Kalenderblatt
Wir erinnern an zwei vor 25 Jahren verstorbene Problemisten: Auf den
griechischen Komponisten Nikos Siotis
(25.9.1929-14.1.1997) gehen gut 700 Probleme zurück. Er befasste sich
hauptsächlich mit Hilfsmatts. Robert C. (Bob) McWilliam
(12.7.1919-12.2.1997) war vielen Problemisten als langjähriger
Bücherwart unserer Schwestergesellschaft BCPS bekannt. Er trat auch
als Komponist hervor, besonders auf dem Gebiet des Zweizügers, wo er
sich als Spezialist für das Schiffmann-Thema (dem auch die kürzlich
verstorbene Odette Vollenweider zugeneigt war) hervortat. McWilliam
gab zum Thema die Broschüre Schiffs with Everything
heraus.
Theodor Nissl
Akademische Monats-
hefte 1910
#6 (4+3)
Theodor Nissl (21.1.1878-16.2.1972) wurde - wie auch
Hermann Weißauer - im oberbayrischen Freising geboren. Er wurde
Gymnasiallehrer für Mathematik und Physik, unterrichtete zeitweise in
Kaiserslautern und Frankenthal, aber auch in München und Passau. Den
Kontakt zum Problemschach fand er über Ernst Krieger (P. A.
Orlimont), seine ersten Probleme erschienen kurz vor Ausbruch des
1. Weltkriegs. Kontakte zu Kohtz und Kockelkorn lenkten ihn in
neudeutsches Fahrwasser, enger Kontakt zu Franz Sackmann bestärkte
diese Richtung. Die hier gezeigte klassische Miniatur aus seiner
Frühzeit gehört zu Nissls bekanntesten Kompositionen. In der Lösung
legt der weiße Läufer eine Pirouette hin, die den schwarzen Turm
schwindlig werden lässt: 1.Lh4 Td1 2.Lg3 Tc1 3.Lf4 Tc2 4.Lg5, und der
schwarze Turm kann die Felder d2 und d8 nicht mehr gleichzeitig decken.
Über den Dreizüger-Komponisten Nikolai Konstantinowitsch
Malachow (8.5.1887-1947), der Buchhalter in einem
landwirtschaftlichen Kombinat war, gab es schon in Heft 255 (Juni
2012) eine Kalenderblatt-Notiz. Jetzt ist an seinen Tod vor 75 Jahren
zu erinnern.
Emil Plesnivý
Národní politika 1934
1. Preis
#3 (10+8)
Emil Plesnivý (11.6.1893-16.2.1947) war ein
tschechoslowakischer Komponist, der ungefähr 700 Probleme
komponierte, überwiegend Drei- und Mehrzüger, in denen er
strategische Motive mit eleganten böhmischen Mattbildern kombinierte.
Hier ein Beispiel: 1.e3 [2.D:d5+ K:d5 3.Lf7#] 1.- T:f2 2.e4
[3.D:d5#] 2.- Tff5 3.e:f5#, 1.- L:e3 2.Sf5 [3.Sg7#] 2.-
L:h6(Ld4) 3.S(:)d4#, 2.- K:f5 3.D:d5#.
Anton Trilling
Fata Morgana 1922
s#5 * (13+11)
Über Anton A. C. Trilling (11.11.1892-16.2.1947)
erschien in Heft 288 (Dezember 2017) eine Kalenderblatt-Notiz zum 125.
Geburtstag. Jetzt ist an den 75. Todestag des Schwalbe-Gründers und
ihres ersten 1. Vorsitzenden zu erinnern. Trilling gab Ende 1927 den
Vorsitz an Birgfeld ab, blieb der Schwalbe aber bis zu seinem
Lebensende eng verbunden und trug durch seine konsequente Haltung, dass
das Schachproblem nichts mit der Politik zu tun habe, viel zu einem
unbelasteten und schnellen Neuanfang nach Ende des 2. Weltkriegs bei.
Trillings kompositorisches Schaffen war breit gefächert, umfasste
insbesondere auch das Selbstmatt. In dem vor 100 Jahren erschienenen
Birgfeld-Buch Fata Morgana - das wäre eine eigene
Kalenderblatt-Meldung wert gewesen - ist Trilling mit 39 Selbstmatts
vertreten, darunter dem hier wiedergegebenen Stück: Satz 1.- c4
2.Da3 c3 3.Tb4 K:f8 4.Tb:g4+ Ke8 5.De7+ K:e7#; Lösung
1.Tbb3 c4 2.Tbe3 c3 3.Dg5+ K:f8 4.Te8+ K:e8 5.De7+ K:e7#. Hier werden
in Satz und Lösung zwei unterschiedliche Motive gezeigt: Inder im
Satzspiel und "eine Art von Räumung, die eigentlich ein Herlin
werden sollte", wie Birgfeld bemerkt.
Josef Haas
Mannheimer Morgen 1975
#1 (wer?) (7+5)
Josef Haas (28.1.1922-11.11.2003) war Kriminalbeamter,
und dieser Beruf scheint sich auf sein Problemschaffen ausgewirkt zu
haben, denn die Beschäftigung mit seinem Werk - fast ausschließlich
Retros - setzt kriminalistischen Spürsinn voraus und ist auf die
Vergangenheit einer gegebenen Stellung gerichtet. Tatort
Schachbrett nannte er dann auch die 1999 im Eigenverlag erschienene
Auswahl seiner Probleme. Sehen wir uns ein leichtes Haas-Retro an: Die
Stellung gibt zwei Mattzüge her, 1.Th6# bei weißem Anzug,
entsprechend der "normalen" Konvention, oder 1.- Te8#, falls Schwarz
keinen letzten Zug hätte und daher am Zuge wäre. Da für einen
schwarzen letzten Zug hier nur der schwarze König in Betracht kommt,
aber jedes ihm zugängliche Feld doppelt gedeckt ist (außer f5, aber
der wBg4 könnte ein Schachgebot auf f5 nicht aufheben, da es kein
freies Feld gibt, von dem er nach g4 hätte ziehen oder schlagen
können), bleibt nur der bekannte Retro-Trick mit dem ep-Schlag:
1.Kh6:wBg6 wBh5:sBg6 e. p., dem 2.- g7-g5 vorausgegangen sein muss; das
danach noch bestehende Läufer-Schachgebot lässt sich einfach aufheben.
Also kann Weiß am Zug sein, der gesuchte Mattzug ist somit 1.Th6#.
Der Autor wurde vor 100 Jahren geboren.
Eeltje Visserman
43. TT 1943
Nederlandse Schaakbond
1./2. Preis ex ae.
#3 (6+14)
Eeltje (Ele) Visserman (24.1.1922-23.3.1978) war der Sohn
eines Bauunternehmers in einem kleinen Fischerdorf an der Zuiderzee.
Nachdem er herausgefunden hatte, dass ihm die Tätigkeit im
elterlichen Betrieb nicht zusagte, wurde er Mitarbeiter einer
staatlichen Entwicklungsgesellschaft und bildete sich daneben weiter
zu einem Bauingenieur. Nach dem Krieg nahm er eine Stelle als Beamter
im Ministerium für sozialen Wohnungsbau und Wiederaufbau in Den Haag
an. Mit dem Schachspiel kam er schon früh in Berührung und 1938
entstand sein erstes Problem. Schon bald entwickelte er sich zu einem
der führenden Komponisten. Der 1960 erschienene 8. Band der Reihe
Probleemcomponisten widmete sich seinem Werk; es war das
erste Mal, dass ein lebender niederländischer Komponist auf diese
Weise geehrt wurde. Es sollte nach seinem Tod die noch großenteils
von ihm selbst zusammengestellte Sammlung Schaakproblemen
van Ele Visserman folgen (1986). Er selbst verfasste eine kleine
Anthologie mit dem Titel 64 Nederlandse componisten in
1964. Sein Lieblingsgebiet waren die Zwei- und Dreizüger, hier ein
Beispiel: Der stille Schlüssel 1.Th7 droht 2.Tg7+ Kh6 3.S:f5#,
was die schwarzen Türme von c5 oder f2 aus parieren können. Dies
führt aber zu Voraus-Entfesselungen des Td4, der dann dualvermeidend
ziehen kann, wobei die durch die schwarzen Bristols ermöglichten
Verteidigungen zu vermeiden sind. 1.- Tc5 2.Th4 (nicht 2.Td8? Dc4!)
nebst 3.T7:h5#; 1.- Tf2 2.Td8 (nicht 2.Th4? De2!) nebst 3.Tg8#.
Michail M. Barulin
Allrussisches Turnier 1931
#2 (13+10)
Michail Michailowitsch Barulin (1897-1942) war von 1935
bis 1941 Problemredakteur der Zeitschrift 64 und leitete
daneben von 1938 bis 1941 auch die Problemspalte von Schachmaty w SSSR. Er zählt zu den Vätern des modernen Zweizügers,
den er in vielen über die Welt verteilten Artikeln propagierte; er
war der erste, der systematisch weiße Verführungen untersuchte -
und das schon 1927. Die weißen Linienkombinationen A bis E sind eng
mit seinem Namen verbunden. Hier ein Beispiel mit Thema D (Zwei Felder
im Bereich des schwarzen Königs werden von je zwei weißen Linienfiguren gedeckt.
Schwarz verstellt eine Linie, Weiß unterbricht im Mattzug die andere,
öffnet aber eine dritte Linie): 1.Dc8 [2.Dc6#]. c5 ist von der Dc8
und vom Lf2 gedeckt, die Verteidigung 1.- Dc7 unterbricht die Linie
c8-c5, der Mattzug 2.Sce3# verstellt f2-c5, was durch die Öffnung
der Linie c1-c5 kompensiert wird. Analoges gilt für 1.- Dd7
2.Sfe3#.
1933 erschien das Buch 300 schachmatnych sadatsch, das er
gemeinsam mit Guljajew und Issajew geschrieben hatte. Barulin wurde
Opfer des stalinistischen Terrorregimes. Ende 1941 wurde er verhaftet
und in einem sowjetischen Lager gefangen gehalten, wo er vor
jetzt 75 Jahren, starb. Der Grund für seine Verhaftung ist nie bekannt
geworden, nach seinem Tod wurde die Anklage zurückgezogen.
Joseph Goldschmidt
Israel-Ring-Turnier 1950
5. Preis
#2 (11+8)
Joseph Goldschmidt (13.2.1897-31.1.1973) gilt als Vater
des israelischen Problemschachs. Geboren wurde er in München, im
Ersten Weltkrieg wurde er als deutscher Soldat in Frankreich verletzt
und verlor ein Auge. 1920 wanderte er aus nach Palästina, wo er in
einem Kibbuz arbeitete. Um 1940 begann er, Schachprobleme zu
komponieren. Bald danach leitete er eine Schachspalte in der
Tageszeitung Al Hamishmar, und nach Gründung der
israelischen Problemistenvereinigung (1945) organisierte er über
einen Zeitraum von etwa 25 Jahren die Israel Ring-Turniere. Von
Goldschmidts etwa 300 Problemen hat Eliahu Fasher, selbst einer der
israelischen Problemschach-Pioniere, 154 in seinem Buch Joseph Goldschmidt's Chess Problems zusammengestellt. Daraus sei hier
ein Zweizüger mit fortgesetzter Verteidigung durch beide schwarzen
Springer gezeigt. 1.La3 [2.Sb4#] 1.- Sb~{}/Sd4 2.D:b7/e4#,
1.- Sc~{}/Se4/S:d3 2.T:d6/d:e4/D:d3#.
Der Literatur- und Theaterkritiker Abram Solomonowitsch
Gurwitsch (11.2.1897-18.11.1962) war in Moskaus Kulturszene bekannt
geworden und befasste sich nebenher mit der Komposition von
Schachstudien. Sein Werk auf diesem Gebiet blieb überschaubar und
belief sich auf nur etwa 70 Studien, die allerdings höchsten
Ansprüchen entsprachen, und viele seiner Kompositionen erhielten hohe
Auszeichnungen. 1961 gab Gurwitsch unter dem Titel Etjudi
eine Sammlung seiner Werke heraus, denen er einen 120 Seiten
umfassenden Artikel zum Thema Schach und Poesie beifügte. Werner
Speckmann, der den Autor beim Moskauer PCCC-Treffen 1961 kennenlernte,
erhielt die Erlaubnis, die wesentlichen Teile dieses Artikels ins
Deutsche zu übertragen und legte das Ergebnis 1964 unter dem Titel
Meisterwerke der Endspielkunst vor. Die Gurwitsch-Studien
wurden dabei weggelassen und durch einen Beitrag über deutsche
Studienkunst ersetzt.
Der in Wien geborene Vincenz (Vince) Grimm
(15.3.1801-15.1.1872) war ein feingebildeter Buchhändler, der im
ungarischen
Pest ein schwungvoll betriebenes Kunst- und Musikaliengeschäft
besaß. Als er dieses verkaufte, um ein Lithografen-Geschäft zu
gründen, begann eine abenteuerliche Phase seines Lebens. Den
größten Teil seines Vermögens investierte er in die Entwicklung des
lithographischen Farbdrucks. Mit Löwenthal und Szen, den bekanntesten
ungarischen Schachspielern, sowie mit dem Dichter Le\-vitsch\-nigg und
weiteren gründete er den Pester Schachklub, der sich bald durch
gewonnene Korrespondenzpartien gegen renommierte westeuropäische
Klubs einen Namen machte. Der Schachklub traf sich in der Wohnung
eines alten heruntergekommenen deutschen Barons. Im selben Stockwerk
wohnte der damals als Anwalt tätige Ludwig Kossuth, der engen Kontakt
zu den Schachspielern hielt und später als Freiheitskämpfer für die
Loslösung Ungarns von der k. u. k-Monarchie kämpfte. Grimm wurde nach
Ausbruch der Revolution in abtrünnige Regierungskreise gezogen und
war bald Direktor der Staatsdruckerei. Als es brenzlig wurde, floh
Grimm mit der Regierung und landete letztendlich in der Türkei. Er
soll zu den Wenigen gehört haben, die unterwegs Zeugen des Vergrabens
der ungarischen Kron-Insignien waren. In Konstantinopel trat Grimm zum
Islam über und wurde als Mustapha Bey Major im türkischen
Generalstab - ein Posten, der seinem zerstreuten, träumerischen
Wesen in keiner Weise entsprach. So verrichtete er auch nie einen
militärischen Dienst und beschränkte seine Aktivitäten auf das
Karten- und Mappen-Archiv des türkischen Generalstabs. Er lebte von
Privatstunden und vom Schachspielen; so sollen viele hochgestellte
Türken die steilen Treppen zu seinem winzigen Dachzimmer mit
chaotischer Unordnung erklommen haben, um dort in die Theorien der
Schachkunst eingeweiht zu werden. Vereinzelt hat sich Grimm auch mit
Problemschach befasst; in der PDB sind einige wenige Aufgaben von ihm
erfasst.
Über Eduard Schildberg (1872-29.8.1942) gab es in Heft
286 (August 2017) schon eine Kalenderblatt-Notiz. Jetzt ist an seinen
150. Geburtstag zu erinnern.
Joseph Juchli
Schweizerische
Schachzeitung 1905
#3 (9+5)
Joseph Juchli (11.1.1847-2.1.1905) gehörte zu den
herausragenden schweizerischen Problemkomponisten. In seinen tief
angelegten Aufgaben strebte er versteckte Schlüssel und stille
Fortsetzungen an. Vor 175 Jahren in Zürich geboren, siedelte Juchli
(wann?) nach München über, wo er als Kaufmann tätig war, bis ihn
geschäftlicher Misserfolg um 1889 zur Rückkehr nach Zürich
veranlasste. Als Problemkomponist trat er seit 1884 in Erscheinung, er
publizierte seine Werke regional, d. h. der frühe Teil seiner ohnehin
schmalen Produktion von 54 Problemen erschien in München oder
Augsburg, der spätere Teil nach dem Wechsel in die Schweiz wurde dort
veröffentlicht. Seine Probleme sind von A. C. White und M.
Henneberger in der auf Vollständigkeit angelegten Sammlung J. Juchlis Schachprobleme (1908) aus der Christmas-Serie enthalten.
Eine bedeutende frühere Quelle ist die Festschrift des Akademischen
Schachklubs München von 1896, in der 28 Juchli-Probleme versammelt
sind. Das ebenfalls in der Christmas-Serie erschienene Alpine Chess bringt später (1921) noch einmal eine Auswahl seiner
Probleme und unterstreicht damit nochmals Juchlis Bedeutung. Der hier
wiedergegebene Dreizüger demonstriert Juchlis hervorragende
Konstruktionstechnik: 1.Kh7 droht 2.Tf6 nebst 3.Te3#, 2.- Kd5+
3.Td3#; 1.- T:e6 2.Td5 Te7+/K:d5 2.Tf7/Tf5#; 1.- T:c5 oder Td5
2.Kg6 [3.Te3#]; 1.- Kd5 2.Td3+ K:e6 3.Tf6#.
(GüBü)