Heft 270, Dezember 2014

Todesfall

Kurz vor Redaktionsschluss erfuhren wir, dass der sympathische georgische Studienkomponist Juri Akobia, der im letzten Jahr noch sehr aktiv am WFCC-Treffen in Batumi teilnahm, am 5. November im Alter von 77 Jahren verstorben ist. Über seine Website (http://akobiachess.gol.ge/index.html) wurde in den letzten Jahren die Wahl der Studie des Jahres abgewickelt, und so war es auch für dieses Jahr vorgesehen.

Kalenderblatt

Über Nenad Petrović (7.9.1907-9.11.1989) erschien im Oktober-Heft 2007 zu seinem 100. Geburtstag eine Notiz, in der die wichtigsten Angaben (u. a. Gründung der PCCC und der FIDE-Alben) zu diesem "Übervater" des modernen Problemschachs aufgeführt wurden. Jetzt jährt sich sein Todestag sich zum 25. Mal.

Samuel Isenegger

Tijdschrift vd KNSB 1959

4. ehr. Erwähnung

wKh8, wTh2, wLe8, wBf2g2, sKg4, sTa5, sLh4, sBh5

W gewinnt (5+4)

Dem schweizerischen Studienkomponisten Samuel Isenegger (2.11.1899-15.11.1964) widmete Jürgen Fleck im Dezemberheft 1999 einen Gedenkartikel zum 100. Geburtstag (Heft 180, Seiten 288-292). Zu seinem 50. Todestag hier eine seiner Kompositionen, die im Hauptspiel zu einem schnellen Matt führt, was der Stellung nicht anzusehen ist: Nach 1.Ld7+ Kg5 folgt ein sehr überraschendes T-Opfer 2.T:h4! K:h4 (Nach 2.- Ta2 gewinnt W partiegemäß mit 3.T(d4) T:f2 4.Lh3, Lc6 usw.) 3.g3+ Kg5 4.Kg7! Plötzlich droht Matt durch f4, wogegen nur 4.- h4 hilft, aber das Matt wird dadurch nur hinausgeschoben. 5.f4+ Kh5 6.g4#. Ein mehrfach von Isenegger bearbeitetes Thema zeigt den Kampf von Bauern gegen Figuren. Dies hatte die internationale Studiengruppe ARVES zum Anlass genommen, beim diesjährigen Weltkongress ein Studienturnier mit diesem "David gegen Goliath-Thema" als Isenegger-Gedenkturnier auszuschreiben - 50 Jahre nach seinem Tod und an seinem Geburtsort Bern.

Martin Minski

ARVES Jenever-T. Bern 2014 (Isenegger-GT) 2014

4. Preis

wKg3, wBc2d4f6g4g6h5, sKh6, sTa4, sLb1c5, sBh7

W gewinnt (7+5)

Martin Minski konnte darin den 4. Preis und einige weitere Auszeichnungen erringen (s. Diagr.; Lösung: 1.g7 La2 (1.- Ld6+ 2.Kh4 Lg3+! 3.K:g3 La2 4.c4! siehe Hauptvariante) 2.c4! (2.Kh4?? T:d4!-+) 2.- Ld6+! (2.T:c4 3.g8D!+-) 3.Kh4 Lg3+! 4.K:g3 L:c4 (4.T:c4 5.g8D! (5.g8S+?? Kg5-+) 5.- Tc3+ 6.Kh4 Th3+ 7.K:h3 L:g8 8.Kh4 (8.d5? Kg5! 9.d6 K:f6 10.d7 Ke7=) 8.- Ld5 9.g5#) 5.Kh4 Ta5 6.d5! T:d5 (6.- L:d5 7.g5#) 7.g8S#! (7.g8D?? T:h5+! 8.g:h5 L:g8-+). Dem Preisrichter Yochanan Afek gefiel die bunte Mischung klassischer Motive: Doppelter Novotny, Gegenspiel mit Opfern, Modellmatts und dazu noch eine Unterverwandlung reichern dieses köstliche Mahl an. Das hätte sicher auch Isenegger gefallen.

Ludwig Noack

Die Schwalbe 1937

1. Preis

wKa7, wDg3, wLg4, wSc2d4, sKe4, sSh4, sBb3b7

#3 (5+4)

Vor 75 Jahren starb Ludwig Noack (5.6.1853-29.12.1939), den eine juristische Laufbahn vom Staatsanwalt bis zum langjährigen Leiter der schlesischen Bodenkreditbank führte. Sein Interesse an Schachproblemen erwachte Ende der 1870er Jahre. Im Problemturnier des Deutschen Schachbunds 1882 konnte er mit einem Vierzüger den 1. Preis, im Folgejahr den 1. Sendungspreis erzielen. Dem Stil der Zeit entsprechend, lag seine Stärke zunächst in variantenreichen und meist schwierigen Vierzügern, später gelangen ihm auch elegante böhmische Aufgaben, wofür der hier wiedergegebene Preisträger aus der Schwalbe steht: Nach dem Schlüssel 1.Sc6! ergeben sich zwei prachtvolle Echomatts: 1.- b:c6 2.De3+ Kd5 3.Dd4 und 1.- b:c2 2.De5+ Kd3 3.Dd4, ferner 1.- b2/b5,6 2.Se7/Sb4, 1.- Kd5 2.De5+.

Seinen 100. Geburtstag hätte der vor zwei Jahren verstorbene Oscar Bonivento (27.11.1914-1.10.2012) jetzt begehen können. Er übernahm 1965 die Problemspalte in L'Italia scacchistica, die er jahrzehntelang leitete. Seine beachtliche Bibliothek mit mehr als 2000 Titeln diente ihm vermutlich als wichtige Quelle für die Buchprojekte seines letzten Lebensjahrzehnts, in denen er ein umfassendes Panorama italienischen Problemschaffens vorlegte.

In meinen problemschachlichen Anfangsjahren beeindruckten mich zwei Problemisten ganz besonders, die beide die Gabe hatten, Anfänger fürs Problemschach, insbesondere für das Märchenschach, zu begeistern. Beide wurden vor nunmehr 100 Jahren geboren: Anthony S. M. Dickins (1.11.1914-26.11.1987) und Peter Kniest (15.12.1914-15.12.1993). Peter Kniest war eher der engagierte Macher, der über Jahrzehnte hinweg ein immenses Arbeitspensum absolvierte, wobei er neben vielfältiger redaktioneller Tätigkeit auch als Drucker einsprang (er rettete die Schwalbe, als er nach der Erscheinungs-Pause von 1958 sein Architekturbüro so ausrüstete, dass er die Schwalbe drucken konnte - neben seiner Tätigkeit als Herausgeber und Drucker von Feenschach/feenschach; in feenschach fand ich damals insbesondere die detaillierte Berichterstattung von den PCCC-Treffen, die er (gemeinsam mit seinem "Lehrling" bernd ellinghoven) publizierte, höchst interessant. PK-t äußerte sich (ca. 1964) selbstironisch über sein schachliches Engagement: "Manchmal, wenn ich nicht gerade schachlich zu sehr verpflichtet bin (zum Beispiel für die Schwalbe), übe ich den Beruf eines freischaffenden Architekten aus."

Peter Kniest

National-Zeitung Essen 1938

wKb6, wTb4e1, wLa1, wSc4d2, wBb3e5, sKd5, sTf8h7, sLd7h6, sSf7, sBb7d6e6f3

#3 (8+10)

In seiner Anfangszeit hatte er intensiven Kontakt zu Anton Trilling, den er häufig in Essen besuchte. Trilling regte ihn immer wieder an, bizarre Varianten einzelner logischer Themen darzustellen, die er für seine 1937 begonnene "Terminologie der Neudeutschen Problemschule" benötigte. Dabei entstand auch der hier gezeigte Dreizüger, der mit dem originalen Trilling'schen Lösungstext wiedergegeben sei: Die ideegemäße Verführung liegt sehr nahe: 1.Te4? d:e5! Diese Verteidigungsmöglichkeit muss erst durch den Vorplan beseitigt werden: 1.Te3! [2.Td3] 1.- S:e5 2.Te4 Sc6/S:c4/Tf4 3.Tb5/b:c4/Se3#. Dreimal Dresdner. Die Vorplanlenkung geschieht zu dem Zweck, dem sBd6 die gute Verteidigung zu nehmen. Dafür werden drei schlechte Verteidigungszüge möglich gemacht, die drei verschiedene dresdnerische Abspiele ergeben: Einen Verstellungs- und Schlagdresdner, Brunner-Typ, und einen Verstellungsdresdner, Palitzsch-Typ. Die Vorplanlenkung zeigt einen neuartigen Mechanismus: "Herausschlag eines Schlagobjektes", der Beachtung verdient.

ASMD, so das damals allgemein übliche Kürzel für Anthony Dickins, war zwar auch als (Märchenschach-) Publizist tätig, verkörperte aber mehr den poetisch-verspielten Komponisten als den rationalen Praktiker. Seine Begeisterung für Lewis Carroll's Alice in Wonderland brachte ihn zu Alice in Fairyland, einer Broschüre, die auf einem Vortrag basiert, den er vor der Lewis Carroll-Gesellschaft gehaltenen hatte. Damit verbreitete er den Märchenschach-Bazillus unter den Literaten, die ganz fasziniert auf die ihnen zwar ganz ungewohnte, aber vielleicht gar nicht so wesensfremde Welt reagierten. Als ASMD 1979 zu einem Treffen nach Kew einlud, um Dawsons 90. Geburtstag zu feiern (auch er heute ein Jubilar!), entdeckten die ausländischen Gäste bei Harrods in London Alice-Schachfiguren, die sie einem sehr bewegten ASDM zum Geschenk machten.

Thomas R. Dawson

Die Schwalbe 1937

wKc8, wTd2f7, wLb5g5, wSc3c6, wBd4d5, sKb6, sSUe1g2g7h5

#3 (9+5)

Über Thomas Rayner Dawson (28.11.1889-16.12.1951) muss nicht viel gesagt werden, da er auch mehr als 60 Jahre nach seinem Tod noch als eine Vaterfigur des Märchenschachs anerkannt ist. Auf ihn gehen eine ganze Reihe von Märchenelementen zurück; am bekanntesten dürften wohl Nachtreiter und Grashüpfer sein. Er gehörte 1926 zu den Gründern des Problemist; 1933 gründete er die Fairy Chess Review und er zählt auch zu den Begründern der Retroanalyse; sein zusammen mit W. Hundsdorfer verfasstes und 1915 in der Christmas-Series erschienenes Retrograde Analysis war das erste diesem Themenkreis gewidmete Buch. In seinem Schwalbe-Problem von 1937 führt TRD vor, wie eine ganze Nachtreiter-Quadriga zu bändigen ist. Nach 1.Lc4! herrscht Zugzwang. Die Nachtreiter decken die potentiellen Mattfelder b2, b7, a4 und d8 und es gibt vier N-Schnittpunkte (d3, c5, f4, e6). Um auf den Deckungslinien zu bleiben, hat Schwarz nichts anderes als die Besetzung der Schnittpunkte, wodurch es zu wechselseitigen Holzhausen-Verstellungen auf vier Linien kommt: Schnittpunkt d3: 1.- Ned3 2.Tb2+ N:b2 3.Tb7# oder 1.- Nhd3 2.Tb7+ N:b7 3.Tb2#; Schnittpunkt c5: 1.- Nec5 2.Sa4+ N:a4 3.Tb7# oder 1.- N7c5 2.Tb7+ N:b7 3.Sa4#; Schnittpunkt f4: 1.- N2f4 2.Tb2+ N:b2 3.Ld8# oder 1.- Nhf4 2.Ld8+ N:d8 3.Tb2# und schließlich Schnittpunkt e6: 1.- N2e6 2.Sa4+ N:a4 3.Ld8 oder 1.- N7e6 2.Ld8+ N:d8 3.Sa4#.

Théodore Herlin

Le Palamède 1845

wKd6, wLd4, wSc8, wBa3c4, sKa6, sBa4

#4 (5+2)

Nur wenige Wochen bevor TRD vor 125 Jahren geboren wurde, endete das Leben Theodore A. L. Herlins (22.7.1817-2.11.1889), der auch als der Anonymus von Lille in die Schachliteratur einging. Viele seiner Probleme erschienen in Le Palamède, La Régence und La nouvelle Régence, so auch sein berühmter Erstling, mit dem er gleich in die Problemgeschichte einging - der erste Peri-Inder, der im gleichen Jahr wie Lovedays Ur-Inder erschien und nach ihm auch als Herlin benannt wird: 1.Kc7 (zuerst wird das kritische Feld verstellt) Ka5 2.Lf6 Ka6 3.Ld8 Ka5 4.Kb7#. Im "richtigen Leben" beschäftigte sich Herlin mit mathematischen und physikalischen Problemen - insbesondere im Hinblick auf akustische Phänomene. Er war in seinen späteren Jahren stellvertretender Leiter der Musikakademie von Lille und schrieb deren kurze, die Periode von 1816-1883 umfassende Geschichte.

Der Norweger Johan Scheel (26.12.1889-4.12.1958) war Spezialist für Dreizüger im böhmischen Stil. 1924 erschien eine Auswahl seiner Aufgaben (200 Schakopgaver), in der viele Stücke mit stillen Zügen zu sehen sind.

P. August d'Orville

Le Palamède 1837

wKb2, wLf3, wSd3g4, wBb3c2e4, sKd4

#5 (7+1)

Peter August d'Orville (15.5.1804-11.11.1864), der vor 150 Jahren verstarb, entstammte einem Offenbacher Kaufmannsgeschlecht. Wegen seines zeitweisen Aufenthalts in Antwerpen und seines Gebrauchs der französischen Sprache hielten ihn Kohtz und Kockelkorn im Indischen Problem für einen Franzosen, zumal er seine Probleme ab Mitte der 1830er Jahre im Palaméde veröffentlichte (der damals einzigen kontinentaleuropäischen Schachzeitschrift). Sie unterschieden sich grundlegend von den zu jener Zeit üblichen Hau-Ruck-Kompositionen und zeichneten sich durch das Streben nach ökonomischer Darstellung und der Anwendung stiller Züge aus, wobei es d'Orville um den Reiz des Mattbilds ging, den er als Erster der Schachwelt erschloss. - 1.Sge5 Ke3 2.c3 Kd2 3.Sc4+ K:d3 4.b4 K:c4 5.Le2#.

Bernhard Hülsen

Brüderschaft 1887

wKd1, wLd4, wSa3b1, sKa2, sLa1, sBa6b2b3d6e4g6

#4 (4+8)

1892 stellte Albert Heyde, der Herausgeber des Deutschen Wochenschachs, seiner Leserschaft den damals 28-jährigen Bernhard Hülsen (1.11.1864-11.12.1933) vor als Mitherausgeber, der seit Herbst 1887 (damals war es noch die Brüderschaft) für den Problemteil verantwortlich war (er behielt diese Tätigkeit bis 1902 bei). Zuvor hatte er schon von 1882-88 eine Schachspalte im Wittenberger Kreisblatt gegründet und geleitet. Daneben war er auch als Komponist recht produktiv und verfasste im Lauf von etwa 40 Jahren um die 1000 Probleme. Hier ein Beispiel aus seiner frühen Schaffensphase: 1.Lc3! [2.Lb4] 1.- a5 2.Le5 d:e5 3.Sb5 nebst 4.Sc3# oder 2.- d5 3.Sc3+ K:c3 4.Ld6#; 1.- d5 2.Ld4 nebst 3.Sc3+, 4.Lc5#.

Vor 175 Jahren wurde Edward Nathan Frankenstein (18.12.1839-13.3.1913) geboren. Er war der Initiator des 1887 erschienenen Chess Problem Text-Book, das er gemeinsam mit H.J.C. Andrews, B.G. Laws und C. Planck schrieb und das für lange Zeit als das englische Standard-Problemschachwerk galt.

Gustavus Reichhelm

Brentano's Chess Monthly 1881

wKd2, wSf2, sKb1, sDa1, sLf3, sBa2a7b2d3

#18 (2+7)

Der amerikanische Komponist Gustavus Charles Reichhelm (6.11.1839-30.11.1905) leitete eine Schachspalte in der Philadelphia Times und war Spezialist für langzügige Aufgaben. In dem hier gezeigten Werk gibt es ein gigantisches Ringen zu bewundern, bei dem der wS gegen den vom sB unterstützen sL gewinnt. Um Matts auf c3 oder a3 geben zu können, muss der wS versuchen, über eines der Felder a4, b5, c4 oder d1 einzudringen. Wenn der wS nach d6 gelangt, kann der sL nur zwei der Einbruchsfelder b5, c4 und e4 decken, daher muss der sB auf a6 die dritte Deckung übernehmen. Weitere kritische Deckungen, die der sL im Auge behalten muss, ergeben sich nach Se3 (Lb3!), Sc5 (Lc6!) sowie Sb6 (Lb3!) (nach vorherigem a7-a6). 1.Sh3 L~ (e4) (Nach 1.- Ld5? kommt W schon früher ans Ziel mit 2.Sg5 L(c6) 3.Sf7 Ld5 4.Sd6! und W hat die kritische Stellung zwei Züge früher erreicht als in der Lösung.) 2.Sf4. Hier nicht 2.Sg5? Ld5!, denn 3.Sh7 4.Sf6 Lc6 5.Sg4 Ld5 6.Se3 Lb3 7.Sf5 usw. dauert zu lange. L~(c6) 3.Se6 Ld5. Nicht 3.- Lc6 4.Sc5! Zz a6 5.S:a6 mit deutlicher Abkürzung. 4.Sd4 Lc4 5.Sf5 Ld5 6.Sd6! a6. Jetzt kann der wS b6 ansteuern, was den sL an b3 bindet: 7.Sc8 8.Sb6 Lb3 9.Sd7 Ld5 10.Sc5 Lc6 11. S:a6. Damit kann Schwarz den nächsten Angriff durch Sd6 nicht mehr parieren: 12.Sc5 Lc6 13.Se6 14.Sd4 Lc6 15.Sf5 nebst 16.Sd6 und 18.S#.

 


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