Kalenderblatt
Zunächst zwei Korrekturen zum
Kalenderblatt in Heft 308. Bernd Schwarzkopf, dessen gründliche Arbeit
am Inhaltsverzeichnis über viele Jahre hinweg gar nicht hoch genug
eingeschätzt werden kann, wies mich darauf hin, dass nach seinen
Unterlagen Richard Becker drei Jahre jünger ist (62 statt 65) und das
Leben von Friedrich Chlubna einen Tag länger währte (\dag 6.1.2005)
als angegeben. In beiden Fällen scheint Bernd Recht zu haben; die
Quellen, auf die ich mich stützte, wurden entsprechend korrigiert.
Leopold Jüptner (16.6.1906-24.12.1971) übernahm Ende 1963 das Amt des
Kassenwarts der Schwalbe. Seine Kompositionstätigkeit beschränkte sich auf die Zeit
vor dem 2. Weltkrieg, in den 1930er Jahren leitete er bis 1941 auch eine Schachspalte im Grünberger
Wochenblatt, einer im schlesischen Grünberg damals täglich erscheinenden
Zeitung. Er war Richter, zunächst in der DDR, von wo aus er Ende 1959 in die Bundesrepublik
nach Hamm übersiedelte. Dort lernte er bald seinen Berufskollegen Speckmann kennen, den er
regelmäßig besuchte. Vor einem halben Jahrhundert erlag er am Heiligabend einem
Herzinfarkt.
Bruno Oswald Sommer
Die Schwalbe 1952
1. Preis
#1 vor 2 (8+13)
Der Berliner Lehrer Bruno Oswald Sommer (20.3.1881-19.11.1971) war ein
ausgezeichneter Theoretiker und Praktiker der neudeutschen Schule, der sich auch gern ins
Gebiet der Retroprobleme wagte - hier ein Beispiel: Zurück 1.Tg4-d4 0-0-0+ 2.Th4-g4,
dann vorwärts 1.Th8#. Die acht fehlenden weißen Steine wurden von den schwarzen Bauern
geschlagen (Bb5 kam von d7, b2 von g7, g6 von h7), die drei fehlenden schwarzen von den
weißen Bauern a2, b2 und d2. Aber warum nimmt Schwarz die Rochade zurück? Er muss es,
weil er auf g4 mangels eines Schlagobjekts nicht mehr entschlagen kann, jeder Turmzug im Rückwärtsspiel
würde also ein illegales Schachgebot bedeuten.
Johannes Jacob Burbach
De Probleemvriend 1943
Preis
#4 (7+9)
Der vor einem Jahrhundert geborene Problemkomponist Johannes Jacob Burbach
(5.11.1921-15.11.2003) war Spross einer
schachbegeisterten niederländischen Familie: seine Eltern führten ihn
schon früh in das Spiel ein und sein älterer Bruder brachte ihn mit
dem Problemschach in Berührung, dem er sich über 65 Jahre lang
widmete. Über diesen langen Zeitraum hinweg komponierte Burbach
insgesamt 1315 Probleme, über die er genau Buch führte. Nach
orthodoxen Anfängen wandte er sich immer mehr dem Märchenschach zu;
die Märchenart Exklusiv-Schach wurde von ihm entwickelt. Gerard Bouma
(1923-2017), der jahrzehntelang mit Burbach befreundet war, verfasste
2007 einen schachlichen Nachruf Burbachs, der im Netz zu finden ist
(http://www.probleemblad.nl/images/Documenten/Burbach-A5.pdf) und eine
Auswahl seiner Probleme enthält. Hier ein früher Vierzüger: Die starke
Verteidigung (Td4), die Ablenkung (Ld6) und die schwächere
Verteidigung Tb4 sind in diesem Wechselform-Dresdner auf drei Steine
verteilt, wonach mit 3.Lc4 ein Nowotny folgt. Lösung: 1.f3?\
[2.Te4#], aber 1.- Td4!. 1.Lg7! [2.Le5#] 1.- Ld6 2.f3 [3.Te4#]
2.- Tb4 3.Lc4 T:c4 4.S:d3# oder 3.- L:c4 4.Te4#.
Alexander W. Galizki
Magyar Sakk\'ujság 1912
#8 (4+1)
Der russische Landarzt Alexander Wassiljewitsch Galizki
(5.3.1863-18.11.1921) begann 1886, Schachprobleme zu komponieren und
entwickelte sich zu einem wichtigen und mit mehr als 1900
veröffentlichten Aufgaben auch sehr produktiven Komponisten. Sein
bevorzugt bearbeitetes Gebiet waren Drei- und Mehrzüger. Seine
Auffassung von der künstlerischen Qualität eines Problems war
richtungweisend: "Erste Voraussetzung für eine Aufgabe ist die
Existenz einer scharfsinnigen Idee, die entweder aus dem Mattbild oder
aus den Zügen der weißen und schwarzen Figuren bestehen kann. Wie für
Kunstwerke ist für Aufgaben das Vorhandensein einer guten
Idee unzureichend, ein reichhaltiger Inhalt ist notwendig, um diesen
Inhalt in einer künstlerischen Form zu verkörpern, das heißt, er
sollte im hinreichenden Maße klar und prägnant ausgedrückt werden,
damit die der Aufgabe zugrundeliegende Idee in ihr eine dominierende
Bedeutung erhält." Häufig hat Galizki solche Inhalte in prägnanter
Form in Miniaturen dargestellt, so auch in dem hier gezeigten
Fünfsteiner: Nach dem Give-and-Take-Schlüssel 1.Kf4 pendelt der
schwarze König auf der d-Linie, während der weiße Springer fast ums
ganze Brett tanzt, dabei aber immer wieder seinen Turm decken muss:
1.- Kd4 2.Sc8 Kd5 3.Se7+ Kd4 4.Sg6 Kd5 5.Se5 Kd4 6.Sd3 Kd5 7.Sb4+ Kd4
8.c3#.
Der vor etwa vier Jahren verstorbene niederländische Komponist
Johannes Cornelis Roosendaal veröffentlichte in den 1980er
und 1990er Jahren im Selbstverlag eine Reihe von Broschüren, in denen
er sich systematisch mit formalen Themen wie Springerrad, Albino,
Pickaninny, Stern- und Kreuzflucht auseinandersetzte. Am 23. November
wäre er 100 Jahre alt geworden.
Alexander Hildebrand
1. WCCT 1975
5. Platz
Gewinn (4+5)
Alexander Hildebrand (24.12.1921-3.8.2005) war ein
Pendler zwischen Schweden und Estland. Er vertrat beide Länder als
Delegierter der PCCC, und so manches Heft von Springaren
wurde von Tallinn aus in die Welt geschickt. Mit 10 Jahren erlernte er
das Schachspiel, als 16järiger begann er, sich für die
Schachkomposition zu interessieren; insgesamt umfasst sein Schaffen
etwa 350 Kompositionen, darunter 150 Studien, bei denen ihm thematisch
das positionelle Remis besonders am Herzen lag. Von 1956 bis 1961 war
er als Studienredakteur der Tidskrift för Schack tätig,
später, von 1966 bis 1974, leitete er die Studienabteilung der
Zeitschrift Stella Polaris. Er wirkte auch an einer Reihe
von Büchern als Autor bzw. Co-Autor mit, hier eine Auswahl: 1982
publizierte er unter dem Titel Studier af Axel Ericsson
eine Auswahl von Ericssons Studien. 1999 erschien, assistiert von
Friedrich Chlubna, in dessen Verlag das Werk auch erschien, der Blick
auf das kompositorische Schaffen des großen estnischen Spielers Paul
Keres (Paul Keres - Der Komponist). Gemeinsam mit Anders
Uddgren erschienen 1994 und 1996 zwei Bände mit schwedischen
Miniaturen, und in seinem 1998 erschienenen Selbstmatt-Bändchen
Harakiri widmete er sich seiner zweiten Vorliebe, dem
Selbstmatt. Hier aber sein erfolgreicher Beitrag zum 1. WCCT: 1.Th5?
ist aussichtlos, denn nach 1.- f2 ist kein Gewinn für Weiß in
Sicht. Also 1.Tb7+ Ka8 2.T:h7 h1D 3.Lb7+ Kb8 4.a7+ K:a7 5.L:f3+ Sf7+!
6.T:f7+ Kb8. Jetzt wäre Schwarz nach L:h1 patt, aber Weiß kann
seinen Turm noch besser stellen: 7.Tb7+ Ka8 8.Tb3+ Ka7 9.L:h1 1-0.
Josef Vančura
28. \v{r}\'{\i}jen 1924
Schwarz kann Remis halten (3+2)
Es gibt zwei tschechische Komponisten mit dem Namen Josef
Vančura, Vater und Sohn - Stoff für mancherlei Verwechselungen.
Der Vater, geboren 21.2.1870 und am 26.5.1930 verstorben, war Professor für
römisches Recht und gilt als Begründer der Papyrologie in Tschechien.
Er spielte eine wichtige Rolle im tschechischen Kunst- und
Wissenschaftsleben und war ein passionierter Schachspieler und
Problemkomponist. Sein gleichnamiger Sohn, dessen Tod jetzt 100 Jahre
zurückliegt, wurde nur 23 Jahre alt (18.8.1898-19.11.1921), seine
Schachleidenschaft galt insbesondere den Studien. Berühmt wurde er für
zwei Beiträge zur Endspieltheorie, darunter ein Endspiel K+T+B gegen
K+T, das drei Jahre nach seinem Tod publiziert wurde (wohl mit ein
Grund, weshalb es mehrfach dem damals noch lebenden Vater
zugeschrieben wurde). Sie ging als "Vančura-Stellung" in die
Endspieltheorie ein. Siegfried Hornecker ist in seiner Studienecke in
ChessBase ausführlich auf diese Studie eingegangen
(en.chessbase.com/post/study-of-the-month-2020-07), auch auf ihre
seltsame Quelle. Sie bezieht sich auf den 28. Oktober 1918, dem
Gründungstag der tschechoslowakischen Republik, und wurde als Name für
eine nationalistische Prager Tageszeitung mit einer von F. J. Prokop
geleiteten Schachecke hergenommen. Falls Weiß es mit 1.a7 versucht,
muss er nach 1.- Ta6 2.Kb5 Ta1 3.Kb6 Tb1+ 4.Kc7 Tc1+ 5.Kd7 Ta1
erkennen, dass er nicht weiterkommt. Daher versucht er 1.Kb5 Tf5+
(Schwarz darf es dem weißen König nicht erlauben, seinen Bauern zu decken und
den weißen Turm von seinen Deckungsarbeiten zu befreien.) 2.Kc6 Tf6+
3.Kd5 Tf5+ 4.Ke6 Tf6+ 5.Ke5 (Jetzt sind dem Schwarzen zwar die
Schachgebote ausgegangen, aber nach 5.- Tb6 6.Kd5 Tf6 7.Ta7+ Kg6 kommt
er nicht weiter - also remis.
Vor 125 Jahren verstarb Andreas Alexandrowitsch Ascharin
(24.7.1843-24.12.1896), dem in Heft 292 zum 175. Geburtstag schon
eine Kalenderblatt-Notiz gewidmet war. Simon Semjenowitsch
Lewman (9.11.1896-31.3.1942) wäre jetzt 125 Jahre alt geworden. Im
April 2017 wurde schon an den 75. Todestag dieses russischen
Komponisten erinnert, dessen Name eng mit einer weißen
Linienkombination im Zweizüger verbunden ist.
Joseph E. Peckover
Problem 1959
1. Preis im Inf.-T. 1958/59
Remis (3+3)
In England geboren, gelangte Joseph Edmund Peckover
(15.11.1896-16.4.1982) über Frankreich, die Schweiz und Kanada in den
1920er Jahren nach New York, wo er sesshaft wurde. Er war Porträtmaler,
fand aber Zeit für seine vielseitigen weiteren Interessen. So gehörte
er zu den führenden Cricket-Autoritäten in den Vereinigten Staaten und
war auch Schachkomponist. Seine erste Studie entstand 1916 in einem
britischen Lazarett in Kairo. Ab 1921 redigierte er die Schachspalten
zweier Zeitungen. Er gilt als der erste Studienspezialist Amerikas und
leistete viel für die Entwicklung der Schachstudie in den USA. Wie
hart es war, hier Anerkennung zu finden, geht aus einer Anmerkung von
Walter Korn hervor, der in seinem 1975 erschienenen American
Chess Art - 250 Portraits of Endgame Study zu der hier
wiedergegebenen Studie aus dem Jahr 1958/59 bemerkt: "wieder musste
ein amerikanischer 1. Preis im Ausland gegen starke Konkurrenz
gewonnen werden - und kaum einer nimmt es zu Hause wahr." Lösung:
1.Kd8! Td6+ (Es droht ständig c8D). 2.Ke7 Tc6 3.Kd7 Th6! (Nun wird
4.c8D durch Le6+ nebst L:c8 und T:h4 widerlegt.) 4.Lf6! Lb1! (Nach
4.- T:f6 kommt der Turm in den Wirkungsbereich des weißen Königs
5.c8D Le6+ 6.Ke7 L:c8 7.K:f6 remis.) 5.Ke6\ (5.c8D? verliert
wegen 5.- Lf5+ 6.Kd8 L:c8 7.K:c8 T:f6 6.Lg5! Th8!) 5.- Th5! 6.Lg5 T:g5
scheitert an 7.c8D Lf5+ 8.Kf6 L:c8 9.K:g5 7.Ld8 Th5 8.Lg5! und Remis
durch Zugwiederholung.
Ivan O. Kos
Schachmatni westnik 1886
s#8 (6+2)
Die zwischen 1858 und 1869 monatlich erschienene Zeitschrift Slovenski glasnik war
das erste slowenische Magazin mit einer
Schachspalte, die von Josip Ogrinec (1844-1879) und dem vor 175
Jahren geborenen Ivan O. Kos (1.12.1846-26.11.1907)
betreut wurde. Kos komponierte überwiegend Direktmatts und
Selbstmatts. Er war der erste, dem eine Darstellung des später populär
gewordenen Kampfs Läufer gegen Läufer auf der langen Diagonale gelang:
1.Tb1? Ld5? 2.Le4 Lc6 3.Ld5 Lb7 4.Lc6 L:c6#, aber nach 1.- Le4!
hat Weiß keinen Tempozug. Daher 1.Th4! 1.- Ld5/Lc6 2.Th7! Le4 3.Tc7
Ld5 4.Le4 Lc6 5.Ld5 Lb7 6.Tc1! Lc6 7.Tb1! Lb7 8.Lc6 L:c6#. Durch
das weiträumige Turmmanöver verliert Weiß ein Tempo.<
Im April 2016, Heft 278, wurde des 100. Geburtstags des spanischen
Schach-Enthusiasten Jose Tolosa y Carreras
(20.11.1846-28.4.1916) gedacht. Er konnte es sich leisten, seinen
Beruf als Mediziner zugunsten seiner schachlichen Aktivitäten zu
vernachlässigen. 1892 veröffentlichte er in Paris sein Buch Traité
analytique du problème d'échecs. Jetzt ist an
seinen 175. Geburtstag zu erinnern.
(GüBü)