sLg3, sSb2f2, sBa7b6c7d2e7g5h4

#5 (4+13)

In (D1) scheitert 1.La6? (2.Lb7#) an 1.- Dg2. Man kann die große Diagonale mit 1.De4+!? S:e4 stopfen, aber nun geht 2.La6? auch nicht wegen 2.- Sc5/Sd6!, ein Gruß aus Dresden. Also müssen c5/d6 noch verstopft werden: 1.Dc2! (2.Dc6#, 1.- Dg2? 2.L:g2+!) c5 2.Dg6! Ld6 (nicht andersherum 1.Dg6? Ld6 2.Dc2 Lc5!) und nun 3.De4+ S:e4 4.La6 5.Lb7# Das wirkt doch erstaunlich modern!

(D2)
Werner Speckmann

Die Schwalbe 1960

1. Preis

wKc7, wDb3, wLb6, sKa6, sTf4h4, sLe2, sBb5c5c6f6h5

#4 (3+9)

(D2) zeigt eine komplette Schwalbendame (der wL deckt hier nur statisch). Nach 1.Dg8? b4! ist c4 noch zweimal direkt und einmal indirekt (durch Th4) gedeckt. 1.Da2+? Ta4 ist verfrüht, 2.Dg8? b4! 3.Dc4+? geht immer noch nicht, und auch 2.De6? (Lg4? 3.Dg8!) b4! 3.D:e2+ (Tb4? 4.D:b4#) b4! scheitert. Man muss andersherum angreifen: 1.De6! (2.Dc8#) Lg4 2.Da2+ Ta4 3.Dg8! (4.Da8#) b4 4.Dc4# (3.- Lc8 4.D:c8#), und 1.- b4 2.D:e2+ T/Bc4 3.Da2+ Kb5 4.Da5#. Ein meisterhaft hingestellter Meredith.

Immer wieder bis heute wird das Schema mit zwei weißen Türmen bearbeitet, die den sK in die Enge treiben, meist am Rand.

(E1)
Walther Freiherr
von Holzhausen

Dt. Wochenschach 1913

wKh6, wTf1f3, wBg6, sKc2, sTa2, sBa4

#5 (4+3)

1913 machte das beispielsweise Walther von Holzhausen in seiner bemerkenswerten Miniatur (E1). Zunächst stehen sich die weißen Türme im Weg. Nach links auszuweichen ist nicht gut, denn man gerät zu nah an den sK. Und wenn Schwarz Tb2 gespielt hat, dürfen sich die wTT nicht mehr behindern, sonst kann der sT nach oben ausweichen und mit Schachgeboten drohen. Nach zwei Paaren von Versuchen - 1.Tg3 Tb2! (2.Tg2+? Kb1 3.Tf1+ Ka2!) 2.Th1 a3! bzw. 1.Th1 Tb2! 2.Tg3 a3! und 1.Th3/Tg1 Tb2! 2.Tg1/Th3 a3! - sieht sich Weiß überraschend im Zugzwang, einer der Türme müsste auf die f-Linie zurück, und nun nicht 3.- T~\ (öffnet die Linie nach b2) oder 3.- a2 (blockt), vielmehr antwortet Schwarz mit 3.- Kd2!, etwa nach 1.Tg3 Tb2 2.Th1 a3 3.Tf3 Kd2! 4.Tf2+ Ke1!. Also zwei neue Versuchspaare: 1.Tg3/Th1 Tb2 2.Th3/Tg1 a3? 3.Tg1/Th3 bzw. 1.Tg1/Th3 Tb2 2.Th1/Tg3 a3? 3.Tg3/Th1, in denen jedesmal ein wT einen Tempozug unterbringt. Jetzt aber spielt Schwarz 2.- Kd2!, worauf der untere wT auf der zweiten Reihe schachbietet und danach den sT schlägt. Aber welche Zugfolge funktioniert? Nach 3.T~2+ Ke1 4.T:b2 geht 4.- Kf1!, womit er entweder den wTg2 angreift oder 5.Tg1# verhindert. Vor dem 5. Zug muss ein wT auf h3 stehen! Damit hat man es: 1.Tg3! Tb2 2.Th3! a3 3.Tg1 T~/a2 4.Tg2+ 5.Th1#, 2.- Kd2 3.Tf2+ Ke1 4.T:b2 5.Th1#, sofort 1.- Kd2 2.Tf2+ Ke1 3.T:a2 Kf1 4.Tc3! 5.Tc1#. Das ist wohl ein intellektueller Kraftakt, schon vor 100 Jahren war der virtuelle Inhalt eines Schachproblems mindestens so wichtig wie die nackte Lösung.

WS hat mit zwei wTT vielmals operiert und damit die unterschiedlichsten logischen Motive dargestellt.

(E2)
Werner Speckmann

Die Schwalbe 1969

3. Ehr. Erw.

wKa8, wTf3h3, sKe1, sSe7

#4 (3+2)

Zunächst möchte ich den sehr eleganten Fünfsteiner (E2) bringen. Klar ist ja, wie man mattsetzen möchte; dabei muss aber das Eingreifen des sS berücksichtigt werden. Zum Beispiel legt man sich mittels des plausiblen 1.Th2? zu früh fest, es ermöglicht 1.- Sd5! 2.Tb3/Ta3 Sc3! 3.T:c3 Kd1! oder 3.Tb/a1+ Sd1. Mittels 1.Tb3! stellt man Symmetrie her (überraschenderweise, oft ists ja gerade umgekehrt, man spielt asymmetrisch), um die entsprechenden Züge des sS zu kontern: 1.- Sd5 (2.Th2? Sc3!) 2.Tb2! Se3 3.Thh2! (schon wieder Symmetrie!) nebst Matt; entsprechend 1.- Sf5 (2.Tb2? Sg3!) 2.Th2! Se3 3.Tbb2! Und warum nicht 1.Ta3? Weil dann 1.- Sd/f5 2.Ta/h2 Se3 3.Th/a2 Sc2! folgen kann.

(E3)
Werner Speckmann

Die Schwalbe 1951

1. Preis

wKh6, wTc8e7, wBe2g4, sKf6, sLc2h4, sBa4b3c4e3e4g3g5h7

#6 (5+11)

Zum Abschluss nun (E3). Hierzu zitiere ich den neudeutschen Kollegen Herbert Grasemann (aus Problemschach, Sportverlag Berlin 1955): "(Der Autor) erteilt eine eindringliche Lektion über die virtuose Handhabung der Türme. Die sonst so schwerfälligen Gesellen wirken hier beinahe graziös." Der Hauptplan ist 1.Tce8 2.Te5 (3.Tf5#) Kf7 3.Th8, was aber zunächst erfolgreich gestört wird durch 1.- b2! und 3.- b1D, und 4.Tee8? Db4/Db6+! Durch Vorpläne muss der Schwarze beschäftigt werden. 1.Tee8! (heute nennt man das Antizielelement - der falsche Turm zieht zunächst nach e8), das droht allerdings (etwa auf 1.- b2) 2.Tc6+ Kf7 3.Th8! Ke7(!) 4.T:h7+ Kd8 5.Tg6! 6.Tg8#, daher 1.- Kf7! 2.Te5! (droht 3.Tc7+ Kf6 4.Tce7 5.T5e6#) 2.- Kf6 3.Tce8! - plötzlich hat man ein Tempo gewonnen - 3.- Kf7 4.Th8 5.Tee8 6.Thf8#. Weiter Herbert Grasemann: "Was diese Aufgabe für den Löser so ungewöhnlich schwierig macht, sind neben den Verführungen die verschiedenen langzügigen Drohungen, bei denen die horizontale und vertikale Wirkungskraft der Türme in sinnverwirrender Weise miteinander abwechseln... Fasst man die in zwei Etappen zerlegte Bewegung Tc8-e8-h8 als strategische Einheit auf, so liegt thematisch gesehen eine weiße Holzhausenverstellung vor, der die vollständige Antiform folgt."

Durch sein kompositorisches Schaffen ist uns Werner Speckmann immer gegenwärtig.


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