Todesfall
Dem jüngsten Heft der russischen Zeitschrift Schachmatnaja
komposizija entnehmen wir die Meldung vom schon ein Jahr
zurückliegenden Tod des vielseitigen russischen Komponisten
Rudolf Larin (27.9.1940-27.10.2016). - Der
Österreicher Helmut Roth publizierte 1982 unter
dem Titel Der Schachkomponist eine Biographie Johann
Bergers. Roth hielt sich seit vielen Jahren fern vom aktuellen
Schachgeschehen und wirkte nur als passives förderndes
Mitglied - beispielsweise in der Schwalbe, der er neben dem
Förderbeitrag auch mehrfach weitere großzügige Spenden
zukommen ließ. Wie wir jetzt erfuhren, ist Roth am 16. August
verstorben. Die "Verjüngung", die wir ihm im letzten Heft
zukommen ließen, hat er nicht mehr erlebt: Der Glückwunsch
zu seinem 70. Geburtstag war die Folge eines Fehlers in unserer
Mitgliederkartei, in der das falsche Geburtsjahr 1947 stand
(27.11.1944-16.8.2017). - Unser Essener Mitglied Heinz
Curth hatte zum 75jährigen Jubiläum unserer
Vereinigung das Schwalbe-Treffen 1999 in ihrer
Gründungsstadt organisiert. Ungefähr zur gleichen Zeit
brachte er den Zaunkönig heraus, eine Sammlung seiner
Aufgaben. Kurz vor seinem 89. Geburtstag ist Heinz Curth nunmehr
verstorben (23.11.1928-31.10.2017).
Kalenderblatt
Für den Brasilianer Felix Alexander
Sonnenfeld (18.3.1910-12.2.1993) und den einen Tag jüngeren
Ungar Jozsef Szöghy (19.3.1910-2.1.1993)
gab es anlässlich ihrer 100. Geburtstage in Heft 242
Kalenderblatt-Notizen. Ihr Leben verlief weitgehend parallel,
jetzt ist an ihren 25. Todestag zu erinnern.
Armand Lapierre
Thèmes 64 1959
4. ehr. Erw.
#2 (7+7)
Armand Lapierre (5.6.1899-24.1.1968)
komponierte zwar nur etwa 50 Probleme, war aber in allen Genres
produktiv. Darüber hinaus war er auch Vorsitzender der
französischen Problemistengemeinschaft, vertrat Frankreich
als Delegierter in der PCCC und holte den 12. Kongress der PCCC
nach Frankreich. Allerdings erlebte er dieses Treffen in
Arcachon nicht mehr, denn er verstarb einige Monate zuvor, vor
nunmehr 50 Jahren. Als Beispiel seines Schaffens wird hier ein
leicht verständliches "Retro für alle" gezeigt: Die
doppelte Rochadestellung fällt ins Auge; wenn Weiß den Ta1
nach d1 spielt, kann Schwarz das auf d8 drohende Matt durch die
Rochade abwenden - vorausgesetzt, dass sie noch zulässig
ist. Das ist immer dann der Fall, wenn das Gegenteil nicht
bewiesen werden kann. Nach 1.Tad1? geht die schwarze Rochade,
denn der wTd4 kann der ursprüngliche Th1 sein, den der
später nach e1 zurückgekehrte wK herausgelassen haben
kann. Nehmen wir aber an, dass Weiß noch rochieren darf (dann
muss er es auch tun, um die schwarze auszuschalten, also
1.0-0-0!), dann erweist sich der Td4 zwangsläufig als
Umwandlungsturm, da wegen des vorher unbewegten Ke1 der Th1
niemals aus seiner Ecke heraus konnte (außer durch
Geschlagenwerden). Der auf d4 stehende Turm ist also auf der 8.
Reihe entstanden und konnte diese nur über d8, f8 oder h8
verlassen haben. Jede dieser Möglichkeiten bedingt, dass
entweder der sK oder der sTh8 gezogen haben müssen, die
schwarze Rochade also nicht mehr zulässig ist.
Juan Carlos Morra (1900-1968) war ein
argentinischer Problemist, der sich seit 1929 mit der Komposition
beschäftigte. Bis 1940 hatte er mehr als 500 Probleme
geschaffen und wurde in einem Artikel als der nach Ellerman
bedeutendste argentinische Komponist bezeichnet.
Jonas Ephraim Cauveren
Journal Historial 1905
1. Preis
#3 (11+5)
Im Januar 1931 wurde unsere niederländische
Schwestergesellschaft, der Nederlandsche Bond van
Probleemvrienden, gegründet. Es war der zweite Versuch,
die Belange der Schachproblemisten in eine Organisationsform zu
bringen, denn schon am 19. Juni 1910 wurde in Amsterdam ein Bond
van Nederlandsche Schaakproblemisten gegründet, dessen
Sekretär Jonas Ephraim Cauveren
(17.3.1883-28.5.1943) war. Wie Cauveren später berichtete,
wollte der Bund insbesondere gegen das Plagiats-Unwesen vorgehen
und durchsetzen, dass Komponisten Belegexemplare ihrer
veröffentlichten Aufgaben erhielten und darüber hinaus
auch ein Honorar für Erstveröffentlichungen. Zur
Gründung wurde ein Kompositionsturnier ausgeschrieben, das
in einem Nebenlösungs-Fiasko endete und zum Untergang der
kaum entstandenen Gesellschaft beitrug. Cauveren hatte in den
frühen Jahren des letzten Jahrhunderts zu komponieren
begonnen, er konzentrierte sich im Wesentlichen auf
Dreizüger und schuf insgesamt etwa 400 Probleme. Ein
früher Erfolg war sein hier wiedergegebener Dreizüger,
der auch typisch für seinen späteren Stil ist und den
M. Niemeijer für eines der besten niederländischen
Schachprobleme aus dem frühen 20. Jahrhundert hielt: 1.Td3
Sa5/Sd8/c:b2 2.Sef6 ~ (Kd6) 3.Se4# MM, 1.- Sd6 2.Ld4+ K:d5
3.Sf6# MM, 1.- b3 2.T:c3+ K:d5 3.Lc6# MM, 1.- Lg8 2.L:c3 L:d5
3.Ld4# MM, 2.- b:c3 3.b4# MM, 1.- L:g6 2.L:c3 L:e8 3.L:b4# MM.
Sechs Mustermatts werden aufs Brett gezaubert, und dennoch ist
es eigentlich kein typisch böhmisches Problem, denn
dafür ist die Stellung nicht frei genug, und insbesondere
die üppige Verwendung von weißen Bauern zeigt, dass dies
kein Problem à la Havel und seiner Anhänger ist
(Niemeijer). Da der Gymnasiallehrer für alte Sprachen
Cauveren Jude war, bedeutete die Besetzung der Niederlande durch
nationalsozialistische Truppen Mitte 1940 den Anfang einer
Katastrophe, die nach Deportation vor 75 Jahren mit seinem Tod
endete.
Es ist wohl das erste Mal, dass in dieser Rubrik an einen
ägyptischen Problemisten erinnert wird. Gabriel
G. Nasra (1871-1943) war ein eifriger
Märchenschachkomponist, der seine Probleme in vielen
Zeitschriften, seit den späten 1920er Jahren auch in der Schwalbe,
publizierte. Zum 50. Geburtstag seines großen Vorbilds T. R.
Dawson veröffentlichte er 1939 im Format der Fairy
Chess Review eine Broschüre mit 12 Aufgaben Dawsons und 80
Problemen ägyptischer Komponisten.
Hans Schaffer (19.4.1871-1943) war Redakteur der
Wiener Zeitschrift Das Rätsel - über die Werner
Speckmann 1929 zum Problemschach kam - und gab 1930 die Internationale
Galerie moderner Problem-Komponisten heraus, ein Vorläufer
von Peter Kniests Caissas Schloßbewohner.
Der Deutsche Schachbund hat in seinen Anfangsjahren häufig
Problemturniere mit seinen Kongressen verbunden. Dieser Brauch
war Anfang des 20. Jahrhunderts schon weitgehend zum Erliegen
gekommen, als der Kongress 1910 nach Hamburg vergeben wurde. Dort
gehörte Richard Crüseman
(6.9.1865-21.2.1918) als Vorsitzender des Niederelbischen
Schachbunds zu den Organisatoren und hatte maßgeblichen Einfluss
auf die Ausschreibung eines Kompositionsturniers, das er selbst
mit Otto Fuß und Ferdinand Moeller durchführte. Der von
Crüseman verfasste, im Turnierbuch 30 Seiten umfassende
Preisbericht enthält neben 20 Preisträgern noch
über 100 weitere eingesandte Aufgaben und macht das
Kongressbuch auch für Problemisten zu einer gesuchten
Rarität.
Richard Schulder
120 Schachaufgaben 1936
#3 (4+2)
Im Herbst 1876 gründeten Kohtz und Kockelkorn eine
Schachecke in der Beilage Zum Feierabend der Kölner
Zeitung Allgemeiner Anzeiger für Rheinland-Westfalen.
Schon nach kurzer Zeit entdeckten sie unter den Lesern, die
richtige Lösungen einsandten, einige Talente. Insbesondere
der damals noch sehr junge Richard Schulder
(19.11.1858-24.1.1918) hat sich sehr bald zu einem
hervorragenden Komponisten entwickelt. Allerdings bedauert Kohtz
in seinen Erinnerungen: "Sehr produktiv erwies er sich nie, und
(im 20.) Jahrhundert ist er sogar ganz schweigsam geworden. Das
rührt nicht etwa davon her, daß er nun aufgehört
hätte, zu komponiren. Nur die Veröffentlichung seiner
Probleme hat er aufgegeben. Er war unter der kleinen Zahl von
Getreuen, die am 20. Juli 1914 meinen unvergeßlichen Freund
Kockelkorn zum Grabe geleiteten und bei dieser Gelegenheit sagte
er mir, daß er noch gegen hundert unveröffentlichte
Probleme zuhause liegen habe." Es waren wohl nur 30 Probleme,
die Schulder selbst zur Veröffentlichung brachte. Sein
Einsatz für den 1861 von K&K gegründeten Kölner
Schachklub, dessen Führung er in den Jahren des 1.
Weltkriegs bis zu seinem Tod übernahm, sollte der
Auslöser für die Rettung seines Problemschaffens
werden, denn für die 1936 erschienene Festschrift zum
75jährigen Bestehen des Klubs hat sich der Verein der
Mühe unterzogen, alle Probleme ihres ehemaligen
Vorsitzenden aus dessen Nachlass zusammenzustellen. Bearbeitet
wurden die insgesamt 120 Probleme von einem weiteren Großen:
Josef Breuer, dem späteren Autor der Beispiele zur
Ideengeschichte des Schachproblems; er war damals Klubmitglied
und sammelte hier dokumentarische Erfahrungen, die seiner
späteren Lebensaufgabe, dem "Breuer-Buch", sicherlich
zugutekamen. Gezeigt wird hier Schulders einzige Miniatur; seine
Vorliebe galt an sich aber eher den Kompositionen der alten
deutschen Schule. 1.Se2 droht 2.Dg3+; 1.- Lf2 2.Df1+
K:f1/Kf3/Kh2 3.Lh3/Dh1/Dh3#, 1.- Lb8 2.Dg1+ Kf3 3.Ld5#, 1.- Le3+
2.K:e3 Kh2 3.Dg1#, 1.- Kf3 2.Dg3+ Ke4 3.Df4#.
Vor 125 Jahren wurde Julius Dohrn-Lüttgens
(2.1.1893-??) geboren, über dessen Lebensende mir keine
Daten bekannt sind. Mit 15 Jahren kam er zum Schach und befasste
sich schon bald mit der Lösung von Problemen. Um 1920 kam er
- über die Kultivierung einer entdeckten Nebenlösung -
zur Komposition und entwickelte sich später zu einem
Hilfsmatt-Experten, der sich systematisch auf Probleme mit
Bauern-Umwandlung konzentrierte.
Arnoldo Ellerman
El Diario 1913
#2 (12+8)
Als die FIDE 1954 die später PCCC genannte
Problemschach-Kommission ins Leben rief, wurden deren Mitglieder
ohne Rückfrage bei den Kandidaten von der FIDE ernannt. Die
Auswahl umfasste im Wesentlichen verdienstvolle Komponisten,
darunter auch den argentinischen Zweizüger-Experten Arnoldo
Ellerman (12.1.1893-21.11.1969), doch der konnte, ebenso wie
die nominierten Repräsentanten einiger anderer Länder,
unter den damals bestehenden Reisemöglichkeiten weder am
ersten Treffen 1956 in Budapest noch an späteren
Zusammenkünften teilnehmen. Ellerman ist einer der
bedeutendsten Zweizügerkomponisten aller Zeiten. Neben
Mansfield, Guidelli, Mari und Barulin gehörte er in den
1920er Jahren zu den Erneuerern des Zweizügers. Er war auch
quantitativ äußerst produktiv (fast 6000 Probleme gehen auf
ihn zurück). 1945 gab er eine Sammlung eigener Aufgaben
heraus, die unter dem Titel 1001 Problemas erschien. Es
ist die wohl umfangreichste Publikation mit Werken nur eines
einzigen Autors. Ellerman hielt aus seiner Anfangszeit die
folgende Aufgabe für besonders gelungen wegen des
Schlüssels, der das dreifache Springer-Opfer und das
Kreuzschach ermöglicht: 1.Se5! [2.Sf3#] Dc3+ 2.Se3#, 1.-
Dd1 2.Lb2#, 1.- Se1/Sh4 2.D:f4#, 1.- K:e5 2.S:b6#, 1.- L:e5
2.Dd2#, 1.- f:e5 2.D:b6#.
Georges Renaud (8.1.1893-28.7.1975) war
schachlich vielseitig: 1923 gewann er als Partiespieler die erste
französische Meisterschaft, 1945 wurde er
Fernschach-Meister, daneben gründete er 1922 die
Schach"-ecke des Eclaireur de soir in Nizza, die er bis
1930 leitete und zur größten französischen Schach"-ecke
machte, und er schrieb Bücher ganz unterschiedlicher Art:
Neben eröffnungstheoretischen Werken wandte er sich auch dem
Problemschach zu, schrieb zusammen mit A. C. White das 1924
erschienene Le problème d'échecs, das
außerhalb der Christmas-Serie erschien.
Max A. K. S. Karstedt (15.1.1868-22.3.1945)
hatte sich Anfang des 20. Jahrhunderts einen Namen als
Endspieltheoretiker und Studienkomponist gemacht. Um die
Jahrhundertwende war er Mitarbeiter des Deutschen
Wochenschachs, später auch bei den Deutschen
Schachblättern.
Über den amerikanischen Komponisten Henry Wald
Bettmann (14.1.1868-5.12.1935) gab es bereits im Dezember 2010
eine Kalenderblatt-Notiz. Jetzt ist an seinen 150. Geburtstag zu
erinnern. Erst im April 2017 wurde an den spanischen Problemisten
Aurelio Abela della Torre (1843-30.4.1892)
erinnert, dessen Geburtsjahr jetzt 175 Jahre zurückliegt.
Giovanni Battista Valle (1.1.1843-14.1.1905)
redigierte von 1875 bis 1902 den Problemteil der italienischen Nuova
Revista degli Scacchi. 1878 erschien eine Sammlung mit 100
seiner Probleme. 1891 gab er ein Buch über die Kunst des
Problemkomponierens heraus, das 1929, lange nach seinem Tod, eine
Neuauflage erlebte.
E. Grosdemange (1793-2.9.1878) gehörte zu
den bekanntesten französischen Problemkomponisten des 19.
Jahrhunderts. Er nahm an den bedeutendsten ersten
Problemturnieren teil: The Era 1856, Paris 1867 (3. Preis hinter
Bayer und Loyd) und wurde 3. im Turnier der Stratégie von
1875 (hinter Bayer und Valle).
Ph. J. van Zuylen van
Nyevelt
Het Schaakspel 1792
Weiß gewinnt (3+4)
Ein weiter Blick zurück führt uns zum vor 275 Jahren
geborenen Philip Julius Graf van Zuylen van
Nyevelt (5.1.1743-20.2.1826), der wohl als der
Gründungsvater der niederländischen Problemkomposition
bezeichnet werden darf. Er lebte etwa zeitgleich mit Elias Stein
(1748-1812; zu ihm siehe Heft 257), der dem französischen
Kulturkreis entstammte, während Zuylen van Nyevelt als
General und späterer Staatsrat und Oberbefehlshaber der
niederländischen Truppen eine wichtige Position innerhalb
der napoleonischen Ära einnahm. Neben Schach wandte er sich auch
anderen Gebieten zu; ein astronomisches Werk aus seiner Hand
erschien in seinem Todesjahr. In seinem früher (1792)
erschienenen Schachbuch (dem ersten original
niederländischen) mit dem Titel La
supériorité des échecs mise à la
porté de tout le monde, et particulièrement des
dames qui aiment cet amusement (im Niederländischen kurz
mit Het Schaak"-spel betitelt) veröffentlichte er
die ersten niederländischen Schachprobleme. Als Hommage an
das schöne Geschlecht verwendete der General galant ein
Schachbrett, in dem die Figuren in anmutiger Weise dargestellt
wurden. Aber trotz der Darstellungsweise enthält die Arbeit
einen ernsthaften Beitrag zur Entwicklung des Spiels, den
William Lewis später aufgriff und den er aus dem Werk des
niederländischen Grafen in seine Elements of the
Game of Chess (1822) übertrug. Aus Het Schaakspel
stammt auch das hier wiedergegebene Endspiel: 1.Th8+ Kg6 2.Tg8+
K~ 3.T:g5 K:g5 4.a6 g3 5.a7 g2 6.a8D g1D 7.Dg8+ und gewinnt.
Lewis und auch Johann Berger haben die Stellung in leicht
abgewandelter Fassung später in ihren Werken verwendet.
(GüBü)