Todesfall
Kurz vor Redaktionsschluss erfuhren wir, dass der sympathische
georgische Studienkomponist Juri Akobia, der im letzten
Jahr noch sehr aktiv am WFCC-Treffen in Batumi teilnahm, am 5.
November im Alter von 77 Jahren verstorben ist. Über seine
Website (http://akobiachess.gol.ge/index.html) wurde in den
letzten Jahren die Wahl der Studie des Jahres abgewickelt, und so
war es auch für dieses Jahr vorgesehen.
Kalenderblatt
Über Nenad Petrović
(7.9.1907-9.11.1989) erschien im Oktober-Heft
2007 zu seinem 100. Geburtstag eine Notiz, in der die
wichtigsten Angaben (u. a. Gründung der PCCC und der
FIDE-Alben) zu diesem "Übervater" des modernen
Problemschachs aufgeführt wurden. Jetzt jährt sich sein
Todestag sich zum 25. Mal.
Samuel Isenegger
Tijdschrift vd KNSB 1959
4. ehr. Erwähnung
W gewinnt (5+4)
Dem schweizerischen Studienkomponisten Samuel
Isenegger (2.11.1899-15.11.1964) widmete Jürgen Fleck im
Dezemberheft 1999 einen Gedenkartikel zum 100. Geburtstag (Heft
180, Seiten 288-292). Zu seinem 50. Todestag hier eine seiner
Kompositionen, die im Hauptspiel zu einem schnellen Matt
führt, was der Stellung nicht anzusehen ist: Nach 1.Ld7+
Kg5 folgt ein sehr überraschendes T-Opfer 2.T:h4!
K:h4 (Nach 2.- Ta2 gewinnt W partiegemäß mit 3.T(d4)
T:f2 4.Lh3, Lc6 usw.) 3.g3+ Kg5 4.Kg7!
Plötzlich droht Matt durch f4, wogegen nur 4.-
h4 hilft, aber das Matt wird dadurch nur hinausgeschoben. 5.f4+
Kh5 6.g4#. Ein mehrfach von Isenegger bearbeitetes Thema zeigt
den Kampf von Bauern gegen Figuren. Dies hatte die
internationale Studiengruppe ARVES zum Anlass genommen, beim
diesjährigen Weltkongress ein Studienturnier mit diesem
"David gegen Goliath-Thema" als Isenegger-Gedenkturnier
auszuschreiben - 50 Jahre nach seinem Tod und an seinem
Geburtsort Bern.
Martin Minski
ARVES Jenever-T. Bern 2014 (Isenegger-GT) 2014
4. Preis
W gewinnt (7+5)
Martin Minski konnte darin den 4. Preis und einige weitere
Auszeichnungen erringen (s. Diagr.; Lösung:
1.g7 La2 (1.- Ld6+ 2.Kh4 Lg3+! 3.K:g3 La2 4.c4! siehe
Hauptvariante) 2.c4! (2.Kh4?? T:d4!-+)
2.- Ld6+! (2.T:c4 3.g8D!+-) 3.Kh4 Lg3+! 4.K:g3
L:c4 (4.T:c4 5.g8D! (5.g8S+?? Kg5-+) 5.- Tc3+ 6.Kh4 Th3+ 7.K:h3
L:g8 8.Kh4 (8.d5? Kg5! 9.d6 K:f6 10.d7 Ke7=) 8.- Ld5 9.g5#) 5.Kh4
Ta5 6.d5! T:d5 (6.- L:d5 7.g5#) 7.g8S#!
(7.g8D?? T:h5+! 8.g:h5 L:g8-+). Dem Preisrichter Yochanan Afek
gefiel die bunte Mischung klassischer Motive: Doppelter Novotny,
Gegenspiel mit Opfern, Modellmatts und dazu noch eine
Unterverwandlung reichern dieses köstliche Mahl an. Das
hätte sicher auch Isenegger gefallen.
Ludwig Noack
Die Schwalbe 1937
1. Preis
#3 (5+4)
Vor 75 Jahren starb Ludwig Noack
(5.6.1853-29.12.1939), den eine juristische Laufbahn vom
Staatsanwalt bis zum langjährigen Leiter der schlesischen
Bodenkreditbank führte. Sein Interesse an Schachproblemen
erwachte Ende der 1870er Jahre. Im Problemturnier des Deutschen
Schachbunds 1882 konnte er mit einem Vierzüger den 1.
Preis, im Folgejahr den 1. Sendungspreis erzielen. Dem Stil der
Zeit entsprechend, lag seine Stärke zunächst in
variantenreichen und meist schwierigen Vierzügern,
später gelangen ihm auch elegante böhmische Aufgaben,
wofür der hier wiedergegebene Preisträger aus der Schwalbe
steht: Nach dem Schlüssel 1.Sc6! ergeben sich zwei
prachtvolle Echomatts: 1.- b:c6 2.De3+ Kd5 3.Dd4 und 1.- b:c2
2.De5+ Kd3 3.Dd4, ferner 1.- b2/b5,6 2.Se7/Sb4, 1.- Kd5 2.De5+.
Seinen 100. Geburtstag hätte der vor zwei Jahren verstorbene
Oscar Bonivento (27.11.1914-1.10.2012) jetzt
begehen können. Er übernahm 1965 die Problemspalte in L'Italia
scacchistica, die er jahrzehntelang leitete. Seine beachtliche
Bibliothek mit mehr als 2000 Titeln diente ihm vermutlich als
wichtige Quelle für die Buchprojekte seines letzten
Lebensjahrzehnts, in denen er ein umfassendes Panorama
italienischen Problemschaffens vorlegte.
In meinen problemschachlichen Anfangsjahren beeindruckten mich
zwei Problemisten ganz besonders, die beide die Gabe hatten,
Anfänger fürs Problemschach, insbesondere für das
Märchenschach, zu begeistern. Beide wurden vor nunmehr 100
Jahren geboren: Anthony S. M. Dickins
(1.11.1914-26.11.1987) und Peter Kniest
(15.12.1914-15.12.1993). Peter Kniest war eher der engagierte
Macher, der über Jahrzehnte hinweg ein immenses
Arbeitspensum absolvierte, wobei er neben vielfältiger
redaktioneller Tätigkeit auch als Drucker einsprang (er
rettete die Schwalbe, als er nach der Erscheinungs-Pause von 1958
sein Architekturbüro so ausrüstete, dass er die Schwalbe
drucken konnte - neben seiner Tätigkeit als Herausgeber und
Drucker von Feenschach/feenschach; in feenschach
fand ich damals insbesondere die detaillierte Berichterstattung
von den PCCC-Treffen, die er (gemeinsam mit seinem "Lehrling"
bernd ellinghoven) publizierte, höchst interessant. PK-t
äußerte sich (ca. 1964) selbstironisch über sein
schachliches Engagement: "Manchmal, wenn ich nicht gerade
schachlich zu sehr verpflichtet bin (zum Beispiel für die
Schwalbe), übe ich den Beruf eines freischaffenden
Architekten aus."
Peter Kniest
National-Zeitung Essen 1938
#3 (8+10)
In seiner Anfangszeit hatte er intensiven Kontakt zu Anton
Trilling, den er häufig in Essen besuchte. Trilling regte
ihn immer wieder an, bizarre Varianten einzelner logischer
Themen darzustellen, die er für seine 1937 begonnene
"Terminologie der Neudeutschen Problemschule" benötigte.
Dabei entstand auch der hier gezeigte Dreizüger, der mit
dem originalen Trilling'schen Lösungstext wiedergegeben
sei: Die ideegemäße Verführung liegt sehr
nahe: 1.Te4? d:e5! Diese Verteidigungsmöglichkeit muss
erst durch den Vorplan beseitigt werden: 1.Te3! [2.Td3] 1.-
S:e5 2.Te4 Sc6/S:c4/Tf4 3.Tb5/b:c4/Se3#. Dreimal Dresdner. Die
Vorplanlenkung geschieht zu dem Zweck, dem sBd6 die gute
Verteidigung zu nehmen. Dafür werden drei schlechte
Verteidigungszüge möglich gemacht, die drei
verschiedene dresdnerische Abspiele ergeben: Einen
Verstellungs- und Schlagdresdner, Brunner-Typ, und einen
Verstellungsdresdner, Palitzsch-Typ. Die Vorplanlenkung zeigt
einen neuartigen Mechanismus: "Herausschlag eines
Schlagobjektes", der Beachtung verdient.
ASMD, so das damals allgemein übliche Kürzel für
Anthony Dickins, war zwar auch als (Märchenschach-)
Publizist tätig, verkörperte aber mehr den
poetisch-verspielten Komponisten als den rationalen Praktiker.
Seine Begeisterung für Lewis Carroll's Alice in
Wonderland brachte ihn zu Alice in Fairyland, einer
Broschüre, die auf einem Vortrag basiert, den er vor der
Lewis Carroll-Gesellschaft gehaltenen hatte. Damit verbreitete er
den Märchenschach-Bazillus unter den Literaten, die ganz
fasziniert auf die ihnen zwar ganz ungewohnte, aber vielleicht
gar nicht so wesensfremde Welt reagierten. Als ASMD 1979 zu einem
Treffen nach Kew einlud, um Dawsons 90. Geburtstag zu feiern
(auch er heute ein Jubilar!), entdeckten die ausländischen
Gäste bei Harrods in London Alice-Schachfiguren, die sie
einem sehr bewegten ASDM zum Geschenk machten.
Thomas R. Dawson
Die Schwalbe 1937
#3 (9+5)
Über Thomas Rayner Dawson
(28.11.1889-16.12.1951) muss nicht viel gesagt werden, da er
auch mehr als 60 Jahre nach seinem Tod noch als eine Vaterfigur
des Märchenschachs anerkannt ist. Auf ihn gehen eine ganze
Reihe von Märchenelementen zurück; am bekanntesten
dürften wohl Nachtreiter und Grashüpfer sein. Er
gehörte 1926 zu den Gründern des Problemist;
1933 gründete er die Fairy Chess Review und er
zählt auch zu den Begründern der Retroanalyse; sein
zusammen mit W. Hundsdorfer verfasstes und 1915 in der
Christmas-Series erschienenes Retrograde Analysis war das
erste diesem Themenkreis gewidmete Buch. In seinem Schwalbe-Problem
von 1937 führt TRD vor, wie eine ganze Nachtreiter-Quadriga
zu bändigen ist. Nach 1.Lc4! herrscht Zugzwang. Die
Nachtreiter decken die potentiellen Mattfelder b2, b7, a4 und d8
und es gibt vier N-Schnittpunkte (d3, c5, f4, e6). Um auf den
Deckungslinien zu bleiben, hat Schwarz nichts anderes als die
Besetzung der Schnittpunkte, wodurch es zu wechselseitigen
Holzhausen-Verstellungen auf vier Linien kommt: Schnittpunkt d3:
1.- Ned3 2.Tb2+ N:b2 3.Tb7# oder 1.- Nhd3 2.Tb7+ N:b7 3.Tb2#;
Schnittpunkt c5: 1.- Nec5 2.Sa4+ N:a4 3.Tb7# oder 1.- N7c5
2.Tb7+ N:b7 3.Sa4#; Schnittpunkt f4: 1.- N2f4 2.Tb2+ N:b2 3.Ld8#
oder 1.- Nhf4 2.Ld8+ N:d8 3.Tb2# und schließlich
Schnittpunkt e6: 1.- N2e6 2.Sa4+ N:a4 3.Ld8 oder 1.- N7e6 2.Ld8+
N:d8 3.Sa4#.
Théodore Herlin
Le Palamède 1845
#4 (5+2)
Nur wenige Wochen bevor TRD vor 125 Jahren geboren wurde, endete
das Leben Theodore A. L. Herlins
(22.7.1817-2.11.1889), der auch als der Anonymus
von Lille in die Schachliteratur einging. Viele seiner Probleme
erschienen in Le Palamède, La Régence und La
nouvelle Régence, so auch sein berühmter Erstling,
mit dem er gleich in die Problemgeschichte einging - der erste
Peri-Inder, der im gleichen Jahr wie Lovedays Ur-Inder erschien
und nach ihm auch als Herlin benannt wird: 1.Kc7 (zuerst wird
das kritische Feld verstellt) Ka5 2.Lf6 Ka6 3.Ld8 Ka5 4.Kb7#. Im
"richtigen Leben" beschäftigte sich Herlin mit
mathematischen und physikalischen Problemen - insbesondere im
Hinblick auf akustische Phänomene. Er war in seinen
späteren Jahren stellvertretender Leiter der Musikakademie
von Lille und schrieb deren kurze, die Periode von 1816-1883
umfassende Geschichte.
Der Norweger Johan Scheel (26.12.1889-4.12.1958)
war Spezialist für Dreizüger im böhmischen Stil.
1924 erschien eine Auswahl seiner Aufgaben (200
Schakopgaver), in der viele Stücke mit stillen Zügen
zu sehen sind.
P. August d'Orville
Le Palamède 1837
#5 (7+1)
Peter August d'Orville (15.5.1804-11.11.1864),
der vor 150 Jahren verstarb, entstammte einem Offenbacher
Kaufmannsgeschlecht. Wegen seines zeitweisen Aufenthalts in
Antwerpen und seines Gebrauchs der französischen Sprache
hielten ihn Kohtz und Kockelkorn im Indischen Problem
für einen Franzosen, zumal er seine Probleme ab Mitte der
1830er Jahre im Palaméde veröffentlichte (der
damals einzigen kontinentaleuropäischen Schachzeitschrift).
Sie unterschieden sich grundlegend von den zu jener Zeit
üblichen Hau-Ruck-Kompositionen und zeichneten sich durch
das Streben nach ökonomischer Darstellung und der Anwendung
stiller Züge aus, wobei es d'Orville um den Reiz des
Mattbilds ging, den er als Erster der Schachwelt erschloss. -
1.Sge5 Ke3 2.c3 Kd2 3.Sc4+ K:d3 4.b4 K:c4 5.Le2#.
Bernhard Hülsen
Brüderschaft 1887
#4 (4+8)
1892 stellte Albert Heyde, der Herausgeber des Deutschen
Wochenschachs, seiner Leserschaft den damals 28-jährigen
Bernhard Hülsen (1.11.1864-11.12.1933) vor als
Mitherausgeber, der seit Herbst 1887 (damals war es noch die
Brüderschaft)
für den Problemteil verantwortlich war (er behielt diese
Tätigkeit bis 1902 bei). Zuvor hatte er schon von 1882-88
eine Schachspalte im Wittenberger Kreisblatt
gegründet und geleitet. Daneben war er auch als Komponist
recht produktiv und verfasste im Lauf von etwa 40 Jahren um die
1000 Probleme. Hier ein Beispiel aus seiner frühen
Schaffensphase: 1.Lc3! [2.Lb4] 1.- a5 2.Le5 d:e5 3.Sb5 nebst
4.Sc3# oder 2.- d5 3.Sc3+ K:c3 4.Ld6#; 1.- d5 2.Ld4 nebst
3.Sc3+, 4.Lc5#.
Vor 175 Jahren wurde Edward Nathan Frankenstein
(18.12.1839-13.3.1913) geboren. Er war der Initiator des 1887
erschienenen Chess Problem Text-Book, das er gemeinsam mit
H.J.C. Andrews, B.G. Laws und C. Planck schrieb und das für
lange Zeit als das englische Standard-Problemschachwerk
galt.
Gustavus Reichhelm
Brentano's Chess Monthly 1881
#18 (2+7)
Der amerikanische Komponist Gustavus Charles
Reichhelm (6.11.1839-30.11.1905) leitete eine Schachspalte in
der Philadelphia Times und war Spezialist für
langzügige Aufgaben. In dem hier gezeigten Werk gibt es ein
gigantisches Ringen zu bewundern, bei dem der wS gegen den vom
sB unterstützen sL gewinnt. Um Matts auf c3 oder a3 geben
zu können, muss der wS versuchen, über eines der
Felder a4, b5, c4 oder d1 einzudringen. Wenn der wS nach d6
gelangt, kann der sL nur zwei der Einbruchsfelder b5, c4 und e4
decken, daher muss der sB auf a6 die dritte Deckung
übernehmen. Weitere kritische Deckungen, die der sL im Auge
behalten muss, ergeben sich nach Se3 (Lb3!), Sc5 (Lc6!) sowie
Sb6 (Lb3!) (nach vorherigem a7-a6). 1.Sh3 L~
(e4) (Nach 1.- Ld5? kommt W schon früher ans Ziel mit
2.Sg5 L(c6) 3.Sf7 Ld5 4.Sd6! und W hat die kritische Stellung
zwei Züge früher erreicht als in der Lösung.) 2.Sf4.
Hier nicht 2.Sg5? Ld5!, denn 3.Sh7 4.Sf6 Lc6 5.Sg4 Ld5 6.Se3 Lb3
7.Sf5 usw. dauert zu lange. L~(c6) 3.Se6 Ld5.
Nicht 3.- Lc6 4.Sc5! Zz a6 5.S:a6 mit deutlicher Abkürzung.
4.Sd4 Lc4 5.Sf5 Ld5 6.Sd6! a6. Jetzt kann der
wS b6 ansteuern, was den sL an b3 bindet: 7.Sc8
8.Sb6 Lb3 9.Sd7 Ld5 10.Sc5 Lc6 11. S:a6. Damit kann Schwarz den
nächsten Angriff durch Sd6 nicht mehr parieren: 12.Sc5
Lc6 13.Se6 14.Sd4 Lc6 15.Sf5 nebst 16.Sd6 und 18.S#.