Kalenderblatt
Pierre Biscay
Le Temps 1934
1. Preis
Gewinn (7+7)
Vor einem halben Jahrhundert verstarb Pierre Biscay
(14.9.1905-30.7.1969), einer der vielseitigsten Akteure im französischen
Schach des letzten Jahrhunderts. Seinen ersten großen Auftritt hatte er bei
den französischen Problemlösungs-Meisterschaften 1927 und 1928, die er
beide
gewann. In jener Zeit erschienen auch seine ersten Kompositionen. Daneben
beschäftigte er sich auch mit dem Partieschach und gehörte zu den stärksten
französischen Fernschach-Spielern. 1932, im Alter von nur 27 Jahren, wurde er
Präsident des französischen Schachverbands, eine Funktion, die er bis 1954
innehatte. 1935 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der französischen
Problemistenvereinigung, deren Ehrenpräsident er später wurde. Als
Komponist
konzentrierte Biscay sich auf Zwei- und Mehrzüger mit strategischen Themen,
und er hatte ein besonderes Faible für perikritische Manöver. Seine
möglicherweise einzige Studie zeichnet sich durch markante problemhafte
Merkmale aus: Nach 1.g7 kann Schwarz die drohende Umwandlung nur
durch T:g3 oder L:b3 parieren. Weiß kann dann nicht mit 2.c7 fortsetzen, da
nach Lf5 bzw. Tc3 beide weißen Bauern aufgehalten werden und Schwarz gewinnt. Zum
Ziel führen zwei römische Lenkungen: 1.- T:g3 2.Sd4
kontrolliert f5 und lenkt den schwarzen Läufer nach d1: 2.- Ld1 3.c7
Lg4
4.g8D+ und Weiß gewinnt, oder 1.- L:b3 2.Se4 T:e4 3.c7 Tc4
4.g8D+ mit Gewinn. Reziproke Grimshaws nach zwei römischen Lenkungen.
Josef Moraveć
Časopis Česk. Šach. 1916
1. Preis
#3 (8+8)
Der tschechische Komponist Josef Moraveć (20.3.1882-29.8.1969)
stammte aus einfachen Verhältnissen und konnte den Lehrerberuf ergreifen.
Neben dem Schach fand er weitere Interessen, wobei ihn besonders die Musik
fesselte. Als Mitglied eines Prager Chors trat er u. a. in Berlin und Paris
auf. Moraveć komponierte sowohl Probleme als auch Studien, jeweils in ganz
persönlichem Stil. Seine böhmischen Probleme sind insofern untypisch für
die
Schule als sie die konstruktive Leichtigkeit fehlen lassen und oft steinreiche
Stellungen zeigen; so auch hier, wo ihm bei vollem Brett eine außerordentliche
Anhäufung von Modellmatts gelingt: 1.Te3 [2.De6] g:h2 2.Tf2+ K:e3 3.Sd1# MM;
1.- Le7 2.Se2+ K:e3 3.Ld4# MM; 1.- Sc1 2.K:c6 K:e3 3.Sd5# MM; 1.- S:c3 2.D:c3
K:e3 3.Dd2# MM. Vier verschiedene Modellmatts, alle auf dem gleichen Feld. In
deutlichem Gegensatz dazu stehen seine Studien, die meist leicht und elegant
daherkommen.
Josef Moraveć
České slovo 1938
Gewinn (2+2)
In dem Viersteiner darf Weiß seinen König erst ziehen, wenn sich der
schwarze Springer erklärt hat, also 1.d6! Sd2 2.Kc7! (Nach
2.Ke7? Sc4
3.d7 Se5 fehlt dem Weißen das entscheidende Schachgebot) Se4 3.d7
Sc5 4.d8D+ mit Gewinn. Oder 1.- Sc3 2.Kc6! oder
schließlich
1.- Sa3 2.Kc6! Die differenzierte eindeutige Antwort des weißen Königs
auf
die Springerzüge hat seinerzeit Jindvřich Fritz veranlasst, hier von
einer
König/Springer-Opposition zu sprechen.
Zum 50. Todestag des Studienspezialisten Paul Heuäcker am 10.
Juli erscheint an anderer Stelle dieses Hefts ein Gedenkartikel.
Otto Fuß
Deut. Schachbund 1892
1. Preis
#4 (9+7)
Otto Fuß (8.12.1861-12.7.1944) war ein bedeutender und
vielseitiger Schachenthusiast, der als Organisator und Problemist hervorstach.
Er war jahrzehntelang Vorsitzender des Hannoverschen Schachklubs und seit der
Gründung 1924 bis 1941 Präsident des Niedersächsischen
Schachverbands.
(Übrigens war mit Hermann Lücke ein weiterer Problemist Präsident des NSV
(1957-58), und seit 2007 amtiert mit M. Langer ein gegenüber dem
Problemschach zumindest positiv eingestellter Präsident, der auch zeitweise
Schwalbe-Mitglied war). Fuß organisierte u. a. die hannoverschen Kongresse
1902 und 1926 und sorgte dafür, dass in deren Rahmen auch Problemturniere
durchgeführt wurden. Zusammen mit Ferdinand Möller brachte er 1909 und
1939
zwei Bände mit 150 bzw. 200 ausgewählten Schachaufgaben heraus. Dem
Geleitwort des jüngeren Bandes ist zu entnehmen, dass es Fuß und Möller
waren, die im Problemturnier des Deutschen Schachbunds 1910 in Hamburg erstmals
ein Problem der Neudeutschen Schule ausgezeichnet haben. Ihrer Verbundenheit
mit der neuen Schule stellten sie jedoch ihre Sorge gegenüber, dass die
anderen Problemschulen darüber ganz vergessen werden könnten. Was er in
der
Böhmischen leisten konnte, zeigt Fuß in der Beispielaufgabe: 1.Dg7 [2.Scd6
nebst 3.De7+ und 4.D:f6# MM] 1.- d4 2.Dc7+ Ke4/Ke6 3.Sc5+ Kd5 4.Sb6# MM oder
3.- Kf5 4.Se7# MM; 2.- Kd5/Kf5 3.Se7+ Ke6 4.Sd8# MM; 1.- Kd4 2.D:f6+ Kc4 3.
Sb6+ Kb5 4.a4# MM.
Der viel zu früh verstorbene Vukota Nikoletić
(18.8.1944-11.8.2001) aus dem Kosovo war ein sehr produktiver
Selbstmattkomponist, der auch regelmäßig in der Schwalbe
publizierte. Er pflegte insbesondere den Bereich von 3-5 Zügen. Jetzt wäre
er 75 Jahre alt geworden.
Anton Oehrlein (1.11.1906-21.8.1944) gehört zu den "vergessenen
deutschen Zweizüger-Komponisten", denen Hermann Albrecht im März 1980 in
einem so betitelten Artikel im Problemist seine Referenz erwies.
Oehrlein war ein Komponist, der seine Probleme in Organen des Arbeiterschachs
veröffentlichte. Ebenso wie andere fränkische Problemisten, die dort auch
publizierten, kam er aber nicht aus einem proletarischen Umfeld, sondern sie
nutzten wohl einfach die regional verfügbaren Publikationsmöglichkeiten.
Caetano Belliboni (10.8.1919-5.2.1991) wurde vor 100 Jahren in
Italien geboren, lebte später aber in Brasilien, wo er einige Broschüren für
Problem-Anfänger veröffentlichte. Er vertrat Brasilien in den späteren
1980er Jahren als Delegierter bei der PCCC.
Robert C. (Bob) McWilliam (12.7.1919-12.2.1997) war Buchsammler
und über viele Jahre der "Bücheronkel" unserer britischen
Schwestergesellschaft. Als Komponist befasste er sich hauptsächlich mit
Zweizügern. In einer Schiffs with Everything betitelten Broschüre
setzte er sich intensiv mit dem Schiffmann-Thema, dem er besonders zugetan war,
auseinander. Er übernahm 1980 den Buchversand von Guy Chandler, der kurz
danach, über 90jährig, starb, und übergab dieses Amt 1996 an Tony Lewis -
und auch der sollte bis an sein Lebensende diesem Dienst an der
Problemistengemeinschaft treu bleiben. Als Komponist konzentrierte McWilliam
sich auf Zweizüger, in den 1950er und 1960er Jahren organisierte er eine Reihe
von Förderturnieren, was damals noch ein erfolgversprechender Weg war, junge
Problemisten zu rekrutieren.
Paul Weyl
Skakbladet 1911
1. Preis
#5 (8+12)
Paul Weyl (3.7.1894-10.8.1974) war der Sohn des großen
Problemsammlers Oskar Korschelt. Von ihm erlernte er auch das Schachspiel und
durch ihn wurde er ins Problemschach eingeführt. Seine ersten Kompositionen
erschienen um 1910, erste Erfolge stellten sich schon bald danach ein (s.
Diagr.: 1.h8=D? patt. 1.h8=S? e4 2.Sf7 ist auch patt, daher 1.h8=T e4 2.Ta8! Ke5
3.Db8+ Sd6 4.Dh8+ Kf4 5.Dh2#; 3.- Kf6 4.Dh8+ Kg6 5.Tg8# oder 3.- Kd4 4.Sa4
nebst 5.Dh8#). Der Rückgriff auf die väterliche Sammlung ermöglichte
ihm,
schachhistorische Recherchen anzustellen, aus denen mehrere Artikel
hervorgingen, u. a. im Deutschen Wochenschach 1920 eine
umfangreiche Arbeit über Heinrich Eichstätt (1823-1905), dessen
Kompositionstätigkeit zu Lovedays Zeiten begann und bis in die Anfangszeiten
der neudeutschen Schule reichte.
Viktor Holst
Husrennen 1886
#3 (5+9)
Viktor Holst (16.8.1844-25.3.1924), der Erfinder der nach ihm
benannten Unterverwandlung, erblickte vor 175 Jahren das Licht der Welt. Im
Diagramm ist die erste Darstellung der Holst-Umwandlung zu sehen: 1.Kc3? mit
der Absicht, 2.Sg1# folgen zu lassen, scheitert an 1.- a1D+. Daher provoziert
Weiß im Vorplan eine Unterverwandlung, die die Durchführung des Hauptplans
ermöglicht: 1.Kb3 [2.Sg1+ Kd2 3.Df4#] a1S+ 2.Kc3 nebst 3.Sg1#.
(GüBü)