Heft 295, Februar 2019

Kalenderblatt

Einen Nachruf auf Friedrich Burchard (23.9.1914-23.2.1994), den Löse-Giganten vergangener Tage, hat es nach seinem Tod weder in der Schwalbe noch in anderen Schachzeitschriften gegeben, da Burchard allmählich verstummte und unbemerkt aus der Problem-Szene verschwand. Erst zu seinem 100. Geburtstag vor 5 Jahren konnten wir sein Sterbedatum, das jetzt 25 Jahre zurückliegt, ermitteln (siehe die Kalenderblatt-Notiz in Heft 269, Oktober 2014). Vor 25 Jahren verstarben auch der griechische Komponist Demetrius N. Kapralos (5.3.1927-6.2.1994), der Lübecker Gerd Meyer (24.12.1929-10.2.1994), dessen Büchersammlung den wesentlichen Teil der Schachbuchsammlung in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek ausmacht, und der ungarische Komponist Ferenc Fleck (17.2.1908-25.2.1994), der Namensgeber des Fleck-Themas.

Walter Henneberger

Basler Zeitung 1905

wKh8, wLf5g5, wSb4h6, wBc3f2g2h2, sKe5, sBd6f4g4

#3 (9+4)

Walter Henneberger (19.5.1883-15.1.1969) war der 5 Jahre jüngere Bruder von Moriz Henneberger, dem Autor des Bands Alpine Chess aus der Christmas-Serie. Während der ältere Bruder sich anfangs vorwiegend aufs Partieschach konzentrierte und sich erst später intensiv mit der Schachkomposition beschäftigte, verhielt es sich beim jüngeren genau umgekehrt, denn den Großteil seiner Probleme komponierte er in seinen 20er Jahren; später wurde er mehrfach Schweizer Landesmeister im Partieschach und führte auch noch im hohen Alter eine scharfe Klinge. Er verstarb vor 50 Jahren. Das Diagramm zeigt eine frühe Darstellung eines vom Autor bevorzugten Themas.
1.h4 droht 2.L:f4+ K:f4/Kf6 3.Sd3/Sd5#, 1.- g:h3 e. p. 2.g4 [3.Sf7#] f:g3 e. p. 3.f4#.

Kristian Nielsen

Skakbladet 1926

wKa6, wDb6, wLb8, wSd6h5, wBc4, sKe5, sTb3, sLe4, sBa4b4c6e6

#4 (6+7)

Kristian Nielsen (7.12.1888-28.2.1969) war ein recht erfolgreicher norwegischer Komponist, der sich auch mit neudeutschem Ideengut befasste. Seine Erstdarstellung der diagonal fliegenden Schwalbe ist eine sehr ökonomische Realisierung des Themas, die nicht nur den Weg ins FIDE-Album fand, sondern auch im Flug der Schwalbe einen Nistplatz erhalten hat: 1.Df2? Tf3! (1.- Lf3 2.Dh4 L:h5 3.Sc8+); 1.Da7? Tg3!; 1.Dg1 [2.Dg7#] 1.- Lg2 (1.- Tg3 2.Se8+ Kf5 3.S:g3 (4.Shg7, Seg7, Sd6#) 2.Da7 [3.Dg7#] 2.- Tg3 3.Df2 [4.Df6, Df4#] 3.- Lf3/Tf3 4.Db2/Dc5#.

Vor 75 Jahren verstarb der ungarische Problemist Sándor Boros (31.8.1907-1944). Er komponierte etwa 600 Probleme, hauptsächlich Zweizüger. 1937 gab er das Buch 100 válogatott feladványa heraus, dem 1939, zusammen mit László Lindner, eine ungarische Problemanthologie mit dem Titel Magyar sakkfeladvány antológia folgte.

Vor knapp einem Jahr (Heft 290, April 2018) wurde an den 175. Geburtstag von Mrs. Frideswide F. Rowland (18.4.1843-25.2.1919), die zusammen mit ihrem Mann das irische Schachleben in Schwung brachte, erinnert. Jetzt jährt sich ihr Todestag zum hundertsten Mal.

Die ersten acht Hefte der Schwalbe erschienen vom August 1924 bis zum Mai 1925, danach herrschte erst einmal Funkstille. Ungefähr gleichzeitig wurde in Hamburg die Nordische Rundfunk-AG (Norag, ein Vorläufer des heutigen Norddeutschen Rundfunks) gegründet, die am 2.5.1924 erstmals mit vier Stunden Programm auf Sendung ging. Schon sehr früh wurden von der Hörerschaft gut aufgenommene Schachsendungen ins Programm genommen, für die Willibald Roese verantwortlich war. Um den Inhalt dieser Sendungen zu erhalten und ein Mittel an die Hand zu bekommen, Arbeiten von bleibendem Wert der Vergänglichkeit zu entziehen, gründete die Norag die neue Zeitschrift Funkschach, deren erste Nummer im Juni 1925 unter Roeses Leitung er"-\mbox{schien}. Im dritten Heft, das im August 1925 herauskam, wurde die Zeitschrift im Titel erstmals als "Organ der Schwalbe" bezeichnet. Roese, der die gemeinsame Schriftleitung übernahm, schrieb dazu, dass Funkschach im Bestreben, die bisherige Arbeit zu erweitern und zu verbessern, an die Schwalbe herangetreten sei und diese um die Mitarbeit ihrer Mitglieder gebeten habe. Zwei Hefte später, im Oktober 1925, wurde dann auch noch die Vereinigung mit dem Deutschen Wochenschach bekanntgegeben und damit eine Konstellation erreicht, in der diese drei Organe bis 1927 weiter existieren konnten, bevor die Schwalbe dann ab 1928 wieder eigenständig wurde, die beiden anderen Partner aber untergingen. Roese wurde vor 125 Jahren am 10.\ Januar 1894 geboren, sein Sterbedatum ist uns nicht bekannt.

Joao Baptista Santiago (22.1.1894-21.8.1963) war ein recht produktiver brasilianischer Komponist, auf den etwa 1000 Probleme zurückgehen, überwiegend Hilfsmatts und Zweizüger. 1956 ernannte ihn die PCCC zum Internationalen Preisrichter.

Jacob Schumer (1869-12.12.1932) war Österreicher von Geburt, lebte aber schon seit jungen Jahren in London, wo er den größten Teil seines Lebens verbrachte. Anfangs war er Partieschach-Spieler, nahm als Mitglied der englischen Mannschaft am Hamilton-Russell-Cup teil, bis er aus gesundheitlichen Gründen kein Wettkampfschach mehr spielen konnte. Er engagierte sich als Schachjournalist, leitete eine Schachspalte in der Westminster Gazette, später in den Daily News und deren Nachfolger News Chronicle. Mit den Chesslets gab er 1928 ein zwischen Schach und Poesie angesiedeltes Buch heraus, in dem Partien und Literatur-Zitate gegenübergestellt wurden. Er war, zumindest zeitweise, auch Mitarbeiter von A. C. White bei dessen Christmasserie, denn im Band Alpine Chess ist er als Übersetzer ins Englische genannt.

G. E. Barbier
F. Saavedra

Glasgow Weekly Citizen
1895

wKb6, wBc6, sKa1, sTd5

Gewinn (2+2)

In Frankreich geboren, ging auch Georges Emile Barbier (24.2.1844-17.12.1895) schon früh mit seinen Eltern nach England; später lebte er in Schottland, wo er als Französisch-Lehrer tätig war. Er kam früh mit Schach in Berührung und lernte in Simpson's Divan in London die berühmtesten Spieler seiner Zeit kennen. In Schottland war er sowohl als Spieler als auch als Problemkomponist bekannt. Anhaltende Berühmtheit verdankt er seiner Rolle beim Entstehen der Saavedra-Studie. Diese Geschichte ist detailliert in Harrie Grondijs' Buch No rook unturned dargelegt. Sie begann mit einem 1875 in London gespielten Match (Potter gegen Fenton), das an sich unbedeutend war. In der 4. Partie kam es zu einem Endspiel, das remis gegeben wurde in der Stellung wKc6, wBb7 - sKh3, sTa5 mit Schwarz am Zug. Später fand man heraus, dass die Stellung für Weiß gewonnen war. 20 Jahre später veröffentlichte Barbier, der damals in Glasgow die Schachspalte des Weekly Citizen leitete, eine leicht veränderte Stellung (wKb6, wBc7 - sKh6, sTd5) als Gewinnstudie, doch dann fand er selbst eine Verbesserung, wenn er den schwarzen König nach a1 stellt und fordert, dass Schwarz Remis halten soll: 1.- Td6+ 2.Kb5 Td5+ 3.Kb4 Td4+ 4.Kb3 (oder 4.Kc3 Td1 5.Kc2) 4.- Td3+ 5.Kc2! Td4! 6.c8=D Tc4+ 7.D:c4=. Diese Lösung, deren Clou natürlich in der unerwarteten Pattstellung lag, wurde am 11. Mai 1895 veröffentlicht. Erst danach kam Saavedra ins Spiel, der als Löser zunächst die von Barbier beabsichtigte Lösung fand, einige Tage später aber noch einen Gewinnweg für Weiß entdeckte (6.c8T!! Ta4 7.Kb3!! nebst Matt oder Turm-Gewinn). Nachdem Saavedra diese Lösung Barbier und einigen anderen Mitgliedern des Glasgow Chess Club zeigte (darunter auch A. J. Neilson, den Schach-Redakteur des Falkirk Herald), brachte Barbier die Studie sofort (am 18.5.1895) noch einmal mit der korrigierten Forderung und unter Nennung von Saavedras Namen. Als Neilson 1902 die Studie Emanuel Lasker zeigte, war der so beeindruckt, dass er sie sofort in einen Vortrag einbaute, den er am 3.10.1902 hielt. Als eine Woche später ein Bericht über Laskers Vortrag im Glasgow Weekly Herald erschien, wurde die Studie erstmals in der heute üblichen Fassung gedruckt (mit dem Bauern auf c6 und weißem Anzug). So ist sie auch hier wiedergegeben - mit Barbiers Namen als Ko-Autor, denn die Stellung und die Verführung mit der Damen-Umwandlung stammen unzweifelhaft von ihm.

Francesco Discart (1819-27.8.1893) erblickte vor 200 Jahren das Licht der Welt. Er wurde Sekretär des Herzogs von Modena und entwickelte sich zu einem starken Schachspieler, der noch der Schule von Modena zuzurechnen ist. Discart, der auch als Italiens Anderssen bezeichnet wurde, erhielt 1862 eine Einladung zum großen Schachkongress nach London, doch er verzichtete auf eine Teilnahme - vermutlich, weil er nicht so sehr mit den Regeln vertraut war, nach denen in England gespielt wurde. Von seinen Partien und Kompositionen wurden eine Reihe in La Rivista degli Scacchi veröffentlicht, der ersten italienischen Schachzeitschrift, die von Serafino Dubois und Augusto Ferrante herausgegeben wurde und nur 1859 in 24 Heften erschien. Später leitete Discart noch einige italienische Schachspalten.

Pedro Damiano

Questo libro ... 1512

wKg2, wDd1, wTf1h1, wBe2g6, sKg8, sDe8, sTd8f8, sBd5f6g7

#5 (6+7)

Jetzt gehen wir noch einmal viel weiter zurück in die Schachgeschichte: Über das Leben des 1544, also vor 475 Jahren, verstorbenen Pedro Damiano, der im Süden Portugals geboren wurde, ist wenig bekannt. Er ging, vermutlich 1497 im Zuge der Vertreibung der Juden aus Portugal, nach Rom und übte dort seinen Beruf eines Apothekers weiter aus. Sein 1512 in Rom erschienenes Buch Qvesto libro e da imparare giocare a scachi et de le partite war nach dem Werk des Lucena (1497) (das aber nur wenig Verbreitung gefunden hatte) die zweite Publikation, durch die die Ende des 15.\ Jahrhunderts entstandenen neuen Schachregeln (Einführung von Dame und Läufer) bekannt wurden. Damianos Werk war in Italien sehr erfolgreich und erlebte im 16. Jahrhundert 8 Auflagen. Anders als später bei Ruy Lopez enthielt es auch eine Reihe von Problemen bzw. Endspielen. Diese sind als Holzschnitte in Diagrammform dargestellt, ein besonderer Luxus, wenn man bedenkt, dass bis Anfang des 19. Jahr"-hunderts überwiegend die unübersichtliche Darstellung in Textform praktiziert wurde. Unter den Diagrammen findet sich auch das berühmte Matt des Damiano mit doppeltem Turmopfer: 1.Th8+ K:h8 2.Th1+ Kg8 3.Th8+ K:h8 4.Dh1+ Kg8 5.Dh7#.

(GüBü)


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