Heft 304, August 2020

Kalenderblatt

Vor 25 Jahren verstarb Jan Heribert Knöppel (23.9.1918-15.7.1995). Er komponierte vielseitig, vom Zweizüger bis zur Retroanalyse. Von 1962 bis 1964 war er Mitarbeiter von Springaren, ab 1966 gehörte er zum Redaktionsteam der nordisch-internationalen Zeitschrift Stella Polaris, die eine dänisch/finnisch/norwegisch/schwedische Gemeinschaftsproduktion war.

Julius Buchwald

Tijdschrift van den NSB
1948

1. Preis

wKc1, wDb3, wTf4f6, wLb1, wSa3, wBa5b2d2d6g2g5, sKe5, sTa6, sLb6f3, sSa7h1, sBb4b5d7g3g4g6

#3 (12+12)

Der in Wien geborene Julius Buchwald (2.4.1909-9.8.1970) emigrierte nach der deutschen Besetzung Österreichs zunächst nach England und später in die USA. Er gehörte in den 1940er Jahren zu den erfolgreichsten Zweizügerkomponisten - insgesamt komponierte er über 2500 Probleme - und belegte mehrfach Spitzenplätze in der von ihm selbst initiierten und vom IPB (International Problem Board) unterstützten Kompositions-Weltrangliste. (Bei dieser Liste, die später von der PCCC nicht weiterverfolgt wurde, war die Anzahl der im betrachteten Zeitraum insgesamt erzielten Auszeichnungen entscheidend.) Von Beruf war Buchwald Kunstgewerbler und Experte für antike Drucke, nebenbei betätigte er sich auch als Kunstmaler und Keramiker, spielte Bridge und komponierte Musik - kein Wunder, dass er bei dieser Bandbreite von Interessen immer sehr beschäftigt war. Im hier gezeigten Dreizüger droht Weiß nach dem Schlüssel 1.L:g6 mit 2.T4f5+ Ke4/Kd4 3.Dd5/De3#. Dagegen verteidigt sich Schwarz antikritisch mit 1.- Lb7 oder 1.- Lg1, aber diese Züge haben auch einen kritischen Effekt, den Weiß jetzt nutzt: 1.- Lb7 2.a:b6 [3.d4#] 2.- Sc6 3.Te4# bzw. 1.- Lg1 2.g:f3 [3.Te4#] 2.- Sf2 3.d4#.

Der vor 100 Jahren in Sizilien geborene Santi Pirrone (11.7.1920-12.6.2006) komponierte überwiegend Zwei- und Dreizüger und veröffentlichte einige Artikel in Il Due Mosse und in Sinfonie Scacchistiche. Auf ihn geht auch ein Zweizügerthema zurück.

Ernst Bachl

H. Römmig-JT 1954

3. Preis

wKd1, wDd8, wTa3, wLa1g6, wSd6h3, wBc3e2f4, sKe3, sTe4f7, sLg7, sBa7d7h4

#2 (10+7)

Viele Leser werden sich noch an Hermann Weißauer (1920-2014) erinnern, der bis zum Ende seines Lebens unermüdlich für die Popularisierung des Problemschachs geworben hat und sich als Mittel dafür seiner Problemspalte in der Europa-Rochade bediente, daneben Löseturniere und Problemistentreffen organisierte und immer wieder das persönliche Gespräch suchte. All dies hat er als Meisterschüler seines vor 125 Jahren geborenen Lehrers Ernst Bachl (16.7.1895-9.2.1982) in dessen Sinn umgesetzt und weitergeführt. Wie kaum ein anderer ging Bachl auf im Geben, sein Bestreben zielte in erster Linie darauf hin, neue Talente zu entdecken und zu fördern. Eigene Leistungen traten demgegenüber in den Hintergrund - sowohl im Problemschach als auch als Spieler, der er als Allrounder auch war. Er brachte es mit viel Understatement selbst auf den Punkt: "Ich bin ein Du-Mensch. Ich habe mich ausgegeben, habe mich gleichsam verschenkt und bin im Problem und auch in der Partie ein kleiner Mann geblieben." So "klein" war er sicher nicht, wie man auch Rainer Kuhns in der Kuhn-Murkisch-Reihe erschienenem Buch Schach-Herold Dr. Ernst Bachl entnehmen kann, in dem auch seine 204 Problemkompositionen enthalten sind, darunter natürlich auch das hier gezeigte Stück. 1.Dg5! [2.Dg1#] Te:f4/Tf:f4 2.Sc4/Sf5#. Nietvelt-Paraden (die schwarze Selbstfesselung wird nach Ausführung der Drohung wieder aufgehoben, so dass der entfesselte schwarze Turm die Drohung parieren könnte). Verführungen sind 1.De7? Te:e7/Tf:e7 2.Sc4/Sf5# mit Paradenwechsel gegenüber den Matts der Lösung (aber 1.- Le5!) und 1.Df6? T:f6/L:f6 2.c4/Sf5# mit Nowotny-Verstellung (aber 1.- Ta4!).

Nikolai Grigorjew

La Stratégie (TT) 1936

1./2. Preis ex aequo

wKh3, wBe2h4, sKd5, sBh5

Gewinn (3+2)

Nikolai Dmitrijewitsch Grigorjew (14.8.1895-10.11.1938) war als Partiespieler in den 1920er Jahren mehrfach Meister von Moskau und Organisationschef dreier großer, ebenfalls in Moskau durchgeführter internationaler Turniere. Daneben redigierte er von 1922 bis 1933 die Schachecke der Zeitung Iswestia und war einer der anerkanntesten Endspielspezialisten seiner Zeit. Sein Spezialgebiet waren Bauernendspiele. Einen totalen Triumph feierte er 1936 beim Thematurnier der französischen Zeitschrift La Stratégie, in dem Studien mit zwei weißen gegen einen schwarzen Bauern gefordert waren. 10 der 12 Auszeichnungen gingen an Grigorjew, darunter die ersten fünf Preise. Hier eine der beiden Siegerstudien aus diesem Turnier: 1.Kg3! (1.Kg2? Ke4 2.Kf1 Kf5! 3.Kf2 Kf4 oder 1.Kh2? Kd4! 2.Kg1 Ke5! 3.Kg2 Ke4! 4.Kf1 Kf5, jeweils mit Remis) 1.- Ke4 2.Kg2! (2.Kf2? Kf4=) 2.- Ke3 (2.- Kf4 3.Kf2) 3.Kf1 Ke4! 4.Ke1 Ke3 5.Kd1 Kf4 6.Kd2 Ke4 (6.- Kg4 7.Ke3) 7.e3 Kf3 8.Kd3 Kg3 9.Ke4! Kg4 10.Ke5! K:h4 11.Kf4 Kh3 12.e4 (12.Kf3? h4! =) 12.- Kg2 13.e5! (13.Kg5? Kg3! =) 13.- h4 14.e6 h3 15.e7 h2 16.e8D h1D 17.De2+ und Weiß gewinnt.

Wilhelm Maßmann

Neue Leipziger Zeitung
1935

2. Preis

wKg7, wTg1, wSd5f4, sKh4, sLa4

#3 (4+2)

An den "Vater der Schwalbe" Wilhelm Maßmann (6.7.1895-17.12.1974) wird an anderer Stelle dieses Hefts ausführlich erinnert. Hier sei nur kurz etwas statistisches Material ergänzt: Maßmanns berühmte Miniaturensammlung umfasste am Ende seines Lebens etwa 16000 Aufgaben, er selbst komponierte mehr als 1600 Probleme, von denen mehr als die Hälfte wiederum Miniaturen sind. "Ich kann beim Komponieren machen, was ich will - immer wird eine Miniatur daraus!" soll er einmal überspitzt formuliert haben. %(zitiert in DSBl1970 p173) Und was für Miniaturen dabei herausgekommen sind, zeigt das Beispiel: 1.Se7? und 1.Se3? sind die Probespiele, die durch 1.- Lc2! bzw. 1.- Ld7! pariert werden. Der Schlüssel 1.Tg2! [2.Sg6+ nebst Sdf4#] erzwingt zwei Hinlenkungen, die als Schlagrömer genutzt werden: 1.- Le8 2.Se7 Lg6 3.S:g6# oder 1.- Lc2 2.Se3 Lf5 3.S:f5#. Und das alles mit nur sechs Steinen! Schon früh war Maßmann publizistisch tätig. Seit 1920 leitete er für 15 Jahre die Schachspalte des Essener Anzeigers, er schrieb Artikel über die "Schwierigkeit in Schachaufgaben" (in Rannefords Schachkalender 1921) und über die "Schönheit der Schachaufgabe" (1922/23 im Kongreßbuch Teplitz-Schönau). 1926 folgte die berühmte Übersetzung des Loyd-Buchs aus der Christmas-Serie. Seine in 60 Jahren zusammengetragene Büchersammlung bildet den Grundstock der Schachbuchsammlung in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek.

Godfrey Heathcote

British Chess Magazine
1904

1. Preis

wKg5, wDg3, wTe2, wLh1, wSe7, sKd4, sSb2c4, sBb6

#3 (5+4)

Godfrey Heathcote (20.7.1870-24.4.1952) ist einer der Hauptrepräsentanten der alten englischen Kompositionsschule, der es nicht nur - wie der böhmischen Schule - um Mattreinheit ging, sondern insgesamt um die elegante Erscheinungsform eines Problems, angefangen bei der ansprechenden Ausgangsstellung, über den Schlüssel und dem - möglichst bis in die Nebenvarianten dualfreien ? Lösungsverlauf. Eine breite Übersicht über das Schaffen des vor 150 Jahren geborenen Heathcote bieten die Chess Idylls, die A. C. White 1918 in seiner Christmas Serie herausgab. Heathcotes Kompositionen, fast ausschließlich Zwei- und Dreizüger, lassen sich in drei Schaffensperioden unterteilen. Die erste von 1886 bis 1894 beginnt mit den ersten Problemen des 16jährigen, der sich dann rasch zu einem hervorragenden und in vielen Turnieren erfolgreichen Komponisten entwickelte. Nach einer berufsbedingten Pause ist die zweite, von 1897 bis 1903 dauernde Periode gekennzeichnet durch eine Verfeinerung seines Stils, und die ab 1904 komponierten Probleme zeigen ihn auf der Höhe seines Schaffens. Wir wollen uns hier zwei Aufgaben aus diesem Zeitraum ansehen: Der Dreizüger zeigt alles, was damals und auch heute noch Eindruck machte: elegante Stellung, guter Schlüssel, attraktives Variantenspiel und enorme Schwierigkeit. 1.Tc2 [2.Sc6+ Kc5 3.De5#], 1.- Kc5 2.Da3+ Kd4/Kb5 3.Sc6/Lc6#, 1.- Sd3 2.De3+ S:e3/K:e3 2.Sc6/Sf5#, 1.- Se3 2.Df4+ Kd3 2.De4#, 1.- b5 2.Sf5+ Kc5 2.Dd6#.

Godfrey Heathcote

Hampstead & Highgate
Express 1905

1. Preis

wKg8, wDh7, wTc1e7, wLa2b2, wSa4b7, wBb3g7, sKd5, sDh1, sTa5h5, sLd1g1, sSd4, sBa6a7e3h2

#2 (10+11)

Im Zweizüger droht nach 1.T1c7! 2.Sc3#, was Schwarz durch einen beliebigen Abzug des Sd4 parieren kann. 1.- S:b3 2.Dd3#, 1.- Sc2 2.b4#, 1.- Se2 2.D:h5#, 1.- Sf3 2.De4#, 1.- Sf5 2.Te5#, 1.- Se6 2.Ted7#, 1.- Sc6 2.Tcd7# und 1.- Sb5 2.Tc5#. Wir sehen hier ein komplettes Rad des schwarzen Springers, dargestellt mit nur einem einzigen Schlagfall in der Lösung und (mit Ausnahme von 1.- De4 2.Sc3/D:e4#) dualfrei bis in die Nebenvarianten (1.- T:a4/Tc5 2.T(:)c5#). Ohne Lg1 ginge beispielsweise nach der Nebenvariante 1.- Df1 die dualistische Fortsetzung 2.Sc3 oder 2.De4; das zu vermeiden war damals wichtiger als die Materialökonomie.

Der vor 175 Jahren geborene amerikanische Büchersammler John Griswold White (10.8.1845-27.8.1928) trug zu seinen Lebzeiten über 12000 Schachbücher zusammen, die er der Bibliothek seiner Heimatstadt Cleveland vermachte. Es ist sehr erfreulich, dass die Sammlung weiter und immer noch gepflegt und vergrößert wurde, so dass sie nach wie vor als die weltgrößte Schachbuchsammlung gilt und der Schachöffentlichkeit für Forschungszwecke zur Verfügung steht. Dass ihr Begründer nicht nur von der Sammelleidenschaft getrieben wurde, sondern auch am Inhalt seiner Schätze interessiert war, ist belegt durch den Eifer, mit dem er die für deren Verständnis nötigen Fremdsprachen lernte - er soll 29 Sprachen lesen gekonnt haben.

Charles L. Fitch

American Chess Magazine
1897

wKf8, wTc7h8, wLa6h6, wSc5e8, wBb6, sKd8, sDc8, sTb2b8, sLa1, sSb5e4, sBf7

#2 (8+8)

Charles Lewis Fitch (24.7.1845-8.9.1930) gehörte zur Gruppe amerikanischer Komponisten, die sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts um Shinkman und dessen Neffen Otto Wurzburg zusammenfanden und, wie A. C.. White meinte, aus Grand Rapids eine Hochburg der Problemkomposition machten, der mehr gute Probleme entstammten als irgendeiner anderen Stadt vergleichbarer Größe. Obwohl Fitch als Komponist keine großen Ansprüche stellte, zeichneten sich seine Probleme durch Originalität aus. Viele seiner Aufgaben wurden unter dem Pseudonym Marc publiziert. Hier eines der Lieblingsprobleme des Autors, in dem sich der sicher stehende weiße König durch den Schlüssel 1.K:f7 einer achtfachen Schachprovokation aussetzt.

Nachtrag: Udo Degener hat zu den Kalenderblättern der Hefte 301 und 303 einige Ergänzungen mitgeteilt, die hier nachgetragen seien. Zunächst klärt er das "Geheimnis" um den im Februar-Heft erwähnten Fritz Loepert und liefert die folgenden Lebensdaten:
Fritz Loepert stammt aus einer jüdischen Familie und wurde geboren in Greifenberg/Pommern (heute Gryfice). Sein Vater Hermann Loepert (geb. 1890 in Greifenberg) war Kaufmann und besaß, gemeinsam mit dem Bruder Siegfried, die Mühle in Greifenberg (Enteignung 1936). Sein Großvater war der Kaufmann Sally Loepert (geb. 1850 Schlawe, gest. 1910 Greifenberg).
1936 emigrierte Fritz Loepert nach Brasilien, zusammen mit der Mutter Thea Loepert, geb. Fliess und seiner Schwester Liselotte Loepert. Am 10.10.1936 traf das Auswandererschiff Neptunia im Hafen von Santos ein. Weitere Familienangehörige, wie sein Onkel Siegfried Loepert (geb. 1884) emigrierten ebenfalls nach Brasilien.
Auf www.familysearch.org kann die Sammlung der "Immigration Cards", Brasilien, 1902-1980 eingesehen werden. Dort ist auch Fritz Loepert zu finden. Die Standesamtsregister von Greifenberg sind momentan bis 1910 online einsehbar (Archiv Stettin, www.szczecin.ap.gov.pl) und werden jährlich ergänzt. Aufgrund der Schutzfristen (110 Jahre für Geburten) wird der Geburtseintrag von Fritz Loepert erst nach 2032 einsehbar sein. Die zweite Meldung bezieht sich auf den Nachtrag zu Antonio Bottacchi in der Juni-Schwalbe. Dort war offengeblieben, ob der Bottacchi-Preisträger zum Densmore-MT in der Pittsburgh Gazette Times veröffentlicht wurde. Udo Degener schreibt nach Einsicht in Digitalisate der PGT (die seiner Email beigefügt waren): Preisträger A erschien durchaus in der PGT am 17.11.1918. In dieser Ausgabe waren erschienen: als Nr. 3169 = Densmore Nr. 106 (Bottacchi), 3170 = Nr. 107 (Bottacchi), 3171 = Nr. 108 (Sparke), 3172 = Nr. 109 (Sparke) und 3173 = Nr. 110 (Bottacchi (der 1. Preis)).

(GüBü)


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