Kalenderblatt
Witali Tschechower
Schachmaty w SSSR 1952
Remis (7+5)
Witali A. Tschechower (22.12.1908-11.2.1965)
nahm als erfolgreicher Partiespieler an mehreren sowjetischen
Meisterschaften teil, bevor er sich in den 1930er Jahren auf die
Studienkomposition konzentrierte. Bevorzugt kombinierte er
partieähnliche Stellungen mit paradox erscheinenden
Lösungen, so auch im hier gezeigten Beispiel: 1.Tc7+ Kb8
2.Tc4!! Dieser Zug verhindert zwar 2.- D:b6 wegen 3.Tb4, aber
sieht 2.- d:c4 nicht aussichtslos aus für Weiß?
Tatsächlich gelingt es ihm aber, eine uneinnehmbare Festung
aufzubauen mit dem wK auf b1 oder b2 und dem L auf der
Diagonalen d8-h4 oder a7-e3\@. Spielt S Db5, geht der wK nach a1
zurück, um das Eindringen des sK über a3 mit einem
L-Schach zu verhindern. Die weitere Zugfolge kann z. B.\ sein:
3.Ld4 De1+ 4.Kb2 Kb7 5.Lc5 Ka6 6.Ld4 Kb5 7.La7 De7 8.Ld4 Ka4
9.Ka2 Da3+ 10.Kb1 Ka5 11.Le5 Kb5 12.Lf6 Ka4 13.Ld4 De7 14.Kb2
De4 15.Kb1 Dd5 16.Kb2 Df5 17.Le3 Dh7 18.Ld4 und Schwarz kommt
nicht weiter. Weiß darf den T nicht sofort hergeben
(1.Ld4? K:b7), weil es dem sK dann gelingt, über c4 in die
wStellung einzudringen.
Vor einem halben Jahrhundert verstarb auch Pehr
Henrik Törngren (29.10.1908-19.1.1965), der ein bekannter
schwedischer Psychoanalytiker war und sich in jungen Jahren
intensiv mit Schachproblemen befasste. 1928 erschien sein Buch Schackproblemet:
en handbok för alla problem vänner, das er gemeinsam
mit (seinem Bruder?) Eric Törngren verfasste und das auch
auf deutsch erschien. Es war das erste schwedische Problembuch,
das über eine reine Aufgabensammlung hinausging. Später
schrieb Törngren medizinische Fachbücher und
übersetzte Schriften von Thomas Mann und Sigmund Freud.
Das amerikanische Brüderpaar Isador und Morris
Hochberg kam um 1930 zum Schach und leitete einige Jahre den
Problemteil des Chess Correspondent. Die 1911 bzw. 1913
geborenen Brüder teilten ein tragisches und kurzes, vor
nunmehr 75 Jahren zu Ende gegangenes Leben. Noch im Kindesalter
wurden beide in kurzem Abstand von einer schwerwiegenden
Krankheit befallen, die zu weitgehender Lähmung führte
und ihnen jede Bewegungsfreiheit nahm, es nicht einmal mehr
ermöglichte, einen Zug auf dem Schachbrett auszuführen.
Trotz ihrer Handicaps führten sie ein reiches
intellektuelles Leben, in dem ihre redaktionelle Tätigkeit
einen wichtigen Platz einnahm. In den wenigen Jahren, die ihnen
fürs Schach blieben, gaben die Brüder ein Buch Chess
Plays heraus, dem wohl weitere Bände folgen sollten, da sie
es als "Band 1" kennzeichneten. Aber Anfang 1940 wurden beide
innerhalb weniger Wochen Opfer ihrer Leiden und verstarben am
15.2. (Morris) bzw. am 8.5.1940 (Isador).
Rudolf Weinheimer
Der Strom 1934
#3 (6+10)
Der Wiener Bäckermeister Rudolf Weinheimer
(3.1.1862-28.2.1940) war "ein Komponist von Weltruf, und seine
Aufgaben, meist Mehrzüger, zeichneten sich durch Tiefe der
Anlage aus", schrieb die DSZ 1940 im Nachruf. Wir hatten
ihm schon im Heft 253 (Februar 2012) zu seinem 150.\ Geburtstag
eine Notiz gewidmet, jetzt jährt sich sein Todestag zum 75.
Mal. Seine hier gezeigte Aufgabe böte heute bei einem
Löseturnier sicherlich eine gute Gelegenheit, das Feld
auseinanderzuziehen. 1.Df8 droht 2.Ke6 nebst 3.D:f5#, wogegen
sich Schwarz mit 1.- Tc1 verteidigt, um auf f1 zu decken. Aber
wie geht es weiter? Nach 2.Dh6 droht nichts - aber Schwarz muss
sich verwundert die Augen reiben und hier völlig unerwartet
feststellen, dass er in Zugzwang ist.
Joseph W. Abbott
Brentano's Chess
Monthly 1882
3. Pr. Int. Probl.-Turn. 1882
#4 (11+8)
Vor 175 Jahren wurde Joseph William Abbott
geboren (5.2.1840-5.8.1923). In der seit 1865 erscheinenden
technisch-wissenschaftlichen Wochenzeitung English
Mechanic eröffnete er 1872 eine Schachspalte, deren
Leitung er 1876 an James Pierce übergab (vgl. Kalenderblatt
in Heft 266 - April 2014). Später (1888) redigierte Abbott
auch kurz die berühmte Schachecke in den
Illustrated London News. 1887 erschien seine Collection
of 121 Chess Problems, eine Sammlung eigener Aufgaben. Wie
damals üblich, enthält das Buch nur Diagramme mit
unkommentierten Lösungen. Im Vorwort verrät der Autor,
dass es sich ausschließlich um Nachdrucke handelt und er
nennt 17 Probleme, die Turnierauszeichnungen erhalten haben -
das aber "without entering into particulars of time and place."
Die einzige Ausnahme bildet das hier wiedergegebene
Titelproblem, zu dem "Time and Place" und auch die Art der
Auszeichnung genannt werden: 1.Da8! [2.Dd5] 1.- Sb6 2.Sa3 S:a8
3.Sc4+ nebst 4.Lc2#; 2.- e6 3.Lc2 [4.De4, Lg3#] 3.- Sd5/f5
4.Sc4/Dh8#; 1.- e6 2.L:g4 [3.Lg3] 2.- Se2 3.Se8 nebst L# oder
2.- f5 3.Dh8+ Ke4 4.Dd4#; 1.- Kf5 2.Sd4+ K:g6 3.De8+ nebst
4.Sf5#. Die Preisrichter hoben seinerzeit die Schwierigkeit und
Eleganz des Problems hervor.
Sören A. Sörensen
1309v DSZ 1862
#3 (8+7)
Der dänische Kapitän, Schachspieler und Problemist Sören
Anton Sörensen (31.1.1840-11.2.1896) gab mehrere Jahre das
dänische Nordisk Skaktidende heraus, in dem er sich
in erster Linie als Partie-Theoretiker äußerte. Als
Problemist komponierte er mit Alfred Arnell viele
Gemeinschaftsaufgaben, 1879 erschien in Kopenhagen eine von
beiden herausgegebene Zusammenstellung der besten Probleme
nordischer Komponisten aus dem Zeitraum 1858-1878\@.
Sörensens hier wiedergegebener Dreizüger zeigt einen
"Schlagrömer niederer Art" (so J. Breuer in seinem Buch zu
Nr. 287) und erschien mehr als 40 Jahre vor dem
Römer-Stammproblem: 1.Lh5? mit der Drohung 2.Lf7 scheitert
an 1.- Lg6! 2.Sd4 Lf7!, daher 1.Lf3! L:f5 2.Sd4 Le6 3.S:e6#.
Dass das römische Geschehen noch nicht in der Intention des
Autors lag, zeigt die unlösbare Erstfassung, in der der
wLd1 schon auf h5, der wSc2 auf e2 und der wT auf a6 stand, also
keine römische Spur vorhanden war. Es ist ein kleiner
historischer Witz, dass zu den Unlösbarkeit reklamierenden
Lesern auch der damals 18-jährige Johannes Kohtz
gehörte, der den Römer 1905 aus der Taufe hob.
Noch ein Kapitän, jetzt ein englischer: Vor 225 Jahren wurde
William Davies Evans geboren
(27.1.1790-3.8.1872), den die Schachwelt als Captain Evans in
Erinnerung behalten hat, insbesondere die Partiespieler, für
die er das im 19. Jahrhundert sehr aktuelle Evans-Gambit
propagiert hatte. Eine auch heute noch bedeutendere Erfindung
geht auf ihn zurück, nämlich die dreifarbigen
(rot/grün/weiß) Positionslichter für Schiffe, die
sich schnell international durchsetzte, weil damit die Sicherheit
des Schiffsverkehrs bedeutend verbessert werden konnte. Als
Problemist ist Evans nicht besonders hervorgetreten, doch es gibt
einige um 1850 herum im Chess Player's Chronicle
erschienene Viersteiner von ihm.(GüBü)