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Heft 254, April 2012

 


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Den Inhalt durch die Form vertilgen

Dem Künstler Herbert Ahues zum 90. Geburtstag

von Daniel Papack, Berlin

Die Einreihung des Problemschachs bei den Künsten, gar den schönen, ist wohl vermessen; unbestritten dürfte jedoch bleiben, daß viele großartige Aufgaben Autoren zu verdanken sind, die mit künstlerischer Sensibilität zu Werke gehen.

Zu diesen Meistern mit feinem Formgefühl zählt gewiß unser Jubilar, der seit einem Dreivierteljahrhundert - sein erstes Problem publizierte er im Alter von knapp 15 Jahren - abseits von Tagesmoden einen einzigartigen, zeitlosen Kompositionsstil pflegt. Mit erstaunlich leichter Hand und einem phänomenalen Gespür für das "richtige Schema" gelingt es Herbert Ahues, die widerstrebenden Kräfte des störrischen Figurenmaterials zu einer dynamisch-harmonischen Einheit aufs Spielbrett zu bannen. In seinen besten Werken wirkt nichts konstruiert, das Thema entfaltet sich schnörkellos und wie beiläufig; das Nebenspiel - organisch mit der Gesamtmechanik verflochten - ist kein bloßes Beiwerk oder gar Konstruktionsbehelf, sondern puffert die Spannung des Hauptgeschehens harmonisch ab und sichert die optimale Entfaltung der weißen Kräfte.

Bei diesen Schöpfungen von Herbert Ahues kommen dem Laudator die Worte Friedrich Schillers in den Sinn, wonach "das eigentliche Kunstgeheimnis des Meisters darin besteht, daß er den Stoff durch die Form vertilgt".

Drei Kompositionen, die dem Gratulanten gerade unter dem künstlerischen Gesichtspunkt besonders eindrücklich erscheinen, sollen zur Ehre des Jubilars nochmals ins Scheinwerferlicht gerückt werden.

(1) Herbert Ahues

Tidskrift för Schack 1949

2. Preis

wKa3, wDb4, wTc3h5, wLg4, wSf2, wBh2, sKf4, sDa8, sLb1d6, sSc5d4, sBa4d7

#2 (7+8)

(1): 1.Tg3! (2.Dd2) 1.Sc~ 2.D:d6 [1. Grad], 1.- Sb7!/Sd3! 2.Tf3/Tf5 [2. Grad], 1.- Se4!! 2.Sh3 (2.Tf3?/Tf5?) [3. Grad]

(2) Herbert Ahues

Deutsche Schachblätter
1983/84

1. Preis

wKh6, wDg1, wTb3g8, wLb5, wSc7d7, wBd5, sKd4, sLa7g2, sSb1e3, sBb6d3e4

#2 (8+8)

(2): 1.Tg5? (2.Se6) Lh3!; 1.Tg4? (2.T:d3) Lf1!; 1.Tg3? (2.D:e3) Lf3! [2.Dg7?]; 1.Ta8! (Zugzwang) 1.- Lg~/Lb8/Sb~/Sc3/d2 2.Dg7/Ta4/Da1/Tb4/D:e3

(3) Herbert Ahues

Problem-Forum 2005

1. Preis

wKb1, wDg6, wTe4, wLb5g7, wSd1g5, wBc2d4, sKd5, sTc7h3, sLa3f1, sSd3h6, sBd6d7f2g2

#2 (9+11)

(3): 1.T~? (2.De4) Sc5!; 1.Te6!? Sc5/Sf5! 2.T:d6/(Df7?); 1.Te3!? Sc5/Th4! 2.Sc3/(Se3?); 1.Te2! Sc5/Th4/Sf5 2.c4/Se3/Df7

Das Stück aus der Nachkriegsperiode ist ein thematisches Schulbeispiel von geradezu umwerfender Klarheit. Mit bezwingender Logik und frei von akademischem Staub demonstriert der Lösungsverlauf graduelle Wertsteigerungen in der Verteidigung. Die elegante Präzision der Darbietung verdeckt die eigentliche Kompliziertheit dieser Kompensationsstrategie.

In den 1980er Jahren, als die Entwicklung der paradoxen Ideen, der Buchstabenschemata und komplexen Mechanismen an Schwung gewann, veröffentlichte Herbert Ahues in den Deutschen Schachblättern eine Aufgabe, die in ihrer thematischen Schlichtheit und außerordentlichen Schönheit dem Zeitgeist spottete. Zur Faszination dieses Problems wollen wir nochmals den Dichterfürsten in Ergänzung seines obigen Zitates bemühen: "In einem wahrhaft schönen Kunstwerk soll der Inhalt nichts, die Form aber alles tun."

Zu Beginn des neuen Jahrtausends deutet sich in einer Vielzahl von Publikationen bereits ein Bröckeln der Konventionen an; artifizielle Entwürfe mit überbordernder Thematik verstören das Publikum und befremden mit ihren Beipackzetteln auch den Kenner. Wiederum setzt der mittlerweile über achtzigjährige Meister erfolgreich einen weiteren Markstein gegen den Trend. Der alten Idee, schwarzes Linienspiel zu thematisieren, ringt der Autor Originelles ab und leiht ihr mit subtilen Akzenten im klassischen Verführungsspiel eine neue Attraktivität.


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