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Heute schon gegoogelt?
Ein induktiver Leitfaden zur strategischen Suche in (Schachproblem-)Datenbanken
von Manfred Rittirsch/Buch am Erlbach
Vorbemerkung der Schwalbe-Redaktion:
Dieser hochinteressante Artikel erscheint hier in leicht gekürzter Form: Für den Abdruck haben wir auf Screenshots sowie eine längere Tabelle verzichtet; vollständig findet sich der Beitrag hier: heuteschongegoogelt.pdf.
So, die Hilfsmatts der neuen Schwalbe (Heft 309, Juni 2021) sind so gut wie vollständig gelöst, da will ich mich mal ans Kommentieren wagen. Schließlich wollen die Autoren ja wissen, wie ihre Ideen und deren Umsetzungen beim Löser angekommen sind, und ein mitteilungsbedürftiger Genießer wie ich entrichtet einen solchen Service ja auch nicht unter Qualen, sondern mit großer Freude. Wie meine Kommentare zustande kommen, dürfte dabei für die Schwalbe-Leser und -Spaltenleiter, die ja für ihre ausgiebigen und fachkundigen Lösungsbesprechungen bekannt sind, weitaus weniger interessant sein als die Methodik, mit der es mir nunmehr seit Jahren mit relativ geringem Aufwand gelingt, regelmäßig und zuverlässig eine derartige Fülle von Vergleichsaufgaben beizutragen, daß die verantwortlichen Sachbearbeiter schon sehr selektiv vorgehen (müssen), um im für die Besprechungen der Aufgaben reservierten Rahmen zu bleiben. Denn anders als von unserem 2. Vorsitzenden Thomas Brand vermutet (s. manfred-rittirsch-60) verfüge ich keineswegs über Literaturkenntnisse, die signifikant über das gewöhnliche Maß hinausgehen. Ich durfte im Gegenteil feststellen, daß die angebotenen Möglichkeiten der Recherche ein gutes Gedächtnis überflüssig machen, wenn man sie nur mit der gebotenen Sorgfalt zu nutzen weiß. Dabei kommt es wie bei der im Titel neudeutsch angedeuteten allgemeinen Stichwortsuche über eine beliebige Datenbank immer nur darauf an, so viel wie nötig und so wenig wie möglich einzugrenzen, um ein überschaubares Suchresultat zu erhalten, das sich innerhalb einer akzeptablen Zeit mit vertretbarem Aufwand Stück für Stück begutachten läßt. Dies sei hier an einigen ausgewählten Beispielen exemplarisch vorgeführt und findet hoffentlich den einen oder anderen dankbaren Nachahmer.
Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sich die Ratschläge im wesentlichen auf die Suchstrategien beschränken. Grundsätzliche technische Details (wie z. B. die Festlegung der Notationssprache, die Verwendung des WinChloe-Features "Redaction Mode" oder das Setzen von logischen Klammern innerhalb von Queries) entnehmen Sie bitte den einschlägigen Dokumentationen.A) Werner Keym
18593 Die Schwalbe 2021
Ralf Binnewirtz zum
70. Geburtstag gewidmet
h#2 Duplex (6+6)
MATRIX like
8/8/8/3k4/5K2/5R2/6B1/8
), erhalte ich bereits eine überschaubare
Menge von nur 47 Treffern, die ich problemlos "durchblättern" kann.
B) Mykola Kolesnik
Roman F. Salokozki
Kudesnik 2005
h#2 b) e8 → b3 (4+8)
Unter der Bezeichnung "PATTERN" bietet die kostenfrei verfügbare
Datenbank PDB, die über die Webseite der Schwalbe erreichbar ist
https://pdb.dieschwalbe.de, Dokumentation siehe
Suchen_in_der_PDB.pdf),
dieselbe
Funktionalität: PATTERN='sKc5 wKe4 wTe3 wLf2'
.
Auch unter den hier angebotenen 24 Treffern zeigt sich kein Vorgänger.
Die ganz Vorsichtigen können sich dann noch mal an der YACPDB ("Yet another chess problem database", https://www.yacpdb.org/ versuchen, bei der sogar die Möglichkeit angeboten wird, bestimmte Arten der Schemavariation (wie etwa die gespiegelten & gedrehten) auszuschalten. Nach kurzer Betrachtung der fünf Treffer kann ich schließlich beruhigt Entwarnung geben.
Natürlich können bei jeder Art von Suche negative Befunde nie ganz sicher sein, solange die zur Verfügung stehenden Daten nicht nachweislich vollständig sind, doch ist bei mehr als 800000 Aufgaben in WinChloe und immerhin weit mehr als halb so vielen in der PDB die Wahrscheinlichkeit, daß etwas durch die Maschen schlüpft, relativ gering, und schließlich gibt es ja auch kein Feuer, in das man seine Hand legen müßte.
Der Einfachheit halber beschränke ich mich im weiteren Verlauf auf WinChloe und komme nur zur Erläuterung spezifischer Funktionalitäten auf eine der "kleineren" Datenbanken zurück.
C) Menachem Witztum
Silvio Baier
18594 Die Schwalbe 2021
h#2 b) b2 → b6 (8+8)
Aus der Menge der "Requêtes" wählen wir "h# orthodoxes.frq".
Vorläufig macht es auch Sinn, die Zügezahl beim "Filter" auf 2 einzustellen.
Für die Themensuche müssen die wesentlichen Motive bereits identifiziert sein und entsprechend als Abfrage formuliert werden können, und zwar entweder mit einem Begriff, wie er in der jeweiligen Datenbank hinterlegt ist, oder verschlüsselt über die Lösungsnotation. Für erstgenannten Weg gibt es in WinChloe den "Query"-Bereich "Themes" (oder manchmal noch besser "Themes and derived", der auch subsumierte Themen mit abdeckt) und in der PDB die Kategorie "Keyword". Beide sind mit Vorsicht zu genießen, weil die Versorgung der entsprechenden Felder nicht immer ("automatisch") gewährleistet ist, sondern erst angestoßen oder gar komplett manuell ausgeführt werden muß. (Bei den PDB-"Keywords" handelt es sich überdies um ein Konglomerat aus Namen von Forderungen, Märchenbedingungen, Themen und sonstigen "Beschreibungen".) Soweit irgend möglich, bevorzuge ich deshalb den zweiten Weg, da die Lösungsangaben in der Regel vollständig sind und bei geschickter Analyse und entsprechendem Design der Abfrage so manche Themenbeschreibung abdecken können. Besonders gut funktioniert das bei Umwandlungsthemen; so wird beispielsweise eine schwarze "AUW" von der folgenden kombinierten Abfrage gefunden, selbst wenn der Begriff einmal nicht unter "Themes (and derived)" erfaßt sein sollte:
\verb Solution like %1=D% And
\verb Solution like %1=T% And
\verb Solution like %1=F% And
\verb Solution like %1=C%
Auf der Webseite http://winchloe.free.fr finden sich noch weitere clever gestaltete Musterabfragen.
Die weißen Halbbatterien als zentrales Motiv der vorliegenden Aufgabe lassen sich deutlich schwieriger "beschreiben", weil es für alle wichtigen Kriterien (beteiligte Steintypen, deren Positionen, Winkel der Wirkungslinien etc.) zahlreiche Optionen gibt. Ich ringe mich deshalb zur Verwendung geeigneter Fachbegriffe unter dem Query "Themes and derived" durch. Selbige ermittle ich, indem ich die 18594 in WinChloe eingebe und die Lösung im "Redaction Mode" durchspiele, wodurch alle erkannten Themen "automatisch" hinzugefügt werden. Zu meiner Überraschung fehlt "Demi-batterie blanche", stattdessen wird "Batterie masquée" (= maskierte Batterie) angezeigt - gut, daß wir verglichen haben! Dieses Kriterium kombiniere ich mit "Switchback noir". Jeder muß für sich selbst entscheiden, bei welcher Trefferanzahl das persönliche Limit für das Durchkämmen des Suchergebnisses mithilfe der Augen erreicht ist (welches sich hier etwa an der Anwesenheit von zwei thematischen Batterielinien orientieren könnte), aber 161 Treffer sind auch mir noch ein wenig zuviel, deshalb versuche ich es mit einem weiteren Kriterium, für das sich hier glücklicherweise "Captures réciproques" (= Reziprokschläge) anbietet.
D) Shaul Shamir
Schach-Archiv 2012
h#2 b) c3 → d3 (7+10)
Zur erleichterten Zuordnung der in WinChloe meist (aber nicht immer) in französisch hinterlegten Termini gibt in der pdf-Version dieses Artikels eine Tabelle für einige wichtige Themen den entsprechenden Begriff wieder.
E) Marco Klasinc
18595 Die Schwalbe 2021
h#2 2.1;1.1 (7+8)
\verb PAS de Conditions féeriques And
\verb PAS de Pièces féerique And
\verb Themes Not Like Poisson d'avril And
\verb (MATRIX Like 8/8/8/8/R6R/4k3/8/8 Or
\verb MATRIX Like 8/8/8/8/1R5R/4k3/8/8 Or
\verb MATRIX Like 8/8/8/8/1R4R1/4k3/8/8 Or
\verb MATRIX Like 8/8/8/8/2R3R1/4k3/8/8) And
\verb Themes Like Batterie blanche And
\verb Solution Like %2.Rx%2.Rx%
Unter diesen lassen sich dann mühelos zwei partielle Vorläufer sowie eine interessante Variation desselben Autors ausmachen (siehe F, G sowie H).
F) Jean Haymann
Israel Ring-Turnier 1975
3. Lob
h#2 3.1;1.1 (13+11)
G) Krassimir Gandew
Schachmatna Misl 1987
2. Preis
h#2 2.1;1.1 (7+11)
H) Marco Klasinc
Ohrid 2018
Internet-Turnier
3. ehrende Erwähnung
h#2 2.1;1.1 (8+9)
Wir machen einen Sprung zum übernächsten Hilfsmatt (I), bei dem es keinerlei Schwierigkeiten gibt: WinChloe kennt "Brunner-Turton" als Suchbegriff und liefert schnell 17 Treffer. (Wer das nicht bestätigen kann, hat vermutlich vergessen, die Zügezahl 2 wieder aus dem Filter herauszuschmeißen!) Nach einer kurzen Analyse halte ich sieben Fundstücke für zeigenswert: den Pionier J, die ersten Doppelsetzungen K-M, eine Vertiefung mit eingeflochtenem Switchback (N), eine weitere Doppelsetzung mit Wechsel der Materialgruppe (O) und einen Zehnsteiner (P) als bisher ökonomischste Darstellung-
I) Wladimir Pankow
18597 Die Schwalbe 2021
h#2,5 (3+4)
J) Valerian Onitiu
Allgemeine Zeitung
(Chemnitz) 1928
h#3 (4+13)
K) Shlomo Seider
Sinfonie Scacchistiche
1997 (v)
h#3 b) f5 → a3 (3+13)
L) Joachim Brügge
Die Schwalbe 1983 (v)
h#3 2.1;1.1;1.1 (7+6)
M) Josip Varga
Fadil Abdurahmanović
Die Schwalbe 2005
3. Lob
h#3 2.1;1.1;1.1 (4+10)
N) Fadil Abdurahmanović
Josip Varga
Chris Feather
StrateGems 2005
Lob
h#3,5 (3+12)
O) Daniel Papack
Rolf Wiehagen
Gaudium 2017-18
3. ehrende Erwähnung
h#2,5 b) c5→c5 (4+11)
P) Fadil Abdurahmanović
Gravyura 2019
2. Preis
h#2,5 2;1.1;1.1 (4+6)
Q) Alexander Fica
18601 Die Schwalbe 2021
h#4,5(3+3)
b) g3 →
f3
\verb Nombre de pièses neutres = 0 And
\verb Colonnes = 8 And
\verb Rangées = 8 And
\verb But = #Mat And
\verb Stipulation = Aidé And
\verb Number of white pieces = 3 And
\verb Number of black pieces = 3
und im Query die "Nature of the pieces" (= Art der Steine) angeben. Bei orthodoxen Hilfsmatts kann man sich die Einbeziehung der Könige sparen, da sie ja immer mit dabei sind.
\verb PAS de Conditions féerique And
\verb PAS de Pièces féerique And
\verb Themes Not Like Poisson d'avril And
\verb Themes Like Mats idéaux And
\verb Nature of the pieces Like BPrb
Et voilà: Unter nur 22 Treffern ist das relevante Quartett (R-U) rasch aussortiert.
R) William Anderson
Ideal-Mate Review 1984
h#4 2.1;1... (3+3)
S) Anatoli Petrow
Ideal-Mate Review 1985
2. Preis
h#5 2.1;1... (3+3)
T) Alexander Tjunin
Ideal-Mate Review 2010
h#2 2.1;1.1 (3+3)
U) Wiktor Abrossimow
Uralski Problemist 2012
h#3 b) d8 → b8
c) d8
→
h5 (3+3)
Ich hoffe, die beschriebenen fünf Suchvorgänge konnten erfolgreich vermitteln, daß die Fahndung nach Referenzaufgaben vor allem eine kreative Herausforderung bedeutet und als solche fast ebenso viel Spaß macht wie das Lösen der Probleme. Sachdienliche Hinweise in Gestalt von relevanten Ausgrabungen nimmt jeder Autor, Spaltenleiter oder Mitleser gerne entgegen. Für Fragen und weitere Unterstützung jeder Art stehe ich unter meiner Emailanschrift gerne zur Verfügung.
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