Heft 258, Dezember 2012

Todesfälle

Eine erschreckend lange Liste kürzlich verstorbener Problemisten ist zu vermelden. Schon im März verstarb der ungarische Hilfsmatt-Spezialist Árpád Molnár (18.3.1936-24.3.2012). Portugals Honorary Master of Chess Composition Rui Nascimento (14.6.1914-3.9.2012) verstarb hochbetagt im September. Einen schweren Verlust haben unsere britischen Freunde hinzunehmen, denn mit Tony Lewis (5.2.1933-31.10.2012) und Christopher Reeves (19.2.1939-3.12.2012) verloren sie gleich zwei prominente Problemisten, die auch an führender Stelle in der BCPS tätig waren. Tony gab erst im Frühjahr dieses Jahres das Amt des Kassenwarts ab; mit ihm hatte ich bei den jährlichen Treffen der PCCC bzw. WFCC nicht nur "dienstlich" zu tun (Finanzausgleich im Schwalbe-Problemist-Abonenntenservice), sondern es war immer ein Vergnügen, mit ihm lange Gespräche über alle möglichen Themen zu führen. Auch Christopher Reeves war in den letzten Jahren mehrfach bei den internationalen Treffen anzutreffen, erst beim letzten Treffen in Kobe wurde er zum Internationalen Preisrichter ernannt. Mit Alex Crisovan (2.10.1919-28.11.2012) verliert das Schweizer Schach einen seiner profiliertesten Köpfe. Crisovan war auf allen Gebieten tätig, vom Fern- und Nahschach über Funktionärstätigkeiten auf regionaler und nationaler Ebene bis hin zur Problemkomposition und zur zeitweiligen Leitung der Schweizer Kunstschachfreunde. Er verwaltete eine große Schachbibliothek, verband diese mit weiteren Sammlungen und brachte die getrennten Eigentümer 2010 dazu, alles zusammen einer Züricher Bibliothek als "Helvetische Schachbibliothek" zu schenken. Dort wird sie zur Zeit noch in die Benutzersysteme eingearbeitet, ist teilweise aber schon öffentlich verfügbar. Die dänische Thema Danicum war das Lebenswerk von Leif Schmidt (14.4.1936-14.11.2012), der die Zeitschrift von Anfang bis Ende redigierte. Als seine Kräfte vor einigen Jahren nachließen, entschied der dänische Problemistenverband, sein Werk geschlossen dastehen zu lassen und mit einer neuen Zeitschrift in die Zukunft zu gehen. Schockierend war die Meldung von Dan Meinkings Tod, der den amerikanischen 52jährigen Komponisten (14.11.1960-23.11.2012) plötzlich ereilte. Aus Russland kommt die Meldung vom kürzlichen Tod des Zweizügerspezialisten Sergej Aleksandrowitsch Schedej (9.6.1940-26.11.2012). - Ein wahrhaft schwarzer November... [GüBü]

Kalenderblatt

Vor einem Vierteljahrhundert starb Anthony S. M. Dickins (1.11.1914-26.11.1987), der sich intensiv für die Verbreitung des Märchenschachs einsetzte und eine Reihe kleinerer Schriften dazu im Selbstverlag in seiner Q-Press publizierte (Name durch seinen Wohnort Kew am Rande Londons inspiriert). ASMD, wie er kurz bezeichnet wurde, besuchte mehrfach Schwalbetreffen und lud 1979 die Problemwelt aus Anlass des 90. Geburtstag von T. R. Dawson zu sich nach Kew ein. Seine Begeisterung fürs Problemschach wurde wohl noch übertroffen durch die Liebe zur Literatur. Sein geplantes Hauptwerk sollte sich der Poesie widmen, ist aber m. W. nicht fertig geworden. - Ebenfalls vor 25 Jahren verstarben der produktive ungarische Problemist Lajos Riczu (27.9.1926-17.12.1987), der sich überwiegend der kleinen Form widmete, und der dänische Selbstmattspezialist Georg Thomas. Er schrieb 1977 das Buch Mattvang, in dem s#2er thematisch geordnet präsentiert werden.

Der russische Studienkomponist Abram Solomonowitsch Gurwitsch (12.2.1897- 18.11.1962) ist hierzulande insbesondere durch Speckmanns Übersetzung seines langen, 1955 erschienenen Artikels über die Poesie des Schachs bekannt geworden, die zum Kern der 1963 unter beiden Namen erschienenen Meisterwerke der Endspielkunst wurde. Gurwitsch war ein renommierter Literatur- und Theaterkritiker und unterwarf auch die Studien einer kritischen ästhetischen Analyse, die einerseits methodisch seinem Beruf entsprach, andererseits aber auch zeigt, dass er der Schachkomposition ebenso Kunstrang zusprach wie anderen, traditionell etablierteren Formen der Kunstausübung.

A. S. Gurwitsch

Schachmaty w SSSR 1955

1. Preis

wKd1, wTb2, wSa1b5, wBa3, sKd8, sTf4, sSb7, sBa6

Gewinn (5+4)

Aus seinem nicht sehr umfangreichen Schaffen sei die folgende Studie gezeigt, die den 1. Platz in der 4. Meisterschaft der UdSSR errang und die auch Speckmann in seinem Gurwitsch-Nachruf zitiert: Die wMehrfigur droht verloren zu gehen, da neben Sb5 auch der Sa1 wegen der Drohung Te1+ angegriffen ist. 1.Td2+ Kc8! (nicht Ke7,8 wegen 2.Te2+ nebst 3.Sc3 und W rettet wegen der Möglichkeit Te1 seine Mehrfigur) 2.Sa7+ Kb8 3.Sc6+ Kc7. Es hilft nichts, W muss jetzt einen seiner Springer aufgeben - überraschenderweise gerade denjenigen, der am wirkungsvollsten zu stehen scheint: 4.Sc2! (nicht Sb3, da nach Ta4 der Ba3 verloren geht). 4.- K:c6. "Worauf will W eigentlich hinaus? Auf dem Brett herrscht völliges Gleichgewicht der Kräfte. Die Figuren beider Parteien sind frei aufgestellt und haben, wie es scheint, nichts voneinander zu befürchten. Eine positionelle Schwäche der schwarzen Stellung, die Weiß zum Gewinn nutzen könnte, ist nicht ersichtlich. Und dennoch ist Schwarz zum Untergang verurteilt." (Text von Gurwitsch) 5.Sd4+ Kb6 6.Tb2+. Auf die c-Linie darf sich der sK wegen Gabelangriffs nicht zurückbegeben, und auf 6.- Ka5 folgt 7.Tb4!, daher 6.- Ka7 7.Sc6+ Ka8 8.Tb6! Innerhalb weniger Züge ist der sK in eine prekäre Lage geraten, doch nach 8.- Ta4 9.Kc1,2 T:a3 muss W noch einmal genau spielen, um den Vorteil nutzen zu können: 10.Kb1! Ta4 und erst jetzt 11.Kb2 und S hat nur noch das hoffnungslose 11.- Ta5.

An Joaquim Valladao Monteira da Silvera (8.6.1884-2.12.1962) wurde bereits in Heft 237 anlässlich seines 125. Geburtstags erinnert. Vor nunmehr einem halben Jahrhundert verstarb der brasilianische Komponist.

Der vor 75 Jahren verstorbene holländische Problemist Leonard Nicolaas de Jong (30.3.1869-13.11.1937) war mit ungefähr 2000 Kompositionen sehr produktiv, ist aber trotzdem nicht besonders bekannt geworden, da er ausschließlich zum eigenen Vergnügen komponierte, dabei einen sehr persönlichen Stil pflegte, ohne sich groß um bestehende "Schulen" zu kümmern, und dazu nur wenige seiner Aufgaben publizierte. Aber dennoch zählte Dr. Niemeijer ihn 1941 zu den bedeutendsten niederländischen Komponisten

Marcel Lamare (14.1.1856-24.11.1937) stammte aus Russland, nahm jedoch die französische Staatsbürgerschaft an und veröffentlichte seine Werke hautsächlich unter dem Pseudonym "Un Amateur de l'ex UAAR" (Union amicale des Amateurs de la Régence). Seit 1913 schrieb er zahlreiche theoretische Abhandlungen für die Schachzeitschrift La Stratégie, die 1924 in überarbeiteter und ergänzter Fassung unter dem Titel Traité des fins de partie d'échecs (374 Seiten, 782 Diagramme) erschienen. Seine umfangreiche Studiensammlung ist erhalten geblieben und befindet sich heute in den Händen von Alain Pallier.

Der in Posen geborene und vor 75 Jahren in Breslau verstorbene Hugo Rohr (16.9.1865-9.12.1937) war Selbstmattkomponist und Mitarbeiter des Problemteils der Deutschen Schachblätter sowie Redakteur der Schachspalte der Schlesischen Zeitung. Um 1930 herum brachte er den zweiten Jahrgang (1885) der Brüderschaft, dem Organ, aus dem sich das Deutsche Wochenschach entwickelte, als Nachdruck heraus, was Michael Negele im Vorwort des späteren Nachdrucks (2002) mit dem harten Befund "Raubdruck" belegte.

Bertil Gedda

Schach-Echo 1965

1. Preis

wKd1, wDf1, wTc6d8, wLg5h3, wSg6, wBa7b4b6f7, sKe4, sTf4, sLa4, sBb3b5f2f3g7h4

s#3 (11+9)

Vor 100 Jahren wurde Bertil Einar Gedda (6.12.1912-8.3.1991) geboren; der schwedische Komponist und mehrfach Literaturpreis-gekrönte Lyriker setzt den heutigen zufälligen Themenschwerpunkt "Literaten" fort. Gedda war von 1965-73 Redakteur von Tidskrift för Schack und als Komponist Spezialist für Selbstmatts; dazu eine Kostprobe: Nach 1.La5! droht der Abzug der K-T-Batterie durch 2.Tb4+ K:a5 3.Kc4+ S:b4#. In den Hauptvarianten 1.- Tf5 2.Sc7+! T:c7 3.Ke6+ T:f5# und 1.- Dh5(g7,h8) 2.Sd6+! e:d6 3.K:d6+ D:f5# nutzt Weiß den von Schwarz gewollten Angriff auf den Hinterstein der Batterie durch zwei weitere schön differenzierte Abzüge des wK Motiv-invertierend aus. Dazu 1.- d3 2.L:c6+ T:c6 3.Sc3+ T:c3# und 1.- Td8 2.Sd6+ e:d6 3.L:c6+ L:c6#. %Es geht darum, den sTf4 zu neutralisieren, um den Mattzug b3-b2 durchzusetzen. Das gelingt mittels 1.a8L! mit den Varianten 1.- Ke3 2.Tcd6 b2#; 1.- b2+ 2.Tc2+ Ke3 3.De2+ f:e2#; 1.- Tg4 %2.Tcd6+ Kf5 3.Ld2 b2#; 1.-T:f7 2.Tcd6+ Tb7 3.Ld2 b2#; 1.- Tf6 2.Tc7+ Tc6 3.Ld2 b2# und 1.- Tf5 2.Tc2+ Td5+ 3.Td2 b2#.

Örjan Lindberger (31.12.1912-29.6.2005) war Professor für Literaturgeschichte an der Stockholmer Universität. Wie umfassend seine schachlichen Aktivitäten waren, ist mir nicht bekannt. In der PDB sind knapp hundert Probleme von ihm enthalten, einige davon aus den 1920er Jahren, die überwiegende Anzahl sind Hilfsmatts aus dem Jahren von 1980 bis 2002.

Der griechische Dichter, Gelehrte und Freiheitskämpfer Lorenzos Mabillis (6.9.1860-29.11.1912) lebte überwiegend auf Korfu. Er studierte ab 1880 für 14 Jahre Literatur und Philosophie in Deutschland; zunächst in München (er war während dieser Zeit Mitglied des Akademischen Schachclubs; in der ersten Festschrift des ASCM 1896 finden sich Partien von ihm und auch ein Problem) und gewann den Bayrischen Schachkongress 1889 in Regensburg.. Er schrieb Gedichte, Romane und war umfassend als Übersetzer tätig (u. a. Goethe, Schiller, Uhland, Dante, Leopardi). Ab 1910 war er Parlaments-abgeordneter für Korfu, zwei Jahre später, vor nunmehr 100 Jahren, fiel er im ersten Balkankrieg im Kampf gegen die osmanischen Besatzer. Mabilis gilt als erster bedeutender griechischer Schachkomponist; seine ältesten bekannten Aufgaben stammen aus den 1890er Jahren, d. h. aus seiner Münchner Zeit.

Konstantin Sucharew

Schachmatny Listok 1930

wKb4, wTb6, wLe1, wSd1,  sKd5, sDh2, sBe6h6

Gewinn (4+4)

Der russische Komponist Konstantin K. Sucharew (26.12.1912-8.10.2004) beschäftigte sich schon im Kindesalter mit dem Schachspiel und publizierte als 15-jähriger sein erstes Problem. Über Jahrzehnte hinweg leitete er eine Schachspalte in einer Novosibirsker Zeitung und veranstaltete viele Löse- und Kompositionsturniere. Er war auch an der Organisation der PCCC-Treffen in Sankt Petersburg 1998 und in Moskau 2003 beteiligt. Schon in höherem Alter schrieb er einige Schachbücher und gab 1998 auch einen Gedichtband heraus - womit auch er zur Literatenversammlung gehört. Seine bekannteste Studie löst sich wie folgt: 1.Lg3 D:g3 2.Sc3+ Ke5 3.Tb5+ und je nachdem, wohin der schwarze König zieht, gewinnt 4.Se2+ oder 4.Se4+; 1.- Dh1/h3 2.Td6+ Ke4 3.Sf2+; 1.- Dd2+ 2.Sc3+ Kd4 3.Td6+; jeweils mit Damengewinn.

Der tschechische Komponist Jan N. Wenda (10.12.1912-11.11.1979) war für das retrospektive FIDE-Album 1914-44 Direktor in der Abteilung "logische Matts in 3 oder mehr Zügen.

Der vor 150 Jahren geborene schottische Komponist George Hume (16.12.1862-14.1.1936) war einer der bedeutendsten Vertreter der englischen Kompositionsschule und wurde berühmt als wichtigster Unterstützer von Alain C. White, ohne den die berühmte Chirstmas-Serie wohl nicht im tatsächlich erschienenen Umfang das Licht der Welt erblickt hätte. Der 1925 in dieser Serie erschienene Band Changing Fashions enthält 150 Probleme Humes, der darin von White als das amtierende Schicksal der ganzen Serie bezeichnet wird. [GüBü]


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