Heft 259, Februar 2013

Kalenderblatt

Ralf Beinhorn (17.6.1957-14.1.1988) stammte aus dem Bremer Umland und war in den 1980er Jahren ein eifriger Löser. Sein Name fand sich in den Löserlisten vieler in- und ausländischer Zeitschriften, auch nahm er regelmäßig an der deutschen Lösemeisterschaft teil, wo er seinen Platz meist im unteren Mittelfeld fand. Schockierend war vor jetzt schon 25 Jahren die Meldung von seinem Tod als Opfer eines brutalen Banküberfalls.

Joel Fridlizius

Zlata Praha 1903

1. Preis

wKa8, wDf5, wTb8, wLb3, wSb5, wBd5, sKb4, sTg2, sLh2, sSf2g5, sBa3c3d6

#3 (6+8)

Vor 50 Jahren starb der schwedische Komponist Joel Fridlizius (31.12.1869-6.1.1963). Er komponierte hauptsächlich zwischen 1890 und 1910, vorwiegend Drei- und Mehrzüger böhmischen Stils mit versteckter Lösung. So auch in 1: wer denkt beim Ansehen der Stellung schon an den Schlüssel 1.Dh7! ? Es droht 2.Sd4+ Ka5/Kc5 3.Da7#. Nach Annahme des D-Opfers (oder nach 1.- Sf7) folgt 2.Sc7+ Ka5 3.Tb5# bzw. 2.- Kc5 3.Se6#. Dazu 1.- K:b3 2.S:d6+ Ka2/Ka4 3.Db1/Da7#; 1.- a2/c2 2.Da/c7 K:b3 3.Sa/c3#; Modellmatts. Knapp 30 Aufgaben von Fridlizius sind in dem 1901 in Stockholm erschienenen Band 370 Udvalda Svenska Schackproblem von Johan A. Ros enthalten.

Fünf Tage jünger als Fridlizius war der Amerikaner Hermann Helms (5.1.1870-6.1.1963), der einen Teil seiner Jugend in Deutschland verbrachte; beide starben 93-jährig am gleichen Tag. Die DSZ bezeichnete Helms im Nachruf als Amerikas "Grand Old Man of Chess". Er war um 1900 einer der stärksten amerikanischen Meister, widmete sich später aber hauptsächlich der Schachjournalistik, die durch ihn erst Zugang in die internationale Presse fand. Mehr als ein halbes Jahrhundert, bis kurz vor seinem Tod, war er als Schachreporter für die New York Times tätig, noch länger währte sein Engagement für das 1904 von ihm gegründete American Chess Bulletin, das er bis zu seinem Tod leitete (und das dann eingestellt wurde).

Erinnert sei hier an die Todestage von Emil Ramin (14.11.1885-23.2.1963) und Jose Paluzie y Lucena (26.11.1860-22.1.1938), an deren Geburtstage in Heft 246 in dieser Rubrik erinnert wurde.

Kurt Timpe

Die Schwalbe 1955/I

3.-4. Preis

wKe1, wTh1, wLd8, wSe5, wBd2e3g2, sKg3, sSh7, sBd3e4g4g5

#4 (7+6)

Kurt Timpe (9.10.1896-23.2.1963) hatte sich in den 50er und frühen 60er Jahren wie kein anderer mit Leib und Seele der Schwalbe ergeben, schrieb Werner Speckmann vor einem halben Jahrhundert in seinem Nachruf auf Timpe, der, schwerkrank und deshalb berufsunfähig aus dem Krieg zurückgekommen, seine Lebensaufgabe im Problemschach, speziell in der Arbeit für die Schwalbe fand. Er war Lösungssachbearbeiter, führte die Mitgliederliste und war für den Versand zuständig. Die Betreuung der Mitglieder wurde von Timpe sehr intensiv und persönlich geführt und ging mit einer umfangreichen Korrespondenz einher. Timpe hat nur wenig komponiert, ein Rochade-Beispiel sei hier gezeigt (2): Nach 1.Kf1? Sf6 2.Sg6 Sd5! 3.L:g5 hat Schwarz das Schachgebot S:e3+, daher 1. 0-0 Sf6 2.Sg6 Sd5 3.L:g5 bzw. 1.- Kh4 2.Kf2 g3+ 4.Ke1 nebst 4.Th1# mit Rochaderücknahme, und 1.- Sf8 2.T:f8 3.Lc7.

Walter Thompson

Tour de Force sur
l'Echiquier 1906

wKd1, wDe1, wTg7, wSg5h6, wBe4f2, sKh4, sTh8, sLd7, sSf5g1, sBc6h5

#2 (7+7)

Walter Thompson (6.4.1873-28.2.1938) war ein schottischer Problemist, der 1908 zwei Bücher herausgab. Sein bibliographisches A list of books containing chess problems ist etwas für Spezialisten, berühmt dagegen das andere Werk, an dem er an der Seite von A. C. White als Herausgeber beteiligt war, nämlich dem böhmischen Klassiker České melodie, einer Sammlung von 202 Schachaufgaben von Josef Pospíšil. Im Rahmen der Zusammenarbeit mit A. C. White wurde auch sein hier gezeigter Zweizüger (3) in einem früheren Band der Christmas-Serie publiziert. Es zeigt in luftig-leichter Darstellung einen Albino, wobei alle Züge des wB durch den sSf5 ausgelöst werden: 1.e5! [2.De4] Se3/Sg3/S:h6/S:g7 2.f:e3/f:g3/f3/f4#.

Frantisek Kollmann

Zlata Praha 1887

wKb5, wDd2, wTd7, wSd5e6, wBa6, sKe8, sTf1, sLb8, sSg8h6, sBb4d3d6f6g6

#4 (6+10)

An einem in der Literatur nicht vermeldeten Tag im Januar 1913 verstarb in Salzburg Frantisek Kollmann, dessen Geburtsdatum mir unbekannt ist. Er wohnte zeitweise in München, einige Zeit auch in Graz, scheint eine Vorliebe für das praktische Spiel gehabt zu haben, daneben komponierte er aber auch. In der DSZ 1913 wird darauf hingewiesen, dass Kollmann früher zum Kreis der böhmischen Komponisten in Prag gehörte. Aus dieser Zeit könnte die hier gezeigte Aufgabe 4 stammen: 1.Te7+? S:e7 2.Sf6 scheitert an 2.- Kf7 und 2.- T:f6. Beide Hindernisse werden in Vorplanmanövern nacheinander beseitigt durch einen Block auf f7 und Weglenkung des sT. 1.De3! [2.Sg7+] Sf7 2.Dc1! (2.- K:d7 3.Dc8+!) T:c1 3.Te7+ S:e7 4.S:f6# Modellmatt. Zeitlos schön, schrieb Josef Breuer 1982 und freute sich, dass er diesen vergessenen Meister wieder in das Gedächtnis der Nachwelt zurückrufen durfte.

Der Bankdirektor August Kündig (19.8.1833-6.2.1913) war Präsident der Basler Schachgesellschaft und hatte einen großen Einfluss auf die Ausbildung der schweizerischen Schachszene; nach Gründung des nationalen Schachverbands wurde er zu dessen erstem Ehrenmitglied ernannt. Neben einer beachtlichen Stärke als Partiespieler war er auch ein hervorragender Problemlöser; aus seinem schachlichen Umfeld wuchsen mit Moritz Henneberger (geboren 1878) und Erwin Voellmy (geb. 1886) Problemisten mit auch heute noch klangvollen Namen hervor.

Der Theologie-Professor Werner Lauterbach (16.1.1913-20.10.1989) war ein starker Partiespieler und gelegentlicher Problemkomponist, der sich auf dem Gebiet der Schachliteratur als unermüdlicher Propagandist hervorgetan hat, vielleicht vergleichbar mit dem späteren Wirken von Hermann Weißauer, der dem nur wenige Jahre älteren Lauterbach vor nunmehr 25 Jahren eine Laudatio zum 75. Geburtstag in der Schwalbe widmete. Die dort (in Heft 109) aufgeführten Leistungen Lauterbachs (Bücher, Rundfunk- und Fernsehsendungen, Schachspalten in Zeitungen usw.) erwiesen sich leider schon als eine fast abschließende Aufzählung, da der jetzt 100 Jahre alt gewordene schon im darauffolgenden Jahr verstarb.

In der Ukraine geboren, wanderte Baruch Lender (9.1.1913-1994) 1935 nach Palästina aus. Das Schachspiel erlernte er im Kindesalter in der Familie, Mitte der 1930er Jahre begann er, sich mit der Komposition von Problemen zu beschäftigen, publizierte seine ersten Aufgaben aber erst 1945 in der Tageszeitung Al Hamishmar, der er als Autor bis zu seinem Lebensende verbunden blieb. Er komponierte ungefähr 1000 Probleme, darunter viele Selbst- und Reflexmatts. Nach seinem Tod gaben Uri Avner, Paz Einat, Paz und Yoel Aloni 1996 unter dem Titel Lender Combinations eine Sammlung seiner Aufgaben heraus.

Lew Loshinski
Comins Mansfield
Wilhelm Massmann

Problem 1959

3. Preis

wKg2, wDf4, wTh6, wLg4, wSa6, wBb3b5d4e3e6g5h5, sKd5, sDg7, sLc5g8, sSf8, sBb4b6g6h7

#2 (12+9)

Lew Iljitsch Loschinskij (17.1.1913-19.2.1976) zählt zu den ganz großen Komponisten des letzten Jahrhunderts. Er war internationaler Preisrichter seit Schaffung dieses Titels (1960), Großmeister für Schachkomposition seit Schaffung dieses Titels (1972), er gewann sämtliche russischen Dreizüger-Kompositionsmeisterschaften von 1945 bis 1968. Eine Auswahl aus seinem Schaffen ist in zwei Bücher eingeflossen: 1959 gab M. Niemeijer Twee zielen en twee gedachten heraus, in dem 100 Loschinski-Problemen 100 von Jan Hartong gegenübergestellt sind. 1980 erschien dann posthum die große russische Hommage GMI schachmatnoi kompositzi: Loschinski. Berühmt ist sein Magnet-Thema, auch Loschinski-Thema genannt, aber hier, in der Schwalbe, soll mit einem anderen Problem an ihn erinnert werden, das während des Piraner Schachkongresses 1958 entstand und an dem unser ideeller Gründervater Massmann beteiligt war: Mansfield kam mit einer Problemidee nach Piran, deren Realisierung ihm nicht recht gelungen war und die er Massmann zeigte. Der leistete einen Großteil der Konstruktionsarbeit, Loschinski gelang es, eine verbleibende NL zu eliminieren, und so gab es ein Gemeinschaftswerk mit drei prominenten Autoren (Diagr. 5). Alles steht zum Matt bereit, W braucht nur einen Wartezug. Aber nach 1.Kg3? Ld6! (2.Df3?); 1.Kh3? L:e6! (2.Lf3?); 1.Kh2? Ld6! (2.Df3?); 1.Kf1? Df7! (2.De5?); 1.Kg1? L:d4! (2.e4?) ist die Mattfigur jeweils gefesselt. Daher nur 1.Kh1!\ mit Zugzwang.

Auch der fast gleichalte Jewgeni Umnow (11.2.1913-22.7.1989) zählt zu den bekanntesten russischen Komponisten. Er begann, gewissermaßen als Problem-Wunderkind, sehr früh zu komponieren, hatte als 14jähriger schon mehr als 200 Probleme geschaffen und 16 Turniere gewonnen. Das nach Umnow benannte Thema ist ebenso bekannt wie das Loschinskis. Er war Autor einer ganzen Reihe von Problembüchern; zuletzt erschien 1980, gemeinsam mit Kofman und Wladimirow, das oben schon erwähnte Loschinski-Buch.

Alexei Selesnjow

Schachmaty 1924

wKf3, wDh1, wLf2, wBd4d7e6g6, sKf6, sDh8, sTh2, sBf4f5g7

Gewinn (7+6)

Vor 125 Jahren wurde Alexej Selesniew (1888-6.1967) geboren, der als einer der Väter der modernen Studie gilt. Sein 1935 (gemeinsam mit Emanuel Lasker) erschienenes Büchlein 35 Endspielstudien enthält eine knappe Auswahl seiner (insgesamt etwa 300) Kompositionen. Selesniew war bis Ende der 1920er Jahre auch ein sehr starker Turnierspieler, wandte sich danach aber ausschließlich der Schachkomposition zu. Die Studie 6 stammt noch aus seiner Zeit als Turnierspieler:1.Lh4+ T:h4 2.D:h4+. Nicht 2.d8D+? D:d8 3.D:h4+ K:e6 4.D:d8 patt. 2.- D:h4 3.d8L+!\ und W gewinnt. Nach 3.d8D+? K:g6 4.D:h4 gäbe es ein Patt-Echo.

Gehen wir noch ein weiteres halbes Jahrhundert zurück. Bernhard von Guretzky-Cornitz (24.2.1838-17.10.1873) galt als Endspiel-Spezialist, er spielte u. a. gegen Anderssen und Max Lange; seine Probleme wurden überwiegend in der DSZ publiziert. Johannes Kohtz erwähnt ihn in seinen Erinnerungen als eine anerkannte Autorität.

A. Cyril Pearson

Chess Monthly 1882

1. Preis (2x)

wKe7, wTb2f2, wLd5, wSa3c3, wBd2e3g4, sKe5, sDb1, sTb4, sLa1c8, sBc6d7f6h7

#4 (9+9)

Reverend Arthur Cyril Pearson (09.01.1838-8.11.1916) war in jungen Jahren begeisterter Sportler und erfolgreicher Cricketspieler. Später setzte sich sein Interesse für Rätsel und Probleme jedweder Art durch. 1878 veröffentlichte er eine Sammlung seiner Schachprobleme, die innerhalb von fünf Jahren drei Auflagen erlebte. Gleich zwei 1. Preise erzielte sein hier gezeigtes Problem 7, einen als bester Vierzüger, zudem erkoren die Richter Zukertort, Healey und Collins diese Aufgabe abteilungsübergreifend als bestes zum Turnier eingereichtes Problem. Nach 1.Sab5! (droht 2.d4+) ergeben sich die Varianten 1.- c5 2.Sd6 [3.Sf7#] 2.- Dg6 3.Tf5 +; 1.- c:b5 2.Lc4! und jetzt folgt auf 2.- T:c4 3.T:b5 + D:b5 4.Tf5#, und nach 2.- b:c4 geschieht 3.d4 + c:d e. p. mit Verstellung der D-Linie, also 4.Tf5#.

An der Schwelle zur (schachlichen) Neuzeit stand der vermutlich vor 225 Jahren geborene Julius Mendheim (1788(?)-25.8.1836), der Anfang des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle im sich gerade erst entwickelnden Berliner Schachleben spielte. 1814 veröffentlichte er ein kleines Taschenbuch für Schachfreunde mit 51 Bedingungs-Problemen (20 mit Bauernmatts und 31 mit anderen Bedingungen). 1832 folgte ein weiterer Band Aufgaben für Schachspieler mit 82 Problemen, von denen die meisten schon ohne die zusätzlich gestellten Bedingungen gelöst werden konnten. Mendheims Aufgaben stehen noch in der Tradition mittelalterlicher Mansuben mit lärmenden Lösungen, die zudem meist den einzigen Weg zum Gewinn bilden. [GüBü]


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