Kalenderblatt
Vor 25 Jahren verstarb der Mehrzüger-Spezialist Karl-Heinz
Ahlheim (13.6.1933-15.10.1996), dem schon in Heft 231 (Juni 2008)
eine Kalenderblatt-Notiz gewidmet war.
Auch Imants Draiska (9.9.1926-1.10.1996), der
gelegentlich unter dem Pseudonym V. Legers publizierte, verstarb vor
einem Vierteljahrhundert. Vermutlich publizierte er etwa 100 Probleme,
überwiegend Zwei- und Dreizüger. In der PDB finden sich 21 Einträge. Da
er in Harold van der Heijdens Studien-Datenbank nicht vertreten ist,
kann man ziemlich sicher sein, dass er kein Studienkomponist war. Die
in dem italienischen Dizionario Enciclopedico degli
Scacchi (1971) von Chicco und Porreca behaupteten 100 Studien
(darunter 8 erste Preise!?) erscheinen daher als ein Beispiel für die
diesem Werk nachgesagten fehlerhaften Angaben.
František Hladík
British Chess Mag. 1951
3. Preis
#3 (6+6)
Im tschechischen Pilsen geboren wurde František
Hladík (1.9.1901-18.9.1971), ein Komponist der böhmischen
Schule mit Tendenz zu strategischen Themen. Auf ihn gehen etwa 200
Probleme zurück, der Schwerpunkt seiner Kompositionstätigkeit lag auf
dem Dreizüger; seine 17 Punkte in den FIDE-Alben lagen ausnahmslos auf
diesem Gebiet. Hier ein Beispiel aus der Werkstatt des vor 50 Jahren
Verstorbenen: 1.Tf5! [2.Se7 nebst 3.Sg5#, 3.D:a2#]
1.- L:d5 2.Sc5+ S:c5 3.Tf6#, 2.- K:f5 3.Dh5#,
1.- S:e5 2.Tf6+ K:d5 3.Td6#,
1.- K:d5 2.D:d3+ Kc6 3.Dd6#,
1.- K:f5 2.Sg3+ Kg6,g5 3.Dh5#, 2.- Ke6 3.Sc7#.
Dieter Müller
Boletim da UBP 1986
1.-2. Preis (1986/87)
s#3 (10+14)
Statt ihm zum 75. Geburtstag in der Jubilar-Rubrik zu gratulieren,
müssen wir Dieter Müller (14.10.1946-18.3.2019), der
schon vor zweieinhalb Jahren verstorbenen ist, hier einen kleinen
Gedenkstein setzen. Dieter war problemschachlich vielseitig aktiv; in
erster Linie als hochproduktiver
und erfolgreicher Komponist (sucht man seinen Namen in der PDB, dann
werden fast 3000 Treffer angezeigt),
als Organisator gab er eine eigene kleine Zeitschrift (Problem-Echo) heraus, in der
er Kompositionsturniere organisierte,
bei denen die teilnehmenden Autoren auch die Rolle der Preisrichter
einnehmen mussten; auch gehörte er jahrzehntelang zu den Organisatoren
der Sachsentreffen. Torsten Linß schrieb in seinem Nachruf in
harmonie-aktiv, dass Dieter für viele (damals) junge
Problemisten, die Anfang der 80er Jahre in der DDR mit dem Komponieren
anfingen, neben Manfred Zucker und Günter Schiller Mentor, Motivator
und Inspirator war. Hier ein Beispiel aus Dieters Werkstatt: 1.Sg2!
[2.Sc1+ Kc3 3.D:e5+ T:e5#] 1.- Le6 2.Sf4+ e:f4 3.De4+ f:e4#, 1.-
Lf6 2.De4+ f:e4 3.Sf4+ e:f4#, 1.- e4 2.D:e4+ T:e4 3.L:c4+ T:c4#.
Umkehr weißer Züge zum erzwungenen Abfeuern der schwarzen
Halbbatterie.
Das 1966 erschienene Buch Schach und Zahl nimmt eine
Sonderstellung in der Schachliteratur ein, denn wie kein anderes
bewegt sich dieses Werk im Grenzbereich zwischen Schach und Mathematik
(als vergleichbar fällt mir nur das deutlich später erschienene
Schach + Mathematik von Jewgeni Gik ein, das 1983 auf
russisch, in deutscher Übersetzung 1986 erschien). Man mag dies für
ein recht exotisches Feld ansehen, aber die Tatsache, dass das Buch
drei Auflagen erlebte, belegt, dass Interesse am Thema besteht.
Autoren des Werks sind der vor 100 Jahren geborene Eero
Valdemar Bonsdorff (18.10.1921-3.9.2004), Karl Fabel und Olavi
Riihima, zu dessen 100. Geburtstag erst kürzlich eine
Kalenderblatt-Notiz erschien (Heft 306, Dezember 2020). Eine einfache
Kostprobe: Eero Bonsdorff, Helsingin Sanomat, 6.3.1960; Wie
groß ist die Anzahl der kürzesten Zugfolgen, durch die ein Tripelbauer
entsteht? Das Ziel ist frühestens im dritten schwarzen Zug zu
erreichen, z. B. durch 1.e4 d5 2.Lc4 d:e4 3.Le6 f:e6. Schwarz hat
die Alternative 1.- f5 und Weiß 2.Dg4, so dass 1.e4 vier Zugfolgen
liefert. Die drei weiteren Zugfolgen nach 1.d4 und 1.c4 finden unsere
Leser selbst.
Luigi Bühler
Schweizerische
Schachzeitung 1980
Lob
#4 (7+7)
Der Schweizer Luigi Bühler (3.9.1921-20.9.2004)
komponierte vorwiegend Mehrzüger mit neudeutschem Gedankengut. In
seinem hier wiedergegebenen Vierzüger geht es um Flächenfreihaltung:
1.Lg8! Zugzwang
1.- b5 2.Da1 [3.Th1 nebst 4.Dg1#] 2.- c4 3.Da7+ c5 4.Dg7#,
1.- c4 2.D:b6+ c5 3.D:d6+ Sd5 4.De5#,
1.- d5 2.Th1 [3.Da1 nebst 4.Dg1#] 2.- c4 3.D:b6+ c5 4.Df6#.
Kürzere Züge des La2 scheitern: 1.Lf7? b5! und der Lf7 verhindert
4.Dg7#; 1.Le6? d5! und der Le6 verhindert 4.Df6#;
1.Lb3? c4! und der Lb3 verhindert 2.D:b6+.
Rudolf Jambrešić
Problem 1971
2. Preis
#7 (8+8)
Rudolf Jambrešić (21.9.1921-2.8.1977) aus Zagreb
war langjähriger Mitarbeiter der von Nenad Petrović herausgegebenen
legendären Zeitschrift Problem. Sein Siebenzüger hat den
Satz 1.- Kd5 2.S:e3+ Ke5 3.Sg4+ Kd5 4.e4#. Weiß gelingt es, den
schwarzen König zu einem Dreiecksmanöver zu zwingen und so mit einem
Springerrundlauf ein Tempo zu gewinnen: 1.Se1 Kd5 2.Sd3 Ke4 3.Sdf4+ Ke5
4.Sg2. Jetzt haben wir die Anfangsstellung mit Schwarz am Zug; es
folgt das Satzmatt.
Tivadar Kardos
Die Schwalbe 1951
2. Halbj.
Preis ex ae.
s#2 (12+10)
Tivadar Kardos (26.9.1921-15.5.1998) war seit 1942 ein
sehr aktiver Problemist - allein die PDB enthält 1480 Probleme von
ihm. Neben der Komposition pflegte er auch einige Problemsammlungen,
die er dazu nutzte, viele Artikel zu erarbeiten, in denen bestimmte
Themenkreise systematisch behandelt wurden. Er war Leiter des
Problemteils der Zeitschrift Budapesti Sakkhiradó und
redigierte von 1969 bis 1975 die Zeitschrift Feladvány-kedvelök lapja (es
war schon in den Erscheinungsjahren
dieser Zeitschrift eine Herausforderung, deren Namen auszusprechen,
ohne abzusetzen).
Aus Kardos' vielseitigem Schaffen hier ein Task, der vor 70 Jahren in
der Schwalbe erschien:
Das Satzspiel 1.- D:b5 2.T:b5 Lg2# muss Weiß aufgeben, aber auf
1.Da4! gibt es ein eindrucksvolles Abfangmanöver zu sehen: auf allen
17 der schwarzen Dame zugänglichen Feldern wird sie geschlagen.
Gia Nadareischwili
Schachmati Moskau 1969
Spezialpreis
Gewinn (8+5)
Der georgische Studienkomponist Gia Nadareischwili
(22.9.1921-3.10.1991) gehörte zu den Großen dieser Gattung. Harold
van der Heijdens Studien-Datenbank enthält mehr als 300 seiner
Studien. Nadareischwili schrieb auch mehr als 10 Studien-Bücher, die
zwischen 1965 und 1990 erschienen. Sein Einfluss auf die jüngere
Generation sowjetischer Studienkomponisten wie Josif Kricheli
(1931-1988), David Gurgenidze, Velimir Kalandadze oder Washa Neidze
war beträchtlich, daneben war er auch gut vernetzt in der Welt des
Partieschachs und kannte viele große Spieler wie M. Euwe, M.\
Botwinnik, D. Bronstein, M. Tal, A. Karpow, G. Kasparow oder J.\
Awerbach. Für seine berufliche Tätigkeit - er leitete in Tiflis die
neurologische Abteilung des Zentralkrankenhauses - wurde ihm die
Ehrendoktor-Würde verliehen. Mehrere Jahre gehörte er der PCCC als
sowjetischer Delegierter an; praktisch sah das so aus, dass mit ihm
und David Gurgenidse zwei Georgier am Tisch saßen, von denen erst der
eine die Sowjetunion und dann, nach dem Ende der Sowjetunion, der
andere Georgien vertrat. Die ausgewählte Studie zeigt eine
ungewöhnliche Materialverteilung mit starken schwarzen Drohungen auf
der langen Diagonale und auf c1. Der erste Zug 1.e8D+ ist
quasi erzwungen. Auf 1.- Kf2 oder Kf1 gewinnt Weiß schnell (1.- Kf2
2.Sh3+ Kf1 3.Le2+, 1.- Kf1 2.Le2+ Kf2 3.Sh3+ nebst g8D+). Daher
1.- Kd2! 2.Dd8+! Und nicht etwa 2.Dd7+? Kc1 3.Se2+ D:e2
4.L:e2 Ld4+ 5.D:d4 patt (bzw. 3.Sd3+ D:d3 4.D:d3 Ld4+ 5.D:d4 patt.
2.- Kc1 3.Se2+! Aber nicht 3.Sd3+? D:d3 4.Dg5+ Le3!
3.- D:e2 4.Dg5+! Auf 4.L:e2? hätte Schwarz wieder die
Patt-Ausrede Ld4+! 4.- Le3! 5.L:e2. Nicht 5.g8D? De1!
6.D:e3+ D:e3 7.Dg7 Dc3/d4+! D:D patt. 5.- L:g5 Droht
Lf6#, daher ist die S-Umwandlung erzwungen: 6.g8S Ld2
7.c8T! Die letzte Pattgefahr ist gebannt.
Nikolai Reswow
Odessa Turnier 1986
2. Preis
Gewinn (6+5)
Mit dem Ukrainer Nikolai Reswow (28.9.1921-14.1.2013)
wurde vor einem Jahrhundert noch ein bekannter Studienkomponist
geboren, von dem hier ein Stück "für die Galerie" geboten wird:
1.Tg8! D:g8 2.Tg7! De8. Nach 2.- D:g7+ gewinnt Weiß mit
3.e7+ Kc7 4.e8S+!. 3.Td7! d2 (3.- Dg8 4.e7) 4.e7 d1D (4.-
D:d7+ 5.Kb6!) 5.Tb7+! Nicht 5.T:d1+? Kc7.
5.- Ddd7 6.T:d7 D:d7+ 7.Kb6! D:h3 8.e8D#
Der vor 125 Jahren in Berlin geborene und am Ende des 2. Weltkriegs
mit schweren, eine regelmäßige Berufsausübung unmöglich machenden
gesundheitlichen Problemen in Göttingen gestrandete Kurt
Timpe (9.10.1896-23.2.1963) fand dort Zugang zum Problemschach. Dies
gab ihm Halt und Erfüllung in seinem weiteren Leben. Zunächst widmete
er sich der Vorprüfung der für die Schwalbe eingereichten
Drei- und Mehrzüger. Seit der Neuorientierung der Schwalbe 1959
(nachdem ein Jahr lang kein Heft erschienen war) übernahm Timpe
umfangreiche Aufgaben. Zusätzlich kümmerte er sich nun auch um die
Lösungen und pflegte einen umfangreichen Briefkontakt zu Lösern und
Komponisten. Zu seinen vielfältigen Tätigkeiten gehörten das Führen
der Mitgliederliste und der Versand der Zeitschrift sowie die
Erarbeitung der Inhaltsverzeichnisse für die nach dem Krieg
erschienenen Jahrgänge. Mit eigenen Werken trat Timpe kaum hervor; von
ihm sind lediglich zwei Probleme bekannt.
Eine bemerkenswerte Parallelität verbindet die vor 150 Jahren
geborenen Anatol Tschepurnoff (19.10.1871-29.4.1942) und
Archibald Johnston Neilson (31.10.1871-17.4.1942). Der
finnisch-russische Mitgründer der FIDE war 12 Tage alt, als der
Redakteur der berühmten Schachecke im Falkirk Herald
geboren wurde, und er lebte nach dessen Tod noch 12 Tage. Beiden wurde
schon in Heft 284 (April 2017) eine Kalenderblatt-Notiz
gewidmet.
(GüBü)