Todesfälle
Gerald Sladek
Main-Post 1965
2. Preis
#5 (5+10)
Von Camillo Gamnitzer erhielten wir die
traurige Nachricht vom Tod des Linzer Komponisten Gerald
Sladek (5.9.1931-18.7.2022). Camillo schrieb: "Am 5. September
2022 hätte Gerald Sladek den 91er gefeiert, doch die Last der Jahre
und die spitalärztlich nicht mehr bewältigbaren Folgen einer
Corona-Infektion haben ihn aus unserer Mitte genommen. Als Mitgründer
der Linzer Kunstschachgemeinde und Schöpfer von rund 150 mehrheitlich
ausgezeichneten, durchwegs im Grazer Stil gehaltenen
Mattaufgaben beachtlicher Tiefe hat sich Gerald auch als
Problemspaltenleiter in verschiedenen österreichischen Printmedien
bleibend um die Verbreitung des Metiers verdient gemacht. Ehrendes,
dankbares Andenken ist dem Freund und Nestor hierorts und über
Landesgrenzen hinaus gewiss." Sladek hatte einen vornehmen
Kompositionsstil, an den die Beispielaufgabe erinnert - in unserer
Zeit der materialintensiven Rekord- und Komplexitätsbestrebungen
sicher nicht schlecht.
1.Dg6? [2.D:h5#] L:g6!; 1.Le2! [2.De7,f6#] L:e2
2.Tc8! [3.Th8+] La6+ 3.Kb8!
L:c8 4.Dg6! Lg4 5.Df6#, 1.- T:e2 2.T:d5 usw. Effekte "am
laufenden Band" - vollständige Perilenkung des Lh5!
Im Alter von 87 Jahren verstarb der israelische Komponist Yosi
Retter
(18.12.1934-20.8.2022), der seit 1964 Internationaler Preisrichter
und seit 1988 Kompositions-IM war. Retter wurde in Jerusalem geboren
und verbrachte dort auch die meiste Zeit seines Lebens. Vielen von uns
war er durch seine regelmäßigen Besuche der WCCC-Treffen persönlich
bekannt. Dort fiel er auf als äußerst vielseitiger und erfolgreicher
Komponist und durch sein lebhaftes, freundliches Wesen, das ihn viel
jünger erscheinen ließ als er tatsächlich war.
Nach Redaktionsschluss erhielten wir noch die Meldung vom Tod des
finnischen Komponisten Unto Heinonen (25.12.1946-17.9.2022).
Kalenderblatt
Roald Bukne
(11.2.1925-10.10.1997) war ein freundlicher älterer norwegischer
Problemist, der in den 1980er Jahren mehrfach an den PCCC-Treffen
teilnahm und an dessen 25. Todestag jetzt zu
erinnern ist. - Als ich Mitte der 1960er Jahre anfing, Lösungen zum
Problemteil der DSZ einzuschicken, fiel mir schon bald der
Name Hans Georg Matthäus (17.2.1935-10.10.1997) auf,
der dort zu den Spitzenlösern zählte. Auch er verstarb vor einem
Vierteljahrhundert, ebenso wie der schwedische Komponist Cyril P. Swindley (10.6.1935-17.9.1997), der 1984 eine 123 Aufgaben
umfassende Sammlung eigener Aufgaben herausgab, meist Zweizüger und
Selbstmatts. Von ihm stammte angeblich das als "Swindleys
Law" bezeichnete, aus der Vor-Computerzeit kommende Verdikt, dass
Selbstmatts mit 12 oder mehr Zügen immer inkorrekt seien.
Joseph K. Heydon
Good Companions 1921
2. Preis im Complete
Block-Turnier
#2 (11+12)
Joseph Kentigern Heydon (13.1.1884-9.1947) war ein vor 75
Jahren verstorbener Problemist, der sein Leben abschnittweise in
Australien (seinem Geburtsland, in dem er Kindheit und längere Phasen
seines Berufslebens als Anwalt und Unternehmer verbrachte), England
(Studium und frühe Berufsjahre sowie Ruhestand) und den USA (Studium)
verbrachte. Eine von Bob Meadley verfasste Biographie kann unter
www.ozproblems.com/walkabout/walkabout2017/mar20 eingesehen
werden. Dort wird neben Heydons Lebenslauf auch eine Sammlung von 62
seiner Probleme gezeigt, darunter auch der hier wiedergegebene
Zweizüger: Auf jeden schwarzen Zug hat Weiß einen Mattzug parat: 1.-
Lb7 2.D:d7#, 1.- S~ 2.D:c5#, 1.- b3 2.c4#, 1.- c4 2.L:c4#,
1.- g~ 2.Lc4# und 1.- e4 2.Sf4#. Der fluchtfeldgebende
Schlüssel 1.Se4! ist nur ein nichts drohender Wartezug, der das
letztgenannte Satzspiel ausschaltet, dafür aber ein neues hinzufügt:
1.- K:e4 2.Dc6#. Auf andere Züge folgt ein kompletter Mattwechsel:
1.- Lb7 2.D:b7#, 1.- S~ 2.Sf6#, 1.- b3 2.Sc3#, 1.- c4
2.D:c4# und 1.- g~ 2.Dd6#.
Peter F. Copping
British Chess Magazine
1952
2. Preis
#3 (10+9)
Peter F. Copping (12.10.1922-18.12.1989) wurde vor 100 Jahren
in England geboren und entwickelte sich zu einem starken
Partiespieler, bis er herausfand, dass Partieschach mit zu viel
"harter Arbeit" verbunden war. Daher wandte er sich dem
Problemschach zu, wo ihm bei der "harten Arbeit" wenigstens
keine Schachuhr im Nacken saß, und wurde Anfang der 1960er Jahre ein
erfolgreicher Dreizüger-Komponist. Hier ein Stück aus seiner frühen
Kompositionsphase: 1.Tc1! Zz La1 2.T:a1 [3.D:g7#] 2.-
D:g8 3.T:g8#, 2.- Dg5,6 3.D:g5,6#, 2.- Se6 3.D:e6#, 2.-
Sf7 3.Dc8#;
1.- Lc3 2.T:c3 [3. D:g7#], 2.- Dg5,6 3.D:g5.6#,
2.- D:g8 3.T:g8#, 2.- Se6 3.D:e6#, 2.- Sf7 3.Dc8#;
1.- Lf6 2.De8 L~ 3.D:h5#,
2.- D:h8 3.De2#,
1.- Le5 2.Dc4 [3.De2#], 2.- L:f4 3.D:f4#,
1.- Ld4 2.Db3 Lc3/Le3 3.Dd1#, 2.- De5/De7 3.Df3#,
1.- D:g8 2.T:g8+ Lg7 3.T:g7#.
Philip H. Williams
The Modern Chess
Problem, vor 1912
#2 (9+5)
Philip Hamilton Williams (18.12.1873-14.9.1922) war ein
bedeutender englischer Problemist. Viele seiner etwa 1200
Kompositionen erschienen im Chess Amateur. Er publizierte
eine Reihe von Problembüchern, darunter A Selection of Chess
Problems (1895), sein 1903 erschienenes The Modern Chess
Problem wurde 1912 und 1923 neu aufgelegt, und 1909 erschien sein
humoristisches Chess Chatter and Chaff.
Bedeutend war das zusammen mit R. Gevers 1919 veröffentlichte
All Change here?, eine Abhandlung über
Mattwechsel-Zweizüger, die er mit 325 Problemen zu diesem Thema aus
seiner eigenen Produktion anreicherte. Aus seiner Selection
hier ein Zweizüger, den er zu seinen eigenen Favoriten zählte. Auf
alle schwarzen Züge hat Weiß Matts parat außer auf 1.- Sa2 und 1.-
Se2. Nach dem Wartezug-Schlüssel 1.Lc2 erwacht der Ta1, der auf die
beiden S-Züge mit 2.Td1 mattsetzen kann. Leider hat der Autor seinen
Aufgaben keine Publikationsdaten beigefügt (was im 19. Jahrhundert
nichts Ungewöhnliches war); er erwähnt statt dessen lediglich, dass es
sich um bereits vorher veröffentlichte Probleme handelt.
Heinrich L. Fraenkel (28.9.1897-25.5.1986), der in
Schachkreisen besser unter seinem Pseudonym Assiac
bekannt ist, wurde vor 125 Jahren in Deutschland in eine jüdische
Familie geboren und verbrachte große Teile seines Lebens
in England. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 hielt er sich
zufällig in Großbritannien auf, wurde festgenommen
und während des Krieges als "Enemy Alien" auf der Isle of
Man interniert. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland
studierte er an mehreren Universitäten, um schließlich in den 1920ern
als Filmkorrespondent und Drehbuchautor zunächst in Berlin und später
zwei Jahre lang in Hollywood zu arbeiten. Nach seiner Rückkehr nach
Berlin begann Fraenkel, sich für Politik zu interessieren. Einer
Warnung folgend floh er in der Nacht des Reichstagsbrands vom 27. auf
den 28. Februar 1933 aus Berlin, um einer bevorstehenden Verhaftung
durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Nachdem Fraenkel in London
sesshaft wurde, verfasste er dort seine erste Serie von Büchern über
Deutschland, die in der nach dem Ende des Zweiten
Weltkriegs verfassten Autobiografie Lebe wohl,
Deutschland gipfelten. In einer langjährigen Zusammenarbeit mit Roger
Manvell verfasste Fraenkel eine Reihe biografischer Studien führender
Persönlichkeiten des Dritten Reiches und des Widerstands gegen den
Nationalsozialismus.
Für diese Arbeiten wurde er 1967 mit dem Verdienstorden der
Bundesrepublik Deutschland erster Klasse ausgezeichnet. Während
seiner Internierung im Ersten Weltkrieg spielte Fraenkel auf der Isle
of Man viel Schach. Ab 1949 führte er unter seinem Pseudonym
"Assiac" eine Kolumne im New Statesman, in der
er vorwiegend Studien vorstellte. Die lange Zusammenarbeit mit dem
New Statesman endete 1976 plötzlich, als die Kolumne von
der Redaktion ohne Vorwarnung an Tony Miles übergeben wurde. In
mehrere Sprachen übersetzt, wurden Assiacs zunächst in England
erschienene Schachbücher Vergnügliches Schachbuch (1953)
und Noch ein vergnügliches Schachbuch (1974), die auf
seiner New Statesman-Kolumne fußten, große Erfolge.
Conrad Bayer
Le Palamède Français
1865
2. Preis
#4 (4+8)
Der vor 125 Jahren verstorbene Conrad Bayer
(10.11.1828-15.10.1897) war einer der Haupt-Repräsentanten der
altdeutschen Problemschule. Nach dem Gewinn des 1. Preises im
ERA-Turnier 1857, dem ersten internationalen Kompositionsturnier der
Schachgeschichte, blieb er für lange Zeit
das Maß aller Dinge in der
Problemkomposition und war auch für die jungen Kohtz und Kockelkorn
ein bewundertes Ideal, dem nachzueifern war. Kohtz schrieb in seinen
Erinnerungen: "Dieser gefeierte Meister war duch seine großen
Turniererfolge wohl für alle jungen aufstrebenden Komponisten der
sechziger Jahre das leuchtende Vorbild geworden, und die
hervorragendsten Eigenschaften seiner Kunst: glänzende Mattwendungen
und Reichtum an Varianten wurden das Ziel, dem alle zustrebten. In
der Erfindung von glänzenden Mattwendungen war Bayer von einer
Fruchtbarkeit, die nicht zu überbieten war, und in der er niemals auch
nur annähernd erreicht worden ist. Dagegen war es bei ihm mit der
Tiefe der Anlage nicht allzuweit her, und sein Variantenreichthum, wie
groß er gelegentlich auch war, besaß doch nur selten einen großen
Gehalt. Ihn in dieser Hinsicht zu übertreffen, war daher begründete
Aussicht vorhanden und es ist auch von vielen erfolgreich versucht
worden." Hier ein Vierzüger aus dem 2. Preis des Palamède Français 1865 (die Preise wurden damals für Sendungen
- meist sechs Probleme - und nicht für einzelne Probleme vergeben.)
1.Sg3! [2.De4#] 1.- Ke6 2.De8+ Kd5 3.De4# oder 2.- Le7 3.D:e7+ Kd5
4.De4#, 1.- Lg5 2.Kh5 [3.De4+ Kf6 4.De7#], 2.- Kf6 3.Dd7 [4.De7#]
3.- Ke5 4.Dd6#, 2.- Ke6 3.Dc6+ Kf7/Ke5 4.Dg6/Dd6#, 2.- Ld8 3.Df4+
K:f4/Kd5/Ke6 Ld6/De4/Df5# (1.- L~ 2.Df4+).
Richard Adam
Breslau 1889
Kongress des Deutschen
Schachbunds
1. Preis
#4 (10+12)
Der als Problemkomponist heute vergessene Leipziger Zigarrenfabrikant
Richard Adam (30.9.1847-14.10.1916) war schon zu
Lebzeiten nur wenig bekannt, da er ganz in der Stille komponierte und
nur bei wenigen Gelegenheiten in Erscheinung trat; so bei den
Kompositionsturnieren des Deutschen Schachbunds 1885, 1887 und 1889.
Sozusagen aus dem Nichts kommend, holte er sich 1885 einen 4. Preis
und in den beiden anderen genannten Turnieren jeweils den 1. Preis.
Gleich danach tauchte er wieder ab und veröffentlichte später nur noch
ganz wenig Probleme. 1.Sg7! [2.Dc4 nebst De4#]
1.- Kd4 2.Sh5! [3.D:c3+ K:d5 4.S:f4#] 2.- g:h5 3.Dh7 nebst 4.De4#,
2.- K:d5 3.Db7+ nebst 4.De4#;
2.- Ke5 3.Dc4 nebst 4.De4#;
1.- K:d5 2.Db7+ K~ 3.De4#,
1.- L:g7 2.Dc4 [3.De4#] 2.- Ke6 3.D:f4 [4.Sc7#], 3.- K:d5 4.De4#;
1.- Se7 2.Dc4 [3.De4#] Kf6 4.Dd4#;
1.- Sb6 2.Df7 L:g7 3.D:f4+;
1.- Td1 2.Df7.
Die Preisrichter Hermann von Gottschall und Max Kürschner lobten das
Stück damals als ein Meisterwerk an Feinheit und Originalität der
Erfindung, und fuhren dann im altdeutsch-nebulösen Stil fort: "Der
zweite Zug des versteckt liegenden Hauptspieles gibt der Aufgabe einen
pikanten Beigeschmack. Die elegante Ausführung einer so schwierig
darzustellenden Idee bedurfte außer einer tiefen Anlage eine
bedeutende technische Kunstfertigkeit des Komponisten."
Der italienische Theoretiker und Spieler Pietro Carrera
(12.7.1573-18.9.1647) wurde nach seinen priesterlichen Studien zum
Kaplan von S. Maria della Stella in Militello ernannt und gewann die
Förderung einer adligen Dame. Um ihr zu gefallen, schrieb er ein
lateinisches Schachgedicht, die "Pessopedia", das uns nur
teilweise überliefert ist. 1617 veröffentlichte er eine größere
Abhandlung unter dem Titel Il gioco degli scacchi di Don
Pietro Carrera diviso in otto libri, der schließlich 1635 eine
polemische Schrift La risposta di Valentino Vespaio in difesa
di Don Pietro Carrera contro l'apologia di Alessandro Salvio
folgte. Carreras Bücher zählen heute zu den besonders seltenen
Sammlerstücken; von der Risposta sollen weniger als 10
Exemplare die 375 Jahre seit Carreras Tod überdauert haben.
(GüBü)