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Heft 200, April 2003

Kalenderblatt

Fritz Giegold, durch den der Name seines kleinen Heimatorts Leupoldsgrün weltbekannt wurde - zumindest in Problernistenkreisen - wurde vor 100 Jahren geboren (2.3.1903-13.11.1978). Durch seinen sehr individuellen, auf überraschende, rätselhafte Momente ausgerichteten Kompositionsstil begeisterte er die Löser vieler Zeitungsspalten und Schachzeitschriften. Kein geringerer als Ado Kraerner bescheinigte ihm 1960, unter den Komponisten derjenige zu sein, der das Moment des Rätsels im Schachproblem am geistreichsten interpretiert. Zwei Beispiele sollen dies hier noch einmal demonstrieren: Im Fünfzüger mag sich der Löser fragen, wie die auf den sK gerichtete T/B-Batterie wirksam werden kann. Doch was geschieht statt dessen? 1.g4! h5 2.Tg3 h:g4 3.Tg2, (was will der dort?? möchte man verblüfft fragen) g3 4.T:d2 K:d2 5.De1#. Wer will, kann hier auch logisch herangehen: 1.T:d2 K:d2 2.De1+? scheitert an f:e1!, daher muss der sBf2 gefesselt werden, wozu der Vorplan 1.g4, 2-3.Tg3-g2 gespielt wird. Fast noch mysteriöser geht es im Sechszüger zu. Die weißen Figuren sind in der Nähe des sK konzentriert, der eigentliche Schauplatz des Geschehens liegt jedoch wie so oft bei Giegold - am entgegengesetzten Ende des Bretts: 1.Th1! d4 2.Ta1 d3 3.Ta3! b:a3+ 4.Ka1 a2 5.La3 K:f6 6.Lb2#. Beeindruckende Nutzung des Raums!
Der am 20.3.1903 in Odessa geborene Witali Halberstadt († 25.10.1967) verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in Paris und gab 1932 gemeinsam mit Marcel Duchamps die Studie über konjugierte Felder L'Opposition et les cases conjugées sont réconciliées heraus. Gezeigt sei hier - etwas untypisch - eines seiner Probleme; das Siegerproblem aus dem Sao Paulo-Turnier, in dem W. Speckmann einen berühmten 2. Preis erzielte, der sich nachträglich als inkorrekt erwies und eine eigene Nach-Geschichte hatte (siehe dazu z.B. Die Schwalbe, Heft 171). Hier geht es um eine schwer durchschaubare KL-Tempolenkung mit schönen, zurückhaltenden wK-Zügen: 1.Kb6? d5! 2.Kc5 d4! (nicht 1.- Lc4 2.Tf8!); 1.Ka6? Ld5 2.Kb6 Lc4! (nicht 1.- Lc4+? 2.Kb6 Ld5 3.Tf8!); 1.Ka5! Ld5 2.Ka6 Lc4 3.Kb6 Ld5 4.Tf8 Ke6 5.De8#.

Fritz Giegold
Denk mit 1973
Fritz Giegold
Zeit-Magazin 1976
Witali Halberstadt
Saõ Paulo 1955/56
1. Preis
#5
(11+12) #6
(12+13) #5
(3+5)
François Michel
1. FIDE-Turnier 1957
2. Preis
Max Kürschner
Der Sammler ca. 1885
 
 
#2 (11+8) #3 (8+10)  


In Heft 17 von Thèmes 64 (1960) ist ein von Halberstadt aufgenommenes Photo abgedruckt, das den fast gleich alten François Michel (22.4.1903-20.3.1977) zeigt. Michel begann erst mit 40 Jahren Schach zu spielen und entwickelte sich dann rasch zu einem erfolgreichen Komponisten, der in den folgenden 30 Jahren ca. 500 Probleme komponierte, fast ausschließlich Zweizüger. 1.Dd5? [2.Le2#] D:d4 / L:d4 / T:d4 2.Sc5 / Sf2 / Sb4#, aber 1.- T:a2!; 1.Sd2! [2.Le2#] D:d4 / L:d4 / T:d4 2.D:h7 / Dg3 / Dc4# (1.Db3? Sd6!) Mattwechsel nach drei Selbstfesselungen.
Max(imilian) Kürschner wurde am 28.3.1853, also vor 150 Jahren, in Nürnberg geboren († 26.8.1917). Er erreichte nicht nur bemerkenswerte Spielstärke als Partiespieler, sondern war auch - und in erster Linie - ein bedeutender Problernist seiner Zeit, der nach den von Berger vorgegebenen Prinzipien komponierte. In der in der DSZ 1885 zitierten Aufgabe droht nach 1.Dg6! die wD, dem sK mit 2.Df6 von beiden Seiten zu Leibe zu rücken. Auf die Fluchtversuche 1.- Kd7 bzw. 1.- Kd5 folgen D-Opfer 2.De8/De4 nebst 3.Sf6#. Jahrzehntelang betreute Kürschner Schachspalten in Tageszeitungen in Nürnberg und Augsburg. Nachdem der Deutsche Schachbund zum Nürnberger Kongress 1883 ein internationales Problemturnier ausrief, das von ihm unter Assistenz von Kohtz und Kockelkorn geleitet wurde, gab er 1884 das heute zur gesuchten Rarität gewordene Problembuch zum "Internationalen Problemtumier Nürnberg 1883" heraus.


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