Todesfälle
Mit GM György Bakcsi
(6.4.1933-11.10.2019) ist einer der letzten Großen der einstigen
ungarischen Weltklasse-Komponistenriege verstorben. Bakcsi komponierte
sehr vielseitig, zunächst überwiegend allein, aber seit den 1990er
Jahren entstanden viele Gemeinschaftskompositionen mit László
Zoltán.
György Bakcsi
Ödön Nagy-MT 1967
1. Preis (v)
#4 (14+14)
Hier ein komplexer Vierzüger mit zyklischer Vertauschung
von vier weißen Zügen im 2., 3. und 4. Zug: 1.Sg8! [2.D:h3 nebst
3.Df3#]; 1.- Tb4 2.Td4+ (A) e:d4 3.S:f6 (B) S:f6 4.Sc5# (C) oder
3.- L:f6 4.Tf4# (D); 1.- Tc2 2.Sc5+ (C) S:c5 3.T:f4+ (D) L:f4
4.S:f6# (B) oder 3.- e:f4 4.Td4# (A); 1.- Lh4 2.S:f6+ (B) S:f6
3.Td4+ (A) e:d4 4.T:f4# (D) oder 3.- T:d4 4.Sc5# (C); 1.- Lh6
2.T:f4+ (D) e:f4 3.Sc5+ (C) T:c5 4.Td4# (A) oder 3.- S:c5 4.S:f6#
(B). Die Aufgabe, die ich übrigens nicht in der PDB finden konnte,
hat eine etwas unglückliche Veröffentlichungsgeschichte: Im
FIDE-Album 1965-67 fehlt die Lösung vollständig (statt ihrer ist die
zur vorhergehenden Aufgabe ein zweites Mal abgedruckt). In der von
Steen Christensen 1993 herausgegebenen Fehlerliste zu den FIDE-Alben
ist zu dieser Aufgabe "Misprint" vermerkt und es wird eine kryptische
Lösungsangabe gemacht, die sich mir aber nicht erschließen wollte.
Sowohl im FIDE-Album als auch in der von Bakcsi selbst herausgegebenen
Ungarischen Schachproblem-Anthologie (1979, auf Deutsch
1983) ist die Stellung ohne den von mir eingefügten sTd8 angegeben.
Ohne Td8 ist eine der thematischen Varianten dualistisch: Nach 1.-
Lh6 geht auch 2.L:e8 [3.S:f6+ S:f6 4.T:e5#] 2.- S:f5 3.D:d7. Ob der
Dual vorher schon bekannt und eventuell behoben wurde, entzieht sich
meiner Kenntnis.
Harri Hurme
Apu Lehti 1962
r#2 (7+7)
Harri Hurme (2.6.1945-23.9.2019)
gehörte seit Jahrzehnten zu den regelmäßigen Teilnehmern der
PCCC-/WFCC-Treffen und internationaler Lösungsturniere. Daneben war
er seit mindestens 30 Jahren im Vorstand der finnischen
Problemistenvereinigung tätig und Träger von FIDE-Titeln für
Komposition, Lösen und Partiespiel. Seine Ruhe ausstrahlende
Persönlichkeit, seine tiefe, etwas knarzige Stimme werden uns fehlen.
Harri komponierte seine erste ins FIDE-Album aufgenommene Aufgabe als
17jähriger: 1.La1 [2.Dc6 T:c6#]; 1.- h:g6 2.Sc3 g5#; 1.- S:g6
2.Sg3 Se5#; 1.- L:g6 2.Tgb2 L:e4# und 1.- T:g6+ 2.Sd6 T:d6#.
Yves Tallec (9.12.1927-22.4.2020) war in der Nachfolge
von Jean Zeller langjähriger Präsident der französischen
Problemistenvereinigung und war trotz seiner 92 Jahre noch sehr aktiv
als Autor, Redakteur und Organisator. Bei seinen vielfältigen
Aktivitäten kam die Komposition etwas zu kurz. Im April riss ihn das
Corona-Virus aus dem Leben. - Unser Mitglied Bertil Oker
aus Stuttgart verstarb Anfang dieses Jahres im Alter von 58 Jahren
(6.4.1961-7.1.2020).
Kalenderblatt
Herbert Hultberg
Polistidningen 1942
#4 (2+11)
Der vor 25 Jahren verstorbene schwedische Problemist Herbert Hultberg
(27.1.1910-16.5.1995) komponierte weit über 2000
Probleme in allen Genres und war auch publizistisch sehr aktiv: In den
1940er Jahren erschien in Schackvärlden seine bedeutende
Artikelserie über logische und strategische Probleme, 1951 erschien
das zusammen mit Bror Larsson geschriebene Med fo pjäser.
69 eigene Miniaturen stellte er 1965 in seinen Miniatyrer i
urval vor, dem vier Jahre später das bei Walther Jörgensen in
Kopenhagen erschienene Strategi i miniatyrproblem folgte.
Seine wohl nachhaltigste Aktion war 1947 die Gründung der Zeitschrift
springaren, deren Herausgeber er bis 1961 blieb und die
immer noch fortbesteht. Im hier wiedergegebenen Minimal mit
gestaffelten Vorplänen ist die Rochadestellung nur Beiwerk (1.0-0-0?
scheitert sowohl an Sa2+ als auch an Sd3+). Der Hauptplan besteht in
dem Manöver Kf2 nebst Th1#, seine sofortige Durchführung scheitert
aber noch an 1.- Sd3+! Diese Parade soll der Vorplan 1.Ke2?!
ausschalten (1.- d3+ 2.Kf2), aber das erweist sich nach 1.- Sc3+
auch noch als verfrüht, daher wird mit 1.Kd2! ein weiterer Vorplan
vorgeschaltet, der die Verstellung von c3 durch den schwarzen Bauern erzwingt,
wonach 2.Ke2 d3+ 3.Kf2 zum Ziel führt.
Vor einem halben Jahrhundert verstarb Gabriel Leon-Martin
(29.10.1883-31.5.1970), der eine wichtige Rolle in der Entwicklung
des französischen Problemschachs seit den 1930er Jahren spielte. Erst
im Alter von 40 Jahren kam er zur Schachkomposition, aber schon ein
Jahr später wurde ihm die Leitung des Problemteils im
vierteljährlich erscheinenden Bulletin des französischen
Schachverbands angetragen. Da es damals in Frankreich noch keine
Problemistenvereinigung gab, arbeitete er daran, die Voraussetzung
für eine solche Gründung zu schaffen. Dazu weckte er in der
Zeitschrift das allgemeine Interesse am Problemschach, insbesondere
durch die Organisation von Lösungsturnieren und Anregung zur
Komposition. Nach dem Krieg vertrat Leon-Martin Frankreich in der
Problemkommission der FIDE und leitete verschiedene Schachspalten,
zuletzt betreute er bis 1962 die Retro-Abteilung von Europe
Echecs.
Karl Nießlbeck (30.4.1907-6.6.1970) war zunächst ein
Münchner Partiespieler, der sich in seinen späteren Jahren immer
stärker mit dem Problemschach beschäftigte und sich hauptsächlich
dem Hilfs- und Selbstmatt widmete. Er nahm regelmäßig an den
Zusammenkünften des Münchner Problemkreises teil.
Froim Simkowitsch
Schachmaty w SSSR 1939
Remis (4+5)
Der russische Komponist Froim L. Markowitsch Simkowitsch
(1896-5.5.1945) befasste sich ausgiebig mit Remis-Studien. Der auf
diesem Gebiet wichtige Begriff der "Festung", die trotz materieller
Unterlegenheit uneinnehmbar ist, geht auf ihn zurück. In seinem hier
gezeigten Werk geht es mehr um ein dynamisches Gleichgewicht. Weiß hat
einen Turm und eine Leichtfigur weniger und muss daher zur Erhaltung
des Gleichgewichts anstreben, den schwarzen Turm zu gewinnen, ohne
eine eigene Leichtfigur einzubüßen. 1.e7+ K:e7 2.Lh4+ Tg5 3.Lc2 S1d2
4.Ke3 (droht 5.L:g5+ S:g5 6.K:d2 mit Remisstellung) 4.- Kf6 5.Kf4 Lc6
(5.- Kg6 6.L:g5 =) 6.Ld3 mit positionellem Remis. Das Brett steht
unter Hochspannung: der weiße Köning muss seine Läufer unterstützen,
falls es zum Schlag auf g5 oder e4 kommt; der schwarze König muss den
schwarzen Turm decken, solange der zweimal angegriffen ist; der wLh4
muss den schwarzen Turm gefesselt halten; wLc2/d3 muss den sSe4 im
Auge behalten; der schwarze Läufer muss den Se4 decken; sSe2 muss den
Se4 decken; und der sSe4 muss den Tg5 und den anderen schwarzen
Springer decken, nur die weißfeldrigen Läufer können entlang der
Diagonalen, auf denen sie wirken, ziehen.
Awenir Popandopulo
DSV-Turnier 1965
1. Preis
#6 (11+10)
Awenir Nikolajewitsch Popandopulo (1.5.1920-24.5.1988)
wäre am 1. Mai 100 Jahre alt geworden. Die nach ihm benannte
Batterie (auch Popandopulo-Mechanismus genannt) ist im Prinzip eine
doppelte, nacheinander erfolgende Siers-Batterie. Dabei öffnet ein
weißer Stein A eine Batterie, wonach der schwarze König zieht und
ein weiterer Stein der gleichen Art A eine neue Batterie bildet, die
anschließend auch noch feuert. Das Stammproblem zeigt vier
thematische Varianten: 1.Lb3! [2.b:a6 nebst 3.Sb5+ Ke4 4.Sac3#];
1.- c5 (verstellt den Lb6), daher feuert die erste Batterie 2.Sd1+
Ke4 3.Sf2+ e:f2 4.Sc3+ (zweite Batterie) Kd4 5.Sd1+ nebst 6.S:f2#
(6.- L:f2??); 1.- Tf7 2.Sb1+ Ke4 3.Sd2+ e:d2 4.Sc3+ Kd4 5.Sb1+ nebst
6.S:d2# (6.- T:d2??); 1.- T:h3 2.Sd5+ Ke4 3.Sf6+ g:f6 4.Sc3+ Ke4
5.Sd5+ nebst 6.S:f6# (6.- T:f6??) und 1.- S:b4 2.Sa4+ Ke4 3.Sc5+
L:c5 4.Sc3+ Ke4 5.Sa4+ und 6.S:c5# (6.- S:c5??).
Nur 22 Jahre alt wurde der tschechische Komponist Emil
Převorovský (20.5.1920-4.10.1942), dessen Aufgaben 1946 in einer
kleinen Schrift mit dem Titel Památník Emila
Převorovského
von Miroslav Soukup veröffentlicht wurden.
Im Juni vor 100 Jahren wurden zwei brasilianische Komponisten geboren:
Almiro Elias Zarur konnten wir 2009 beim WFCC-Treffen in
Rio de Janeiro noch persönlich kennenlernen, wo er sein gerade
erschienenes Buch Xadrez Imaginario präsentierte und
signierte. Wir hoffen, dass er am 7. Juni seinen 100. Geburtstag bei
guter Gesundheit feiern kann. Hector G. Zucal, dessen 100.
Geburtstag auf den 23. Juni fällt, verstarb im April 2004.
Die englische Familie Wood lässt sich in der männlichen Linie über
viele Generationen bis ins 14. Jahrhundert zurückverfolgen. Aber
dann riss Mitte des 19. Jahrhunderts diese Kette, da für die
Erbfolge "nur" eine Tochter verblieb. Diese heiratete John Winter -
ebenfalls aus gutem Haus, denn er war Nachkömmling des Kommandanten
eines Kriegsschiffes, das im Konflikt mit der spanischen Armada eine
bedeutende Rolle gespielt hatte. Um die alten Traditionslinien
aufrechtzuerhalten, ließ sich die Familie ein königliches Privileg
ausstellen, das beide Namen zusammenführte, und so kommen wir zu den
Winter-Woods, die über mehrere Generationen hinweg eine bedeutende
Rolle im englischen Schachleben spielten. Zur Familie gehört der vor
nunmehr 100 Jahren verstorbene Edward John Winter-Wood
(1847-21.6.1920), der ab 1868 dem City of London Schachklub
angehörte und auch ein eifriger und seinerzeit erfolgreicher
Problemkomponist war. 1886 gab er die Chess Souvenirs
heraus, eine Publikation, die über 100 seiner Probleme enthielt.
Berühmter als unser heutiger Jubilar ist allerdings seine Schwester
Edith Elina Helen Baird (auch als Mrs. W. J. Baird - mit den
Initialen ihres Mannes! - bekannt).
Der Bamberger Rechtsanwalt Max Weiss, der vor 150 Jahren
geboren wurde (11.5.1870-18.12.1943), war ein sehr produktiver
Schachpublizist, der viele schnell und einfach zusammenzustellende
Bücher verfasste, beispielsweise 200 preisgekrönte
Schachaufgaben, 150 Schachaufgaben von Samuel Loyd in New
York, das amüsante Einhundertundfünfzig exzentrische
Schachaufgaben und mindestens zwanzig weitere Titel.
Als die holländische Schachzeitung Sissa (1847-1874)
erstmals erschien, war auf der ersten Seite der Herausgeber genannt -
ein gewisser "Gustavus". Wer sich dahinter verbarg, erfuhr ich erst
kürzlich, als ich in Jeremy Gaiges Chess Personalia den
vor 200 Jahren geborenen Willem Jan Louis Verbeek
(25.5.1820-30.9.1888) entdeckte, dessen Pseudonym Gustavus Gaige
lüftete.
Nachtrag zum Kalenderblatt aus Heft 300: Auf die
Notiz zu Antonio Bottacchi im Dezemberheft erhielten wir einen Beitrag
von Michael Lipton aus England. Er fand zunächst einige
Details zur Publikation der beiden in Heft 300 gezeigten Diagramme.
Die Pittsburgh Gazette Times beendete das Erscheinen ihrer
Sonntagsbeilage vermutlich am 24.11.1918. Drei Einsendungen zum
Densmore MT von Bottacchi (Einsendungen Nr. 106, 107 und 110) wurden
am 17.11.1918 in der Schachspalte publiziert, die Aufgaben mit den
Einsendungen Nr. 1-107 erschienen in den Spalten vom
2.6.-17.11.1918, doch der spätere Preisträger (A) war
nicht dabei. Dieser Aufstellung zufolge scheinen die Einsendungen 108
und 109 wohl nicht in der PGT veröffentlicht worden zu
sein!?
A) Antonio Bottacchi
Densmore MT 1918-1920
1. Preis
#2 (8+9)
Weiter beschäftigte sich Michael Lipton intensiv mit Bottacchis
Preisträger, der zum besseren Vergleich mit den neuen Fassungen hier
noch einmal abgedruckt sei (Diagramm (A, 1.Ld7!
[2.D:g5#]; 1.- Sh7 2.Th6# ; 1.- Se4 2.Df4#; 1.- Lh6 2.Dh5#;
1.- Lf4 2.Tg4#, dazu 1.- Tg4/Sg4 2.h:g4# und 1.- Th5 2.Sf5#)).
Schon in einem 1985 im British Chess Magazine erschienenen
Artikel hatte er sich mit Bottacchis Problem befasst und eine
ökonomischere Fassung gefunden, die er 1985 noch auf 14 Steine
reduzieren konnte - doch er stellt fest, dass beide Fassungen damals
"universally ignored" wurden und im Borges'schen Meer der verlorenen
Schachprobleme untergingen.
B) Michael Lipton
Die Schwalbe 06/2020
#2 (9+8)
Der Clou der neuen Fassung B liegt in der fünften
thematischen Verstellung (nach 1.- Le3) bei 17 Steinen (wie in
A). Außerdem gibt es noch zwei Mattwechsel zwischen Satz
und Lösung. Satz 1.- Se4 2.Dg4#, 1.- Le3 2.g3# (1.- T:h3
2.D:h3#); 1.De5! [2.D:g5#] 1.- Lf4/Se4/Lh6/Sh7/Le3
2.Tg4/Df4/Dh5/Th6/Dg3#, (1.- Td5(Tg3) 2.D(:)g3#).
C) Michael Lipton
Die Schwalbe 06/2020
Nach A. Bottacchi und
F.F.L. Alexander
#2 (7+6)
Fassung C beschränkt sich auf den von Bottacchi gezeigten
Inhalt (ohne das Nebenspiel 1.- Tg4/Sg4 2.h:g4#) und zeigt den Task
in größtmöglicher Ökonomie mit nur 13 Steinen: 1.Ld~{} auf
e5-h2? Td8!; 1.Lb8! [2.D:d7#] 1.- Sc5/Lc6/Sf8/Le8
2.Dc6/Tc7/Te8/Dd8#, 1.- Td8 2.Sd6#. Der strategische Schlüssel
öffnet d5-d7, entblockt d6 und ist gegenüber den Läufer-Abzügen in
südöstlicher Richtung antikritisch. 1.Lb8 Lc6/Le8 2.Sd6+? Kd8 zeigt
zusätzlich noch einen Mari.
Abschließend fragt Michael Lipton, welches die bessere Fassung ist
und ob es vielleicht noch möglich ist, aus beiden Fassungen noch
etwas Besseres zu machen.
(GüBü)