Heft 307, Februar 2021

Todesfälle

Zwei Todesfälle trübten den Jahreswechsel. Nach längerer Krankheit verstarb Günther Weeth (13.8.1935-28.12.2020). Mit ihm verliert die Schwalbe und insbesondere die Retro-Gemeinde einen unermüdlichen Kämpfer, der sich mit viel Engagement auf Anticirce-Verteidigungsrückzüger spezialisiert und intensiv mit Wolfgang Dittmann und Klaus Wenda zusammengearbeitet hatte. Ein ausführlicher Nachruf auf ihn wird im nächsten Heft erscheinen.

Auch Yoav Ben-Zvi (3.6.1957-31.12.2020) aus Jerusalem war auf Retros spezialisiert; als er 2012 in den Ruhestand ging, entdeckte er seine alte Liebe zum Problemschach neu und wurde auch Schwalbe-Mitglied. Weitere Informationen über die beiden Verstorbenen sind in Thomas Brands Retro-Blog zu finden.

Kalenderblatt

Als vor Jahren in der Schwalbe ein Geburtstagsartikel für den unvergessenen Hans-Heinrich Schmitz erschien, bedankte der sich und fragte kritisch nach, weshalb ihm diese Ehre widerfahre, aber anderen verdienten Mitgliedern wie beispielsweise Artur Mayer (13.2.1916-16.1.1996) nicht. Ich musste passen, weil mir der Name nicht geläufig war. Es waren Recherchen nötig, um herauszufinden, dass der vor nunmehr 25 Jahren verstorbene Artur Mayer, der genau einen Tag jünger als HHS war, ab 1949 in der Nachfolge von Wilhelm Hagemann als Lösungssachbearbeiter tätig war. Diese eher im Hintergrund ablaufende Arbeit führte Mayer fast ein Jahrzehnt lang fort bis zur Schwalbe-Krise von 1958, als ein Jahr lang kein Heft mehr erschien. Er scheint nicht komponiert zu haben, denn weder in der Schwalbe noch in der PDB sind Aufgaben dieses Autors geführt. So gehörte er wohl zu den ruhig im Hintergrund arbeitenden Mitarbeitern, ohne die eine Vereinigung wie die Schwalbe nicht funktionieren kann.

Ernst Otto Martin

Basler Nachrichten 1955

2. Preis

wKg1, wDa6, wTg2, wLa8, wSf5, wBa7d2g3h3, sKf3, sDf6, sTe4, sLb1b2, sSa3h1, sBb5c3

#3 (9+9)

Der Leipziger Ernst Otto Martin (19.1.1886-14.1.1971) erlernte das Schachspiel mit 17 Jahren, nur ein gutes Jahr später publizierte er schon sein erstes von insgesamt etwa 700 bis 800 Problemen. Er komponierte in allen Genres (einschließlich Retros und Studien), ein besonderes Kennzeichen seiner Probleme lag in der Löse-Schwierigkeit. In seinem Baseler Preisträger wird der Brennpunktstellung der schwarzen Dame in eindrucksvoller Weise zu Leibe gerückt; nicht etwa grob durch 1.D:f6 mit den Drohungen 2.Sd,h4# (denn nach 1.- c:d2 hat Schwarz das Fluchtfeld e3). Zum Ziel führt 1.De6! mit der stillen Drohung 2.Df7 (nebst 3.Dh5 oder S~#). Nach 1.- Dh8 behält die schwarze Dame beide Brennpunkte im Auge, aber Weiß setzt wiederum mit einem feinen Zug fort: 2.Dg8!\ (droht 3.Dg4#), wonach Schwarz sich der Drohungen nicht mehr erwehren kann. Vor 50 Jahren ist der Autor verstorben.

Bernhard Rehm

Die Schwalbe 1970

wKf1, sKe3, sLg1, sDUb2f3

s#12 \set (1+4)

Bernhard Rehm (14.1.1899-26.1.1971) war ein begeisterter Freund des Märchenschachs und ein produktiver Komponist, der nach Schätzung seines nicht mit ihm verwandten Namensvetters Hans Peter Rehm etwa 1200 bis 1500 Probleme komponierte. Neben Längstzügern und Hilfsmatts reizten ihn besonders Märchenfiguren, die neuartige, im orthodoxen Schach unmögliche Effekte ermöglichen, wie der häufig von ihm verwendete Grashüpfer. So auch in der Beispielaufgabe, in der der weiße Rex solus einen großen Tanz hinlegen muss, um am Ende das parat liegende Satzmatt 1.- Lf2# zu erreichen (Im Schachzickzack zieht Schwarz nur, wenn er Schach bieten kann): 1.Kg2 Lf2+ 2.Kh3 Lg3+ 3.Kg4 4.Kf5 Lf4+ 5.Ke6 8.Kb3 9.Kc2 10.Kd1 11.Ke1 Lg3+ 12.Kf1 Lf2#.

Ludvik Štěpán

Problem 1956

wKe1, wDc6, wTb3f1, wLc1e2, wSd6g4, wBd5, sKd4, sBe6

s#5 (9+2)

Der tschechische Komponist Ludvik Štěpán (7.2.1904-13.1.1971) komponierte überwiegend Märchenschachprobleme (ein Begriff, der damals auch noch Hilfs- und Selbstmatts umfasste); auf diesem Gebiet gewann er in den 1960er Jahren auch eine tschechische Meisterschaft. Ilja Mikan hat ihm in seiner Galerie-Reihe ein Heft (No. 10, 1972) gewidmet mit biographischen Angaben, die sich mir sprachlich leider nicht erschließen, und mit mehr als 200 seiner Probleme. Daraus eine Aufgabe, die auch Eingang ins FIDE-Album fand: 1.Tb2 e:d5 2.Db6+ Kc3 3.Kd1 d4 4.Te1 d3 5.Tc2+ d:c2#, 1.- e5 2.Ld1 e4/Kd3 3.Le3 e4/Kd3 4.Lf2 e3 5.Td2+ e:d2#

Unsere beiden weiblichen Ehrenmitglieder Irma Speckmann (7.1.1921-5.9.2016) und Helga Hagedorn (13.2.1921-14.3.2007) hätten jetzt ihren 100. Geburtstag feiern können. Ihr großer und selbstloser Einsatz für unsere Vereinigung in so "attraktiven" Gebieten wie den Kassenangelegenheiten und dem Bücherverkauf bleibt unvergessen.

Helmut Klug (28.1.1921-7.4.1981) gehörte zu den Gründungsmitgliedern der DDR-Problemkommission. Er organisierte viele der DDR-Förderungsturniere für Nachwuchskomponisten. 1960 gründete er zusammen mit Herbert Küchler und Manfred Zucker eine Schachecke, die ab 1963 als Chemnitzer Freie Presse sehr bekannt wurde und bis zum Tod Manfred Zuckers fortgeführt wurde (siehe dazu auch das Kalenderblatt in Heft 269).

David Joseph

Československá Republika
1923

wKd8, wBb5h2, sKa7, sBa6b7

Gewinn (3+3)

David Joseph (21.2.1896-23.8.1984) war ein bescheidener englischer Partiespieler, der vor 125 Jahren geboren wurde und von dem wenig mehr bekannt ist als eine gegen Capablanca gespielte Simultanpartie (die er verlor) und eine Handvoll Studien, die in Harold van der Heijdens Studiensammlung aufgenommen sind. John Roycroft schrieb 1972, dass Joseph etwa 50 Studien komponierte, sich aber nicht um deren Veröffentlichung kümmerte, weil er nur zum eigenen Vergnügen komponierte. Dass er, der auf keinerlei öffentliche Wirkung aus war, dennoch berühmt wurde, liegt an einer einzigen Studie, die er 1921 während einer Bahnfahrt schnell aufs Brett zauberte und die in einer nicht durchkomponierten Fassung am 27. Dezember 1921 irgendwie den Weg in die Öffentlichkeit fand - übrigens ohne Angabe des Autornamens, der erst zwei Monate später im British Chess Magazine genannt wurde. Das Diagramm zeigt die heute meistgezeigte Version, die von einem unbekannten (tschechischen?) Komponisten stammt: 1.b6+ (1.h4? a:b5 oder 1.b:a6 b5) 1.- Kb8! (1.- K:b6? 2.h4 gewinnt) 2.h4 a5 3.h5 a4 6.h6 a3 7.h7 a2 6.h8D a1D und jetzt kann Weiß die Da1 nicht schlagen wegen patt. Daher 7.Dg8 (7.De8? Dg7 gibt den Gewinn aus der Hand) 7.- Da2 8.De8 (8.Df8? Da3! remis) 8.- Da4 9.De5+ Ka8 10.Dh8 und Weiß gewinnt, da die Patt-Verteidigung nicht mehr geht.

Sören Anton Sörensen (31.1.1840-11.2.1896) widmete sich sowohl dem Partie- als auch dem Problemschach. Zusammen mit O. Malmqvist gab er die von 1873 bis 1881 in Kopenhagen erschienene Zeitschrift Nordisk Skaktidende heraus, in der er eine stark beachtete Reihe eröffnungstheoretischer Artikel publizierte. Gemeinsam mit dem schwedischen Komponisten Alfred Arnell legte er eine Sammlung der besten dänischen Probleme an, die 1879 unter dem Titel Nordiske Skakproblemer fra Tiden 1858-78 in Buchform erschien.

Alois Wotawa

Deutsche Schachzeitung
1957

wKf1, wTb2d7, wLe1, sKa6, sDh8, sLh6, sBa4f3g3

Remis (4+6)

Das Studienschach im deutschsprachigen Raum lag vor längerer Zeit ziemlich darnieder, bevor eine neue Generation jüngerer Komponisten für Furore sorgte; genannt seien hier die Namen Jürgen Fleck, Michael Roxlau und ganz besonders Martin Minski. Eine ähnliche Situation gab es auch etwa 80 Jahre früher. Mitte der 1930er Jahre wurde in einem Turnierbericht bedauert, dass der Versuch, die Komposition von Endspielen anzuregen, gescheitert war, da nur eine korrekte veröffentlichungswürdige Studie vorgelegt wurde. Ungefähr zu dieser Zeit begann der Wiener Jurist Alois Wotawa (11.6.1896-12.4.1970) mit ersten systematischen Kompositionsversuchen, und er sollte, quasi im Alleingang, der Misere innerhalb weniger Jahre ein Ende bereiten. Im Lauf der Jahre schuf er etwa 350 Studien, die er überwiegend in der Deutschen Schachzeitung veröffentlichte. 1965 publizierte er eine 150 Studien umfassende Auswahl seiner Werke in dem Buch Auf Spurensuche mit Schachfiguren. Wotawas Studien zeichnen sich oft durch ein kurzes, prägnantes Spiel aus, so auch das hier gewählte Stück, in dem Weiß sich in ein überraschendes Patt rettet: 1.Td6+ Ka7 2.Lf2+! g:f2 und der Patt-Käfig ist schon fast fertig; nur der Bf2 muss noch gedeckt werden. 3.Td4!! Falls Schwarz das Turmopfer annimmt, gibt der andere Turm solange Schach auf der b-Linie, bis Schwarz ihn schlägt und damit das Patt erreicht. Daher 3.- De8, und jetzt verheizt Weiß auch noch sein letztes Holz: 4.T:a4+ D:a4 5.Ta2!, weil 5.- D:a2 wiederum das Patt sichert (oder 5.- Da6 6.T:a6+ K:a6 7.K:f2=).

Es liegt noch nicht lange zurück, als (in Heft 289) an den ägyptischen Märchenschach-Komponisten Gabriel G. Nasra Bey (1871-1943) und seine Greetings from Egypt an T. R. Dawson erinnert wurde. Jetzt wäre er 150 Jahre alt geworden.

Alexander Henry Robbins

Southern Trade Gazette
1885

1. Preis

wKd7, wDe1, wTc7, wLa2f6, wSa6g2, wBf3, sKd5, sTb3c4, sLd4, sSd6h3, sBf7

#2 (8+7)

Ungefähr 250 Probleme komponierte der vor 175 Jahren in Boston geborene amerikanische Komponist Alexander Henry Robbins (22.2.1846-21.2.1906), der später in Saint Louis lebte und seine Urlaube öfter in der Nähe von Grand Rapids verbrachte, wo er W. A. Shinkman besuchen und dabei Inspiration für seine Problemkomposition tanken konnte. Der Zweizüger aus seinem Schaffen zeigt mit 1.Dc3! einen für die Zeit typischen spektakulären Schlüssel mit dreifachem Damenopfer. Er ist, worauf A. C. White 1942 hinwies, auch ein sehr frühes Beispiel fürs Halbfesselungsthema (z. B. nach 1.- Tb5 2.D:d4# und 1.- Tc:c4 2.Sb4#), das erst Jahrzehnte später zu Good-Companions-Zeiten in Mode kam.

Der zwischen Klassik und Romantik einzuordnende Dichter Johann Jakob Wilhelm Heinse (15.2.1746-22.6.1803), dessen Geburtstag mittlerweile 275 Jahre zurückliegt, hat sich in seinem Werk intensiv mit verschiedenen Künsten auseinandergesetzt. 1776/77 veröffentlichte er Briefe über einige Gemälde der Düsseldorfer Galerie, die in der Kunstgeschichte eine Abkehr von den Idealen der Klassik einleiteten. Auch sein Hauptwerk Ardinghello und die glückseligen Inseln ist voll von Gesprächen über die Malerei, und sein Roman Hildegard von Hohenthal enthält bedeutende Ausführungen zur Geschichte der italienischen Oper und der Gesangskunst. Seine vielseitigen Interessen endeten schließlich in dem in seinem Todesjahr erschienenen Briefroman Anastasia und das Schachspiel. Darin erzählt er in Briefform von der schönen Griechin Anastasia und deren Schachkunst. Heinse griff dabei kenntnisreich auf die zeitgenössische Fachliteratur zurück: auf die Lehren von Philidor, die Schachschule von Modena und auf Giambattista Lollis Osservazioni teorico-pratiche sopra il giuoco degli scacchi ...; auch die von Lolli angegebenen 33 künstlichen Endspiele, Vorläufer unserer Probleme, sind von Heinse wiedergegeben. Vor einem knappen Jahrhundert bedauerte der Wiener J. Krejcik in der Wiener Schachzeitung, dass der Roman für Nicht-Schachspieler wegen der umfangreichen Ausführungen zum Schachspiel schwer verdaulich sei und andererseits für den Schachspieler zu viel literarisches Beiwerk enthalte. Seine Absicht, das Werk so umzuarbeiten, dass beide Interessengruppen davon profitieren, ist (glücklicherweise!?) nicht realisiert worden.

(GüBü)


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