Heft
43 (Februar 1977) bis Heft 230 (April 2008). Mit diesen Daten verbunden
mit einem riesengroßen Dankeschön könnte sich ein Tribut
an Günter Lauinger im Grunde begnügen. In Heft 43 (S. 11-12) verabschiedete
sich der damalige Sachbearbeiter bernd ellinghoven unter Hinweis auf das Studium
und vor allem meine zeitraubende Mitarbeit bei feenschach" und freute sich:
(...) ist es mir gelungen, einen (wie ich meine) sehr geeigneten Nachfolger
zu finden: Günter Lauinger. (...) Ich hoffe, daß es in Zukunft wieder
regelmäßig in der Schwalbe eine Retro-Ecke gibt, denn die fast einjährige
retrolose Zeit war mehr als bedauerlich. (...) Günter Lauinger ist eigentlich
noch gar nicht so lange beim Problemschach, doch hat er schon früh eine Vorliebe
fürs Retroanalytische und Schachmathematische entwickelt. Ich wünsche
Dir, lieber Günter, daß Du (...) die Schwalbe-Retro-Abteilung auf einem
permanenten Höhenflug halten kannst." Alle
diese Wünsche gingen auf das Erfreulichste in Erfüllung: Günter
Lauinger brachte das Retro in der Schwalbe zu einer nie geahnten Blüte, er
machte unsere Zeitschrift zum Motor eines sich atemberaubend rasch entwickelnden
Genres. Der Aufschwung des Retros vom Mauerblümchen und Silvesterscherz zu
einem der innovativsten und attraktivsten (wenngleich nie einfach zu bewältigenden)
Teile des Problemschachs wurde über mehr als 31 Jahre hinweg von Günter
Lauinger dirigiert und inszeniert. Die kreativen Explosionen von Komponisten wie
Michel Caillaud, Wolfgang Dittmann, Andrej Frolkin, Nikita Plaksin und vielen
anderen waren erst möglich auf dem gesicherten Grund, den Günter Lauinger
dem Retro in einer angesehenen Zeitschrift wie der Schwalbe verschaffte. Das Luxus-Problem,
das die PCCC der FIDE derzeit plagt daß so viele erstklassige Probleme
in die FIDE-Alben drängen , hat er durch seine Schwalbe-Redaktionstätigkeit
mit verursacht. Günter
Lauingers Wunsch, daß die Retrospalte eine eigenständige Rubrik der
Schwalbe bleiben und einen von anderen Sparten unabhängigen Bearbeiter besitzen
soll, kann auf diesem Hintergrund natürlich leicht und gern erfüllt
werden. (Das Erbe, das Thomas Brand antritt, ist gewiß nicht leicht zu schultern.) Günter
Lauingers Rücktrittsgesuch ist lesenswert: "Obwohl ich nach inzwischen
31 Jahren meinen Rentenwunsch wohl nicht unbedingt begründen muß, will
ich doch ein paar Takte dazu sagen: Beruflich war ich ja schon immer im Streß
(mit vielen Dienstreisen, das ist auch der Grund dafür, daß ich mich
bei den Problemistentreffen so rar gemacht habe, man ist einfach auch gerne mal
daheim). Aber es kommt nun auch noch eine nicht unerhebliche familiäre Belastung
hinzu. Und dann gibt es einige weitere zeitaufwendige Hobbys, wie z.B. Astronomie
mit der gelegentlichen Ausarbeitung von eigenen Vorträgen, naturwissenschaftliche
Vorträge an der Volkshochschule und in unserem 'Firmen-Campus', naturwissenschaftliche
Literatur, Videobearbeitung, Reisen, Aufbau einer Modelleisenbahn (im Anfangsstadium)
usw. usw." Ihm wird es also auch als Schwalbe-Rentner nicht langweilig werden,
aber wie sollen die Leser sein Ausscheiden verkraften? Ich entsinne mich, daß
ich die Schwalbe seit 1977 regelmäßig bekam, und schon damals stand
"Lauinger" hinter/über der Retrospalte, die mich am meisten interessierte.
Günter Lauinger verstand es, das Interesse für seine Abteilung zu wecken
notfalls auch mit ungewöhnlichen Fördermaßnahmen, die er
damals für einen armen Gymnasiasten in Gang zu setzen wußte: Elegant
ermöglichte er es, daß in jedem Heft entweder ein Urdruck oder eine
Lösungsbesprechung zu einem Problem von mir abgedruckt wurde, so daß
ich bis zum Zwangseintritt 1979 von Frau Speckmann eingeleitet, die den
Überblick über die Akten, insbesondere auch von den Sachbearbeitern
(ich übernahm damals die Märchenschach-Abteilung) besaß
die Schwalbe als permanente Belegheftlieferung bezog.
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Günter
Lauinger Die Schwalbe 1979 |
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e.p-Schlag
vor 3 Zügen
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(13+11)
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Verteidigungsrückzüger Typ
Proca
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Das
war nicht der letzte bleibende Eindruck, den Günter Lauinger auf mich machte,
denn gemeinsame Fahrten zu Tagungen (etwa der spektakulären Schwalbetagung
in Bad Gandersheim) oder Nach-Andernach-Zelt-und-Camping-Reisen stehen ebenso
vermerkt wie die kleine, aber feine "RRR", die Ravensburger Retro-Runde
(Günter Lauinger, Hans-Heinrich Schmitz und ich). Es war aber auch nicht
der erste große Einfluß, den Günter Lauinger auf mich ausübte
denn die Schwalbe-Tagung, die er 1978 in Ravensburg organisierte, war mein
erstes Schachtreffen überhaupt, und fast alle meine alten Bekannten lernte
ich dort kennen (z.B. bernd ellinghoven, Hans Peter Rehm, Stephan Eisert, Hilmar
Ebert oder Gerhard E. Schoen), aber auch viele der inzwischen verstorbenen Größen
des deutschen Problernschachs (z.B. Werner Speckmann, Friedrich Burchard, Fritz
Giegold oder Hans-Hilmar Staudte). Das von Günter Lauinger gemachte Angebot,
die Schwalbetagung demnächst wieder in Ravensburg zu veranstalten, wäre
daher ein autobiographisches Highlight ohnegleichen für mich. Viel zu wenig
Aufmerksamkeit und Würdigung hat der hervorragende Retro-Komponist Günter
Lauinger bisher erfahren. Dabei ist er in vielen Sätteln zuhause: Klassische
Retros, Kamikaze-Retros, Verteidigungsrückzüger, Last Move-Rekorde u.v.a.m.
(ein Beispiel ist im Diagramm gedruckt: R: 1.0-0 b7-b6/c7-c6 2.Th6-d6 c7-c6/b7-b6
3.f4:Bg5 & v: 1.h:g6 e.p.) nun: Die Sachbearbeiterrentenzeit wird er
hoffentlich auch dazu nützen, es der Welt zu zeigen, was er auf dem Kompositions-
und Konstruktionsbrett zu bieten hat. Darauf dürfen wir gespannt sein.
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Als
mir das Preisrichteramt nach dem Tod von Alois Johandl angetragen wurde, tat ich
mich mit meiner Zusage schwer, weil ich eigentlich wenig Talent für ein solches
Amt verspüre. Preisrichterei und Schulmeisterei liegen dicht beieinander,
und der persönliche Geschmack eines Preisrichters erweist sich im Rückblick
oft als trügerisch, wie sich durch viele Beispiele belegen ließe. Für
den Verstorbenen einzuspringen, den ich bei seinen Berlin-Besuchen näher
kennen gelernt habe, war letztlich eine Ehrenpflicht. Unter den 32 Aufgaben
des Jahrgangs waren aus meiner Sicht leider nur wenig Spitzenstücke. Michael
Herzbergs Bearbeitung des Johandl'schen Karussell-Themas (12461) hätte (in
der Version des Urdrucks Heft 214, S. 210) sicher Eingang in diesen Bericht gefunden.
Da es ein lustig-beschwingtes Thema ist, mag ich mich mit dem Schlagschlüssel
der ursprünglichen Fassung nicht anfreunden. Der Urdruck kommt - auch im
weißen Figurenmaterial - dem Wesen des Themas näher. Aber er gehört
ja schon in den nächsten Jahrgang. Unter den Aufgaben gab es einige Kraftakte,
die ich aber letztlich nicht berücksichtigt habe. Nr. 12390 ist vom Konzept
zwar groß angelegt, Schlüssel und Variantengestrüpp werfen jedoch
viele Fragen auf und zeigen die Grenzen der Realisierbarkeit auf. Nr. 12388 bietet
mit ihrem Reziprokwechsel nur Scheineffekte, denn in welcher Reihenfolge sich
D/T und L verdoppeln und opfern, ist letztlich strategisch ohne Belang. Diese
Beispiele will ich nicht anprangern, sie sollen lediglich einige Auswahlkriterien
skizzieren. Aus dem Angebot habe ich die folgenden 7 Aufgaben ausgewählt,
wobei ich auf epische Inhaltsbeschreibungen (der Leser findet sie ja in der Lösungsbesprechung)
zugunsten von Wertungskriterien verzichtet habe.
1.
Preis: 12391 Igor Jarmonow Die Schwalbe |
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2.
Preis: S. 434, Nr.3 Marcel Tribowski |
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1.
Ehr. Erwähnung:12459 Alois Johandl ()
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#9 |
(4+15) |
#4 |
(7+15) |
#8 |
(7+11) |
1. Preis: Nr.
12391 von Igor Jarmonow Ein
makellos gestaffeltes Vorplanproblem, Inhalt und Form sind ausgelotet. Im weißen
und schwarzen Spiel finden sich harmonische Elemente (Blockfelder e6 und a5),
die den Mechanismus der Aufgabe bestimmen. Auch das Finale ist sehenswert. Kurzum,
ein überzeugendes und ästhetisches Stück, das anzuschauen und zu
lösen Freude bereitet. 1.Ld7? f5!; 1.Lf5? c3!; 1.Lg4? g1=S!; 1.Le6!
Ta5 2.Lg4 Ta3 3.Lf5 Th4 4.Ld7 Ta6 5.Se6 La5 6.Lb6 a:b6 7.Sc7+ Ka7 8.Sb5+ Ka8
9.Lc6#
2.
Preis: S. 434, Nr. 3 von Marcel Tribowski Der vielseitige und ideenreiche
Autor präsentiert mit seinen weißen Hamburgern das originellste Stück
des Turniers. Obwohl er sich mit seinem 1. Preis im HPR 60-Turnier noch zu steigern
vermochte, ist diese Aufgabe durchaus eigenständig, so daß es mit Blick
auf die Turnierkonkurrenz keinen Grund gibt, ihr die Auszeichnung zu verwehren.
Vierzüger tun sich in einem Mehrzügerturnier gewöhnlich schwer,
weil sie dem Dreizüger näher stehen. Umso erfreulicher, wenn sich gehaltvolle
Stücke wie dieses auf dem Langstrecken-Terrain behaupten können.
1.Dc5/Dc7? [2.c:b3+] Sd7/Sd5!; 1.Sfg3! [2.S:e2+fTh1] f:g3/g:h4 2.Dc5/Dc7 Sd7/Sd5
3.T:d7/T:d5 b:c2 4.De3/D:f4#
1.
Ehrende Erwähnung: Nr. 12459 von Alois Johandl () Ein Geistesblitz
des Altmeisters, wie immer humorvoll und unterhaltsam. Schwarzer Kraftzuwachs
(2 Umwandlungsdamen) und weiße Verstellung der Mattfigur nutzen dem Schwarzen
gar nichts der Löser schmunzelt! Alois Johandl hat durch viele Ideen
und Aufgaben die Problem weit bereichert. Lösernahe und ausgewogene Stücke
wie dieses werben für das Kunstschach. Es muß gar nicht immer schwere
Kost sein. 1.g6? Tg1! 2.g7+ T:g7 3.f:g7+ Ke7!; 1.Lc3 b1=D 2.Td4 d1=D 3.g6
Tg1 4.g7+ T:g7 5.f:g7+ Ke7 6.g8=S+ Kf8 7.Td8+ D:d8 8.Lg7#
2.
Ehr. Erwähnung:12325 Michael Herzberg |
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3.
Ehr. Erwähnung: 12456 Waleri Schawyrin |
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Lob:
12323 Waleri Kirillow Michail Mischko |
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#13 |
(8+9) |
#4 |
(11+12) |
#9 |
(8+11) |
2. Ehrende Erwähnung:
Nr. 12325 von Michael Herzberg Solide
Mehrzügerkost mit einwandfreier Logik. Der Mechanismus ist - wie bei den
meisten Mehrzügern - freilich bekannt. Ein etwas farbigeres Finale hätte
die Aufgabe aufgewertet. 1.Lg6? - 2.Sd8+ L:d8 3.Le8+ Kd6!; 1.Lc2! Lc4 2.La4+
Lb5 3.Ld1 Lc4 4.Lf3+ Ld5 5.e4 Lb3,Lc4 6.e5+ Ld5 7.Ld1 Lc4 8.La4+ Lb5 9.Lc2 Lc4
10.Lg6 Sf8 11.Sd8+ L:d8 12.Le8+ Sd7 13.L:d7#
3.
Ehrende Erwähnung: Nr. 12456 von Waleri Schawyrin En-passant Spiel
mit dresdnerischen Beigaben, Blockeffekten und guter Drohung. Da ist eine ganze
Menge drin, die vielen Bauernzüge machen die Sache aber etwas starr und die
Symmetrie stört ein wenig, aber das 2-Varianten-Schema gibt wohl nichts anderes
her. 1.d4? e:d3 e.p. 2.f4 Dc3!; 1.f4? e:f3 e.p. 2.d4 D:g3!; 1.c3! [2.Te5+
K:e5 3.Te7+ Kd5 4.Lf7/L:e4#], 1.- b:c3 2.d4 e:d3 e.p. 3.f4 Ld6 4.Sd8#, 1.- S:g3
2.f4 e:f3 e.p. 3.d4 S:f5 4.Lf7#
Lobe
ohne Rangfolge Lob: Nr. 12323 von Waleri Kirillow & Michail Mischko Ein
bekanntes Schema erfährt durch ein reizvolles TT-Duell mit dem Ziel, dem
sL nach dem Zug Tc4 den Weg nach d3 zu versperren, seine Aufwertung. Das alles
ist für den Löser etwas schwierig und schwerblütig und fordert
analytische Geduld, ist aber nicht ohne Finesse. 1.Td2? Te2! 2.Td8 La6
3.7d! Lc4!; 1.Td1! [2.Tc4 3.Td8 Ld7 4.T:d7 Te3 5.Te4+ T:e4 6.Sd3#] Te1! 2.Td8
La6 3.Td2 Lc8 4.Tc4 [5.Td8] Te3 S.Td1 Te1,Te2 6.Td8 Ld7 7.T:d7 Te3 8.Te4+ T:e4
9.Sd3#
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Lob:
12198 Ulrich Auhagen |
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#7 |
(2+4)
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Lob: Nr. 12198 von
Ulrich Auhagen In diesem Turnier konkurrierten einige "Miniaturen"
(ich halte von dieser Klassifizierung im Mehrzügerbereich nichts, denn mit
steigender Zügezahl läßt sich leicht Material sparen, meist auf
Kosten der Prägnanz einer Idee), aber diese Kleinigkeit hat genügend
Pfiff. Nicht nur die Schachprovokation im Schlüssel, sondern auch der überraschende
side-step der Dame nach b5 bieten genügend Effekte, die man im 6-Steiner
eigentlich nicht erwartet. 1.Kf3! [2.Dh3+] d1=D+ 2.Kg3+ Df3+ 3.K:f3 [4.D:d3+]
Ke1 4.Db5 Kd2 5.Db2+ Kd1 6.Kf2 d2 7.Db1# Wilhelmshorst, August 2005.
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