Heft 313, Februar 2022

Kalenderblatt

Wir erinnern an zwei vor 25 Jahren verstorbene Problemisten: Auf den griechischen Komponisten Nikos Siotis (25.9.1929-14.1.1997) gehen gut 700 Probleme zurück. Er befasste sich hauptsächlich mit Hilfsmatts. Robert C. (Bob) McWilliam (12.7.1919-12.2.1997) war vielen Problemisten als langjähriger Bücherwart unserer Schwestergesellschaft BCPS bekannt. Er trat auch als Komponist hervor, besonders auf dem Gebiet des Zweizügers, wo er sich als Spezialist für das Schiffmann-Thema (dem auch die kürzlich verstorbene Odette Vollenweider zugeneigt war) hervortat. McWilliam gab zum Thema die Broschüre Schiffs with Everything heraus.

Theodor Nissl

Akademische Monats-
hefte 1910

wKa7, wTb7, wLg5, wBb3, sKa5, sTd4, sLg4

#6 (4+3)

Theodor Nissl (21.1.1878-16.2.1972) wurde - wie auch Hermann Weißauer - im oberbayrischen Freising geboren. Er wurde Gymnasiallehrer für Mathematik und Physik, unterrichtete zeitweise in Kaiserslautern und Frankenthal, aber auch in München und Passau. Den Kontakt zum Problemschach fand er über Ernst Krieger (P. A. Orlimont), seine ersten Probleme erschienen kurz vor Ausbruch des 1. Weltkriegs. Kontakte zu Kohtz und Kockelkorn lenkten ihn in neudeutsches Fahrwasser, enger Kontakt zu Franz Sackmann bestärkte diese Richtung. Die hier gezeigte klassische Miniatur aus seiner Frühzeit gehört zu Nissls bekanntesten Kompositionen. In der Lösung legt der weiße Läufer eine Pirouette hin, die den schwarzen Turm schwindlig werden lässt: 1.Lh4 Td1 2.Lg3 Tc1 3.Lf4 Tc2 4.Lg5, und der schwarze Turm kann die Felder d2 und d8 nicht mehr gleichzeitig decken.

Über den Dreizüger-Komponisten Nikolai Konstantinowitsch Malachow (8.5.1887-1947), der Buchhalter in einem landwirtschaftlichen Kombinat war, gab es schon in Heft 255 (Juni 2012) eine Kalenderblatt-Notiz. Jetzt ist an seinen Tod vor 75 Jahren zu erinnern.

Emil Plesnivý

Národní politika 1934

1. Preis

wKb7, wDb3, wLd6h5, wSe8g3, wBc7e2f2h6, sKe6, sTa2d5, sLc1, sBa7b6d3d7

#3 (10+8)

Emil Plesnivý (11.6.1893-16.2.1947) war ein tschechoslowakischer Komponist, der ungefähr 700 Probleme komponierte, überwiegend Drei- und Mehrzüger, in denen er strategische Motive mit eleganten böhmischen Mattbildern kombinierte. Hier ein Beispiel: 1.e3 [2.D:d5+ K:d5 3.Lf7#] 1.- T:f2 2.e4 [3.D:d5#] 2.- Tff5 3.e:f5#, 1.- L:e3 2.Sf5 [3.Sg7#] 2.- L:h6(Ld4) 3.S(:)d4#, 2.- K:f5 3.D:d5#.

Anton Trilling

Fata Morgana 1922

wKc8, wDe7, wTb2g3, wLd5f8, wSb1g1, wBb5b7c2c6h6, sKg8, sTh8, sLh3, sSa8g4, sBb6c5c7f7g2h7

s#5 * (13+11)

Über Anton A. C. Trilling (11.11.1892-16.2.1947) erschien in Heft 288 (Dezember 2017) eine Kalenderblatt-Notiz zum 125. Geburtstag. Jetzt ist an den 75. Todestag des Schwalbe-Gründers und ihres ersten 1. Vorsitzenden zu erinnern. Trilling gab Ende 1927 den Vorsitz an Birgfeld ab, blieb der Schwalbe aber bis zu seinem Lebensende eng verbunden und trug durch seine konsequente Haltung, dass das Schachproblem nichts mit der Politik zu tun habe, viel zu einem unbelasteten und schnellen Neuanfang nach Ende des 2. Weltkriegs bei. Trillings kompositorisches Schaffen war breit gefächert, umfasste insbesondere auch das Selbstmatt. In dem vor 100 Jahren erschienenen Birgfeld-Buch Fata Morgana - das wäre eine eigene Kalenderblatt-Meldung wert gewesen - ist Trilling mit 39 Selbstmatts vertreten, darunter dem hier wiedergegebenen Stück: Satz 1.- c4 2.Da3 c3 3.Tb4 K:f8 4.Tb:g4+ Ke8 5.De7+ K:e7#; Lösung 1.Tbb3 c4 2.Tbe3 c3 3.Dg5+ K:f8 4.Te8+ K:e8 5.De7+ K:e7#. Hier werden in Satz und Lösung zwei unterschiedliche Motive gezeigt: Inder im Satzspiel und "eine Art von Räumung, die eigentlich ein Herlin werden sollte", wie Birgfeld bemerkt.

Josef Haas

Mannheimer Morgen 1975

wKh8, wTh3, wLd2, wSf3, wBf6g3g4, sKg6, sTe7, sBd7e6f7

#1 (wer?) (7+5)

Josef Haas (28.1.1922-11.11.2003) war Kriminalbeamter, und dieser Beruf scheint sich auf sein Problemschaffen ausgewirkt zu haben, denn die Beschäftigung mit seinem Werk - fast ausschließlich Retros - setzt kriminalistischen Spürsinn voraus und ist auf die Vergangenheit einer gegebenen Stellung gerichtet. Tatort Schachbrett nannte er dann auch die 1999 im Eigenverlag erschienene Auswahl seiner Probleme. Sehen wir uns ein leichtes Haas-Retro an: Die Stellung gibt zwei Mattzüge her, 1.Th6# bei weißem Anzug, entsprechend der "normalen" Konvention, oder 1.- Te8#, falls Schwarz keinen letzten Zug hätte und daher am Zuge wäre. Da für einen schwarzen letzten Zug hier nur der schwarze König in Betracht kommt, aber jedes ihm zugängliche Feld doppelt gedeckt ist (außer f5, aber der wBg4 könnte ein Schachgebot auf f5 nicht aufheben, da es kein freies Feld gibt, von dem er nach g4 hätte ziehen oder schlagen können), bleibt nur der bekannte Retro-Trick mit dem ep-Schlag: 1.Kh6:wBg6 wBh5:sBg6 e. p., dem 2.- g7-g5 vorausgegangen sein muss; das danach noch bestehende Läufer-Schachgebot lässt sich einfach aufheben. Also kann Weiß am Zug sein, der gesuchte Mattzug ist somit 1.Th6#. Der Autor wurde vor 100 Jahren geboren.

Eeltje Visserman

43. TT 1943
Nederlandse Schaakbond

1./2. Preis ex ae.

wKa7, wTd4h8, wSe7, wBg2g3, sKg5, sDc2, sTc3d2, sLg1, sSa6d1, sBb3c6d3e3f5f6h5

#3 (6+14)

Eeltje (Ele) Visserman (24.1.1922-23.3.1978) war der Sohn eines Bauunternehmers in einem kleinen Fischerdorf an der Zuiderzee. Nachdem er herausgefunden hatte, dass ihm die Tätigkeit im elterlichen Betrieb nicht zusagte, wurde er Mitarbeiter einer staatlichen Entwicklungsgesellschaft und bildete sich daneben weiter zu einem Bauingenieur. Nach dem Krieg nahm er eine Stelle als Beamter im Ministerium für sozialen Wohnungsbau und Wiederaufbau in Den Haag an. Mit dem Schachspiel kam er schon früh in Berührung und 1938 entstand sein erstes Problem. Schon bald entwickelte er sich zu einem der führenden Komponisten. Der 1960 erschienene 8. Band der Reihe Probleemcomponisten widmete sich seinem Werk; es war das erste Mal, dass ein lebender niederländischer Komponist auf diese Weise geehrt wurde. Es sollte nach seinem Tod die noch großenteils von ihm selbst zusammengestellte Sammlung Schaakproblemen van Ele Visserman folgen (1986). Er selbst verfasste eine kleine Anthologie mit dem Titel 64 Nederlandse componisten in 1964. Sein Lieblingsgebiet waren die Zwei- und Dreizüger, hier ein Beispiel: Der stille Schlüssel 1.Th7 droht 2.Tg7+ Kh6 3.S:f5#, was die schwarzen Türme von c5 oder f2 aus parieren können. Dies führt aber zu Voraus-Entfesselungen des Td4, der dann dualvermeidend ziehen kann, wobei die durch die schwarzen Bristols ermöglichten Verteidigungen zu vermeiden sind. 1.- Tc5 2.Th4 (nicht 2.Td8? Dc4!) nebst 3.T7:h5#; 1.- Tf2 2.Td8 (nicht 2.Th4? De2!) nebst 3.Tg8#.

Michail M. Barulin

Allrussisches Turnier 1931

wKg8, wDd8, wTc1e2, wLf2h3, wSc2f5, wBa4b5d3e6f4, sKd5, sDa7, sTa3, sLa2e1, sSa8, sBd6e7f3f6

#2 (13+10)

Michail Michailowitsch Barulin (1897-1942) war von 1935 bis 1941 Problemredakteur der Zeitschrift 64 und leitete daneben von 1938 bis 1941 auch die Problemspalte von Schachmaty w SSSR. Er zählt zu den Vätern des modernen Zweizügers, den er in vielen über die Welt verteilten Artikeln propagierte; er war der erste, der systematisch weiße Verführungen untersuchte - und das schon 1927. Die weißen Linienkombinationen A bis E sind eng mit seinem Namen verbunden. Hier ein Beispiel mit Thema D (Zwei Felder im Bereich des schwarzen Königs werden von je zwei weißen Linienfiguren gedeckt. Schwarz verstellt eine Linie, Weiß unterbricht im Mattzug die andere, öffnet aber eine dritte Linie): 1.Dc8 [2.Dc6#]. c5 ist von der Dc8 und vom Lf2 gedeckt, die Verteidigung 1.- Dc7 unterbricht die Linie c8-c5, der Mattzug 2.Sce3# verstellt f2-c5, was durch die Öffnung der Linie c1-c5 kompensiert wird. Analoges gilt für 1.- Dd7 2.Sfe3#. 1933 erschien das Buch 300 schachmatnych sadatsch, das er gemeinsam mit Guljajew und Issajew geschrieben hatte. Barulin wurde Opfer des stalinistischen Terrorregimes. Ende 1941 wurde er verhaftet und in einem sowjetischen Lager gefangen gehalten, wo er vor jetzt 75 Jahren, starb. Der Grund für seine Verhaftung ist nie bekannt geworden, nach seinem Tod wurde die Anklage zurückgezogen.

Joseph Goldschmidt

Israel-Ring-Turnier 1950

5. Preis

wKh2, wDb1, wTa5f6, wLb4f1, wSa6b8, wBd3e3f4, sKd5, sTb7, sLd1, sSb5c5, sBa7d6h7

#2 (11+8)

Joseph Goldschmidt (13.2.1897-31.1.1973) gilt als Vater des israelischen Problemschachs. Geboren wurde er in München, im Ersten Weltkrieg wurde er als deutscher Soldat in Frankreich verletzt und verlor ein Auge. 1920 wanderte er aus nach Palästina, wo er in einem Kibbuz arbeitete. Um 1940 begann er, Schachprobleme zu komponieren. Bald danach leitete er eine Schachspalte in der Tageszeitung Al Hamishmar, und nach Gründung der israelischen Problemistenvereinigung (1945) organisierte er über einen Zeitraum von etwa 25 Jahren die Israel Ring-Turniere. Von Goldschmidts etwa 300 Problemen hat Eliahu Fasher, selbst einer der israelischen Problemschach-Pioniere, 154 in seinem Buch Joseph Goldschmidt's Chess Problems zusammengestellt. Daraus sei hier ein Zweizüger mit fortgesetzter Verteidigung durch beide schwarzen Springer gezeigt. 1.La3 [2.Sb4#] 1.- Sb~{}/Sd4 2.D:b7/e4#, 1.- Sc~{}/Se4/S:d3 2.T:d6/d:e4/D:d3#.

Der Literatur- und Theaterkritiker Abram Solomonowitsch Gurwitsch (11.2.1897-18.11.1962) war in Moskaus Kulturszene bekannt geworden und befasste sich nebenher mit der Komposition von Schachstudien. Sein Werk auf diesem Gebiet blieb überschaubar und belief sich auf nur etwa 70 Studien, die allerdings höchsten Ansprüchen entsprachen, und viele seiner Kompositionen erhielten hohe Auszeichnungen. 1961 gab Gurwitsch unter dem Titel Etjudi eine Sammlung seiner Werke heraus, denen er einen 120 Seiten umfassenden Artikel zum Thema Schach und Poesie beifügte. Werner Speckmann, der den Autor beim Moskauer PCCC-Treffen 1961 kennenlernte, erhielt die Erlaubnis, die wesentlichen Teile dieses Artikels ins Deutsche zu übertragen und legte das Ergebnis 1964 unter dem Titel Meisterwerke der Endspielkunst vor. Die Gurwitsch-Studien wurden dabei weggelassen und durch einen Beitrag über deutsche Studienkunst ersetzt.

Der in Wien geborene Vincenz (Vince) Grimm (15.3.1801-15.1.1872) war ein feingebildeter Buchhändler, der im ungarischen Pest ein schwungvoll betriebenes Kunst- und Musikaliengeschäft besaß. Als er dieses verkaufte, um ein Lithografen-Geschäft zu gründen, begann eine abenteuerliche Phase seines Lebens. Den größten Teil seines Vermögens investierte er in die Entwicklung des lithographischen Farbdrucks. Mit Löwenthal und Szen, den bekanntesten ungarischen Schachspielern, sowie mit dem Dichter Le\-vitsch\-nigg und weiteren gründete er den Pester Schachklub, der sich bald durch gewonnene Korrespondenzpartien gegen renommierte westeuropäische Klubs einen Namen machte. Der Schachklub traf sich in der Wohnung eines alten heruntergekommenen deutschen Barons. Im selben Stockwerk wohnte der damals als Anwalt tätige Ludwig Kossuth, der engen Kontakt zu den Schachspielern hielt und später als Freiheitskämpfer für die Loslösung Ungarns von der k. u. k-Monarchie kämpfte. Grimm wurde nach Ausbruch der Revolution in abtrünnige Regierungskreise gezogen und war bald Direktor der Staatsdruckerei. Als es brenzlig wurde, floh Grimm mit der Regierung und landete letztendlich in der Türkei. Er soll zu den Wenigen gehört haben, die unterwegs Zeugen des Vergrabens der ungarischen Kron-Insignien waren. In Konstantinopel trat Grimm zum Islam über und wurde als Mustapha Bey Major im türkischen Generalstab - ein Posten, der seinem zerstreuten, träumerischen Wesen in keiner Weise entsprach. So verrichtete er auch nie einen militärischen Dienst und beschränkte seine Aktivitäten auf das Karten- und Mappen-Archiv des türkischen Generalstabs. Er lebte von Privatstunden und vom Schachspielen; so sollen viele hochgestellte Türken die steilen Treppen zu seinem winzigen Dachzimmer mit chaotischer Unordnung erklommen haben, um dort in die Theorien der Schachkunst eingeweiht zu werden. Vereinzelt hat sich Grimm auch mit Problemschach befasst; in der PDB sind einige wenige Aufgaben von ihm erfasst.

Über Eduard Schildberg (1872-29.8.1942) gab es in Heft 286 (August 2017) schon eine Kalenderblatt-Notiz. Jetzt ist an seinen 150. Geburtstag zu erinnern.

Joseph Juchli

Schweizerische
Schachzeitung 1905

wKg8, wTf3f5, wLc5h1, wSe6, wBb3f2g5, sKe4, sTe5, sLb1h2, sBh6

#3 (9+5)

Joseph Juchli (11.1.1847-2.1.1905) gehörte zu den herausragenden schweizerischen Problemkomponisten. In seinen tief angelegten Aufgaben strebte er versteckte Schlüssel und stille Fortsetzungen an. Vor 175 Jahren in Zürich geboren, siedelte Juchli (wann?) nach München über, wo er als Kaufmann tätig war, bis ihn geschäftlicher Misserfolg um 1889 zur Rückkehr nach Zürich veranlasste. Als Problemkomponist trat er seit 1884 in Erscheinung, er publizierte seine Werke regional, d. h. der frühe Teil seiner ohnehin schmalen Produktion von 54 Problemen erschien in München oder Augsburg, der spätere Teil nach dem Wechsel in die Schweiz wurde dort veröffentlicht. Seine Probleme sind von A. C. White und M. Henneberger in der auf Vollständigkeit angelegten Sammlung J. Juchlis Schachprobleme (1908) aus der Christmas-Serie enthalten. Eine bedeutende frühere Quelle ist die Festschrift des Akademischen Schachklubs München von 1896, in der 28 Juchli-Probleme versammelt sind. Das ebenfalls in der Christmas-Serie erschienene Alpine Chess bringt später (1921) noch einmal eine Auswahl seiner Probleme und unterstreicht damit nochmals Juchlis Bedeutung. Der hier wiedergegebene Dreizüger demonstriert Juchlis hervorragende Konstruktionstechnik: 1.Kh7 droht 2.Tf6 nebst 3.Te3#, 2.- Kd5+ 3.Td3#; 1.- T:e6 2.Td5 Te7+/K:d5 2.Tf7/Tf5#; 1.- T:c5 oder Td5 2.Kg6 [3.Te3#]; 1.- Kd5 2.Td3+ K:e6 3.Tf6#.

(GüBü)


Impressum  Datenschutz
Anschriften: siehe Vorstand
Internetauftritt: Gerd Wilts