Kalenderblatt
Mario Camorani (15.9.1912-8.7.1996) war ein vielseitiger
italienischer Problemist, der sich als Komponist auf einem weiten Feld
vom Zweizüger bis zur Studie und dem Hilfsmatt bewegte.
Seit Ende der 1940er Jahre war er auch publizistisch aktiv und führte
u. a. die Studienabteilung der Zeitschrift La Scacchiera,
später leitete er die Problemspalte in Scacco!.
Er verstarb vor einem Vierteljahrhundert.
Der polnische Komponist Wlodzimierz Suchodolski
(18.11.1908-5.8.1996) hat in seiner 70 Jahre umfassenden
Kompositionstätigkeit mehr als 300 Probleme geschaffen, überwiegend
orthodoxe Direktmatts und speziell Dreizüger. Hier ein Beispiel: Auf
Schachgebote des schwarzen Turms steht ein Satzmatt parat (1.-
Td4+/Te3+ 2.K:T b6 3.f4#), das Weiß aufgeben muss, um eine Drohung
aufzustellen: 1.Lh3 [2.Lb6+ Kb8 3.Da7#]. Verteidigt sich Schwarz
dagegen mit den Turmschachs, dann schlägt ihn der weiße Läufer 1.-
Td4+/Te3 2.L:d4/L:e3+ Kb8 3.Le5/Lf4#, und nach 1.- Td7 2.L:d7 b6 3.Lc6#
kommt der andere weiße Läufer doch noch zu seinem Matt auf der großen
Diagonale.
Der estnische Journalist Jüri Randviir
(28.5.1927-8.8.1996) war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einer
der stärksten Schachspieler Estlands und vierfacher Landesmeister.
Beruflich arbeitete er für verschiedene Zeitungen seines Landes und
produzierte daneben eine Reihe von Schachbüchern und schachbezogene
Radio- und Fernsehsendungen. Auch als Problemkomponist war er sehr
aktiv, etwa 1000 Kompositionen stammen von ihm. Uns ist er
insbesondere als Studienkomponist in Erinnerung, denn in seinen
letzten Lebensjahren schickte er seine Aufgaben auch regelmäßig an die
Schwalbe.
Etwa 350 Probleme, von denen viele in Turnieren ausgezeichnet wurden,
komponierte der ukrainische Komponist Alexandr
Motschalkin (29.1.1951-11.8.1996). Seine Spezialität waren Zweizüger
mit Funktionswechselthematik, und er war einer der ersten, der der
zweifachen Widerlegung von Verführungen Beachtung schenkte;
hier arbeitet er mit Doppeldrohungen
1.h8D? [2.Se6,S:f5#] 1.- T:d5/S:d5 2.S:e2/S:b5#, aber
1.- Sf6!; 1.Db3! [2.S:e2,S:b5#] 1.- T:d5/S:d5 2.Se6/S:f5#.
Frank Visbeen (2.3.1937-12.8.1996) war durch und durch
Kulturmensch. Seine berufliche Karriere begann er 1959 als Journalist
bei der Zeitung Haagsche Courant, danach arbeitete er von
1964 bis 1969 für das Rotterdams Nieuwsblad, für das er
über Kunst und Kultur schrieb. Seit 1968 engagierte er sich in der
Rotterdamer Filmliga, bald danach arbeitete er für die Rotterdamer
Kunststiftung und befasste sich auch dort mit der Filmkunst. Während
dieser Phase entstand die Idee eines Filmfestivals, an dessen Konzept
und Realisierung er und A. van der Staay maßgeblich beteiligt waren.
So entstand das Internationale Filmfestival Rotterdam, das in diesem
Jahr sein 50jähriges Jubiläum feiern kann und sich zum größten
niederländischen Filmfestival entwickelt hat. Daneben war Visbeen ein
engagierter Problemist. Sich selbst bezeichnete er als einen
"anständigen" Löser, der gelegentlich auch mal ein Problem komponiert.
Wie bescheiden seine Charakterisierung war, zeigen seine Ergebnisse:
Bei sechs Teilnahmen an der Löse-Weltmeisterschaft erreichte er 1982
einen 3. und 1991 einen 5. Platz. Von 1978 bis 1988 war er ein
Jahrzehnt lang Schriftleiter des Probleemblad. Bald danach
verließ er die Niederlande und zog nach Portugal, wo er die letzten
Lebensjahre vor seinem viel zu frühen Tod verbrachte. Dort verfasste
er noch ein Manuskript mit dem Titel Afscheid - Vijftig
schaakcomposities en hun avonturen, das zunächst unveröffentlicht
blieb. Nach seinem Tod kümmerte sich unsere niederländische
Schwesterorganisation um dieses Manuskript und fertigte eine
sorgfältige, den Stil des Autors treffende englische Übersetzung an,
die 2008 unter dem Titel Moving on - Fifty chess
compositions and their adventures erschien.
Frank Visbeen
Hans Peter Rehm
Die Schwalbe 1994
1. ehrende Erwähnung
-1s, dann Ser-h#10
b) sKc1 → f8(6+1)
Am Ende des Buchs ist ein
Schema für eine Komposition angegeben (Gitterschach, sKa4, sBb5h6;
Schwarz nimmt einen Zug zurück, dann Serienzug-h#10; b) sK auf dem
Mattfeld von a)). Kern der Idee, an der der Autor schon seit 1987
erfolglos gearbeitet hatte, war, den König in a) auf dem Feld
mattsetzen zu lassen, von dem er in b) startet, und umgekehrt. Als
dann das Hans-Peter-Rehm-50-JT ausgeschrieben wurde, in dem
Gemeinschaftsaufgaben mit dem Jubilar verlangt wurden, konnte Visbeen
HPR überzeugen, sich in dieser Sache zu engagieren, und heraus kam
die hier gezeigte Coproduktion: a) Zurück Kb1:Lc1 und dann vorwärts
1.Kc2 2.Kc3 3.K:d2 4.Ke2 5.Kf3 6.Kg4 7.Kf5 8.Kg6 9.Kg7 10.Kf8 Lh6#,
und b) Zurück Kg7:Tf8 nebst vorwärts 1.K:f7 2.Ke6 3.Kd7 4.Kc6 5.Kb5
6.Kb4 7.Kc3 8.Kc2 9.Kb1 10.Kc1 Tf1#.
Rud Prytz
Skakbladet 1927
1. Preis
#3 (11+9)
Vor einem halben Jahrhundert verstarb der dänische Komponist
Rudolf (Rud) Prytz (7.12.1899-23.8.1971), der
etwa 400 Probleme komponierte, darunter viele Selbstmatts. 1936
veröffentlichte er im Jahrbuch der dänischen Problemvereinigung einen
Artikel unter dem Titel "Kunstlovene" (Kunstgesetze), den Walter
Jorgensen 1976 in seinem Sammelband Danske skakopgaver og
artikler erneut publizierte. Meine Dänisch-Kenntnisse reichen nicht
aus, den Artikel im Detail zu verstehen, aber selbstverständlich
werden die Bergerschen Kunstgesetze verworfen und der freie,
verantwortliche Umgang mit einigen wesentlichen Erfordernissen
propagiert. Beruhigend ist schon das vorangestellte Motto: Alles ist
erlaubt, nur das Langweilige nicht. Das trifft auch zu auf seinen
Preisträger aus 1927: 1.Ta6 [2.L:g8+] 1.- Lf7 2.Sb7 [3.Td6#] (2.-
Sf7??), 1.- Le6 2.Sb3 [3.Tc5#] (2.- Se6??), 1.- Sf7 2.Se6
[3.Sc7#] (2.- Se6??) und 1.- Se6 2.Td4+ K:d4 (ohne Schachgebot)
3.Td6# (3.- Ld5??).
Zum 125. Geburtstag von Franz Ferdinand Ludwig Palatz
(18.7.1896-1945) erschien in Heft 301 eine Kalenderblatt-Notiz. Jetzt
ist an den nicht näher bekannten 75. Todestag dieses bedeutenden
Problemtheoretikers, der Ende des 2. Weltkriegs als in Ostpreußen
verschollen galt, zu erinnern.
Wouter Mees
Tijdschrift 1942
ehrende Erwähnung im TT
Gewinn (4+4)
Vor 100 Jahren wurde Wouter J. G. Mees
(6.8.1921-25.1.2018) in Arnhem geboren. Er studierte chemische
Verfahrenstechnik in Delft und arbeitete dann bis 1983 in der
Forschungsabteilung und in der Qualitätskontrolle bei Hoogovens, dem
niederländischen Stahlkonzern, der seit 1938 als Sponsor hochkarätiger
Schachturniere bekannt ist. Dies wird aber wohl kaum Einfluss auf
Mees' schachliche Entwicklung gehabt haben, denn seine ersten Studien
publizierte er schon im Alter von 18 Jahren. Neben Jan Marwitz und
Harold van der Heijden muss man ihn zu den erfolgreichsten und
produktivsten niederländischen Studienkomponisten rechnen. Die
nachfolgende Studie erhielt im Turnier nur eine ehrende Erwähnung -
angeblich, weil es Unstimmigkeiten über das Thema gab.
1.Se5 Sb4 1.- Sc1 2.Sf3 K:f3 3.a8D+ und jetzt
A) 3.- Kf2 4.Da7+ Kf3 (4.- Kf1 5.Df7+ Kg1 6.D:g7+) 5.Da5
Kf2 6.Dd2, oder B) 3.- Ke3 4.Da5 B1) 4.- Kf2
5.Df5+ Ke1 (5.- Kg2 6.Dg5+) 6.Kc3 bzw. B2) 4.- Sd3
5.Dg5+ Sf4 (5.- Kf3/Ke4 6.Dg3+/Dg6+) 6.Dg3+. 2.Sf3 Sd5
3.Se1 Sc7 4.Kc5 Sa8 5.Kc6 Ke5 6.Sc2 6.Sg2? g5! 6.- g6
7.h3 Ke6 7.- Ke4 8.Kb7 8.Sd4+ und gewinnt. Diese Studie
existiert in zwei Fassungen: Ursprünglich stand noch ein weißer Bauer
auf b4, da der Autor annahm, dass Schwarz nach 1.- Sc1 das Remis
sichern könnte; nur für sie gilt die hier kursiv gesetzte Variante.
Erst später fand er den Gewinnweg mit Da5 und
favorisierte dann die achtsteinige Fassung (EBUR, März
1995).
Joseph C. J. Wainwright
The Wanderer 1886
1. Preis
#2 (8+8)
William John Wainwright (1855-1931) aus Birmingham war ein bekannter
englischer Maler, der der Royal Birmingham Society of Artists
angehörte und 1928 in deren Räumen als erster Künstler eine
Einzelausstellung seiner Werke bekam. Hier geht es aber um seinen in
die USA ausgewanderten Bruder Joseph C. J. Wainwright
(10.12.1851-12.7.1921), dessen künstlerische Ausdrucksmittel die
Schachfiguren wurden. Seit den frühen 1880er Jahren komponierte er
originelle und elegante Zwei- und Dreizüger (erstes Diagr., 1.Lb4
[2.e3#] 1.- T:h2/T:f3 2.Da3/e:f3#; 1.- e:f3/e3 2.e4/Da8#; 1.-
d3/c3 2.e:d3/Df7#).
Joseph C. J. Wainwright
Les Tours de Force
sur l'Echiquier 1906
#2 (8+9)
Um 1903 - in einer anderen Weltecke wurde gerade
die neudeutsche Schule gegründet - setzte auch Wainwright eine
bedeutende Entwicklung in Gang, als er sich bei seinen Untersuchungen
von Zweizügertasks mit den möglichen 12 Matts der weißen Dame
beschäftigte, deren Ergebnisse 1906 in einem 40seitigen Artikel in
A. C. Whites Task-Buch Les Tours de Force sur
l'Echiquier veröffentlicht
wurden (daraus das andere Diagramm mit dem guten Schlüssel 1.Tg3!).
Dies verschaffte dem damals nicht besonders hoch geschätzten Zweizüger
einen bedeutenden Anstoß, der allmählich dazu führte, dass sich die
Komponisten mit komplexeren Kombinationen beschäftigten, eine
Entwicklung, die ein Jahrzehnt später im Good Companions Club einen
ersten Höhepunkt fand.
Max Friedrich Wilhelm Bezzel (4.2.1824-30.7.1871) war
Sohn eines fränkischen Pfarrers und wäre gern Mathematiker geworden,
doch ihm wurde dringend abgeraten, weil es dafür in Bayern keine
berufliche Perspektive gab. So studierte er Jura und befasste sich als
Autodidakt mit dem Schachspiel. Abgesehen von einem Besuch in Wien, wo
er spektakuläre Erfolge feiern konnte, hatte er kaum Spielpraxis und
beschäftigte sich mit Problemschach. 1848 veröffentlichte er in der
Berliner Schachzeitung das berühmte 8-Damen-Problem. Diese
sollten so auf dem Schachbrett positioniert werden, dass keine von
einer anderen angegriffen ist. Gefragt wurde auch nach der Anzahl der
Lösungen (92), später auch nach Verallgemeinerungen auf dem n x n-Brett - ein Problem,
das viele Mathematiker, einschließlich
C. F. Gauß, beschäftig(t)en.
Carel Mann
Tijdschrift 1913
Gewinn (3+3)
Carel Christiaan Wilhelm Mann (23.7.1871-30.11.1928) war
der erste niederländische Studienkomponist von internationaler
Bedeutung. Mit 16 Jahren brach er seine Schulbildung ab und begann
eine Ausbildung bei einem Blumenhändler. Als ihm dort statt der
erhofften züchterischen Experimente schwere körperliche Arbeit
abverlangt wurde, beendete er diesen Weg und wurde Gehilfe in der
Metzgerei seines Bruders. Als er 1892 Mitglied des Amsterdamer
Schachclubs wurde, war er schon als Problemkomponist bekannt, aber
erst 1911 publizierte er seine erste Studie, der in seiner produktiven
Phase bis Mitte der 1920er Jahre viele weitere folgten. Danach machte
sich immer stärker bemerkbar, dass er an paranoider Schizophrenie
litt, und sein Leben endete in psychiatrischen Anstalten. Jan van Reek
und Henk van Donk haben ihm mit ihrem 1991 erschienenen Buch Carel Mann ein Denkmal
errichtet. Daraus ein Damenendspiel, das durch
die große Anzahl stiller Züge in einer offenen Stellung beeindruckt.
1.g8D c1D 2.Le5+ Kh1 3.Da2 Dh6. Der beste Zug gegen die
Mattdrohung auf h2. Nach 3.- Kg1 4.Dh2+ geht die schwarze Dame
verloren, ebenso nach 3.- Dg1 4.Dd5+ 5.Dd1+ 6.Df3+ 7.Dh5+ Kg1 8.Ld4+.
4.Df2! Droht Matt auf f1 und verhindert 4.- Db6+.
4.- Dh3 5.De2! Hierdurch gewinnt Weiß ein Tempo. Schwarz
ist verloren, wenn er zu einem nicht schachbietenden Zug gezwungen
werden kann, z. B. A) 5.- Kg1 6.Ld4+ Kh1 7.De1+ Kg2
8.Df2+ Kh1 9.Dg1# oder B) 5.- Dg2 6.Dd1+ Dg1 7.Df3+ Dg2
8.Dh5+ Kg1 9.Ld4+ nebst Matt oder Damengewinn. Spielt Schwarz 5.- e6,
dann ist nach 6.Kc8 die Tempogewinnstellung erreicht, denn Schwarz
steht jetzt kein Schachgebot mehr zur Verfügung, wonach er nach einer
der Spielweisen A) oder B) verliert. Also bleibt ihm nur 5.- Db3+ 6.Kc7 Dh3.
Oder 6.- Kg1 7.Ld4+ Kh1 8.Df1+ Kh2 9.Le5+ mit
Damenverlust. 7.Kd8 e6 8.Kc8. Das Tempo ist gewonnen,
jetzt muss eine der Varianten A oder B folgen.
Auf Domenico Lorenzo Ponzianis (9.11.1719-15.7.1796)
300. Geburtstag wurde im Heft 300 (Dezember 2019) hingewiesen, jetzt
jährt sich zum 225. Mal der Todestag dieses Mitbegründers der
Modenaer Schule.
(GüBü)