Heft 281, Oktober 2016

Todesfall

Mit großem Bedauern haben wir vom Tod unsers Ehrenmitglieds Irma Speckmann (7.1.1921-5.9.2016) erfahren. Bei einem letzten Telefonkontakt vor einigen Monaten war sie noch wohlauf, bedauerte aber eine gewisse Vereinsamung, weil sie mittlerweile ihre meisten Bekannten in der Altersresidenz in Bad Zwischenahn überlebt hatte. Unser Mitgefühl gilt ihrem Sohn Lothar und der Tochter Susanne nebst Familie.

Kalenderblatt

Mit Shlomo Seider und Norman Macleod haben uns vor einem Vierteljahrhundert zwei hervorragende Schachkünstler verlassen.

Shlomo Seider

British Chess Mag. 1976

2. Preis

wKh8, wLc1, wBa7e5h4, sKh6, sTa1e3, sLc4h2, sSc3g4, sBc7d7f6h5

r#2 (5+11)

Shlomo Seider (15.12.1933-12.9.1991) wurde in Rumänien geboren. Im Alter von 20 Jahren emigrierte seine Familie nach Israel, wo er sein weiteres Leben verbrachte. Die Problemkomposition sah er als künstlerische Tätigkeit, und darauf deutet auch der Buchtitel der von Theodor Tauber nach seinem Tod herausgegebenen Sammlung seiner Probleme hin (As in all Arts, Editions feenschach-phenix Band 6). Daraus ein Beispiel: In der Diagrammstellung kann W nicht gleich auf a8 umwandeln, weil nach 1.- T:a8 die zurückversetzte wUW-Figur eine der auf g4/h2/c4/c3 stehenden sFiguren schlagen muss und dadurch das wMatt verhindert. Nach 1.e:f6 (sBf7) droht W mit 2.Lb2 den sTe3 zu entfesseln, wonach das Reflexmatt auf e8 folgt. Die schwarzen Verteidigungen bestehen darin, die e-Linie zu verstellen, wonach die differenzierte wAUW auf a8 möglich ist. 1.- Se5 2.a8D T:a8 (Dd1)# (3.D:g4 (Sg8) geht nicht mehr), 1.- Le5 2.a8T T:a8 (Th1)# (3.T:h2 (Lf8)??), 1.- Le6 2.a8L T:a8 (Lf1)# (3.L:c4 (Lc8)??) und 1.- Se4 2.a8S T:a8 (Sc1)# (3.S:c3 (Sb8)??).

Norman Macleod

Mat 1983

1. Preis

wKe4, wLb6h1, wSd8e2, wBa7b2d4e3e5f4, sKa8, sDa3, sTa2h5, sLe1, sSf8, sBa4b3c2c4d3h2h7

#8 (11+13)

Norman Alasdair Macleod (6.12.1927-2.10.1991) war in den 1980er Jahren einer der vielseitigsten und renommiertesten Problemkomponisten weltweit. Neben seinen Schachproblemen war Norman auch als liebenswürdige Person weit bekannt, besuchte er doch regelmäßig internationale Treffen wie die des PCCC und Andernach. Seinem Schaffen ist der Band 7 der Editions feenschach-phenix gewidmet. Der Kampf auf der langen Diagonalen in seinem Achtzüger, der es in die sehr kleine Gruppe der Album-Kompositionen mit 12 Punkten schaffte, bleibt unvergesslich: 1.Kd5? mit der Absicht 2.K:c4# scheitert an 1.- c1D! 2.S:c1 D:b2!, daher 1.Kf3! [2.Kg4#] Th4 2.Kg2 [3.Kf1#] d:e2 3.Kf3 [4.K:e2#] c1S 4.Ke4 [5.Kf5#] Th5 5.Kd5 [6.K:c4#] Db4 6.Kc6! [7.Kc7#] De7 7.Kb5+ Db7 8.L:b7#.

Bror Larsson

Magyar Sakkvilág 1949

1. Preis Kovacs-MT

wKh6, wTh4, wBb3c5d4, sKb4, sTh3, sBc6d5e6

h#4 b) sBd5 nach e2(5+5)

Der Hotel-Portier Bror Larsson (1.10.1907-31.10.1966) begann im Alter von 20 Jahren, Schachprobleme zu komponieren und konzentrierte sich dabei schon bald aufs Märchenschach, insbesondere auf das Hilfsmatt. Ab 1947 leitete er den Problemteil der schwedischen Tidskrift för Schack, im folgenden Jahr wurde er Vorsitzender der Svenska Problemschachklubben. Beide Posten behielt er bis zu seinem Tod vor 50 Jahren, als er einer Herzattacke erlag. Posthum erschien 1967 bei Walter Jörgensen sein Buch Swing med Caissa mit einer Auswahl seiner Probleme. Daraus stammt auch das hier gezeigte Hilfsmatt, das in der PDB (P0506768) mit vertauschten Zwillingen gezeigt ist: a) 1.Th1 Th2 2.Ta1 Ta2 3.Kb5 Ta6 4.Ta5 Tb6# und b) 1.Ka5 Th5 2.Th4 d5 3.Tb4 Th4 4.Tb5 Ta4#.

Zum vor 75 Jahren verstorbenen Ferdinand Möller (1.1.1853-24.9.1941) erschien im Heft Heft 199, Febr. 2003, bereits eine Kalenderblatt-Notiz zu seinem 150. Geburtstag. Auch über den dänischen Feinmechaniker Walther Jörgensen (3.10.1916-16.10.1989) erschien vor zwei Jahren eine Kalenderblattnotiz zum 25. Todestag. Jetzt ist an den 100. Geburtstag dieses Komponisten und Publizisten zu erinnern.

Zum 50. Todestag von Cyril Henry Stanley Kipping (10.10.1891-17.2.1964) erschien bereits eine Kalenderblatt-Notiz in Heft 265. Zu seinem 125. Geburtstag sei zusätzlich Kippings Einsatz für die Bildung einer internationalen Organisation der Schachproblemisten hervorgehoben. (Dazu stütze ich mich nachfolgend auf meinen Artikel "Vom Komponistenstüberl zur Weltgemeinschaft" aus KARL - Das kulturelle Schachmagazin 1/2014, S. 26-30.)

Als 1925 erkennbar wurde, dass A. C. White seine riesige Problemsammlung, die er zum Nutzen der weltweiten Problemgemeinde aufgebaut hatte, nicht mehr allein bearbeiten konnte und nach internationaler Hilfe suchte, bezeichnete Kipping im von ihm redigierten Chess Amateur Erhalt und Fortführung der Sammlung als eine "vital question" für die Problemistengemeinschaft, und Anfang 1926 erschien in Abstimmung mit Kipping ein von Eduard Birgfeld zunächst im Chemnitzer Tageblatt publizierter Aufruf zur Gründung einer Gesellschaft zur Rettung der Sammlung. Nachdem White sein ganzes Material nach England geschickt und den Wunsch geäußert hatte, seine Sammlung einem internationalen Problembund zu übertragen, wurde der "International Problem Board" (IPB) gegründet, dessen Präsident auf Kippings Vorschlag Eduard Birgfeld wurde. Da zwischenzeitlich die White-Sammlung bei George Hume in guten Händen war, widmete sich der IPB zunächst einmal dem Aufbau und der Pflege internationaler Kontakte. Sachlich wurden verschiedene kompositionstechnische Normen diskutiert. Dies erfolgte schriftlich, es gab während der gesamten Existenz des IPB nur ein Treffen, bei dem Delegierte persönlich zusammenkamen - Kipping, der England wohl niemals verlassen hat, war nicht dabei. Das Treffen fand am 28. August 1936 am Rande der Schacholympiade im Münchner Ausstellungs-Café statt. Über das Ergebnis der Beratungen wurde in der Schwalbe (Oktober 1936, Seiten 598-604) ausführlich berichtet. Neben mehreren kompositionstechnischen Fragen wurde nach Humes Tod insbesondere über die Zukunft der White-Sammlung diskutiert. Man stand buchstäblich vor einem Berg von Problemen (Kipping berichtete, dass 40000 Aufgaben noch in die Sammlung eingearbeitet werden mussten) und er wusste nicht, wie man der ständig wachsenden Menge Herr werden könne. Den von Hume geleisteten Arbeitsaufwand bezifferte Kipping auf täglich sieben bis acht Stunden über einen Zeitraum von fast zehn Jahren (DSZ Juli 1936, S. 194-195), und er fragt im Märzheft 1936 des Problemist ratlos: "Now what is the future of the Collection? I state my opinion quite emphatically, that there is no one man in the world who can fill Mr. Hume's place." Kippings Kontakt mit White brachte keine Lösung, im Mai 1936 (Seite 28) teilt er mit, dass White ihm die Verantwortung für die Sammlung übertragen habe, und dass er nur die Möglichkeit sehe, sie aufzuteilen. Im Problemist gibt Kipping später (1938, Seite 113) an, dass die Unterteilung letztendlich bei den Zweizügern in 14 und bei den Dreizügern in 5 Sektionen erfolgte. Kipping bat händeringend um Hilfe und schrieb: If you were in the possession of some two hundred thousand problems you would want to get rid of some of them! ... At times I have felt like giving up chess problems altogether and packing the whole collection away somewhere (The Problemist 1938, Seite 113). Ein Jahr später, im Januar 1939, entspannt sich die Lage, Kipping schreibt: I have now 3 sections of the 2-movers and some 30,000 strategic 3-movers. ... The Collection which has been a tremendous strain during the past few years is now getting down to more manageable proportions (The Problemist, Jan. 1939, Seite 177). Letztendlich war allerdings die Aufteilung der Sammlung und ihre Dezentralisierung der Anfang ihres Endes.

Der IPB hat vor Ausbruch des 2. Weltkriegs keine weiteren bemerkenswerten Aktivitäten entwickelt, und nach Birgfelds Tod kamen sie, soweit erkennbar, restlos zum Erliegen. Doch schon 1946 meldete sich Kipping zurück und rekonstituierte den IPB, der fortan faktisch von ihm geleitet wurde. Die Arbeit wurde im Rahmen früherer Tätigkeiten fortgesetzt, etwas Schwung brachte die Nominierung eines neuen Secretary (E. Feigin aus Tel Aviv), der zwischen 1947 und 1953 insgesamt neun Ausgaben eines IPB-Bulletins herausgab, in dem u. a. diskutiert wurde, ob eine Liste qualifizierter Preisrichter aufgestellt werden sollte "to do away with amateur judging in international tourneys" oder die Frage, ob auf Basis von Turniererfolgstabellen der Titel eines Kompositions-Weltmeisters eingeführt werden sollte; entsprechende Tabellen wurden seit 1949 von Julius Buchwald erstellt. Kipping und damit der IPB lehnte die WM-Titel ab (wie er auch stets andere Titel für Komponisten ablehnte, ebenso wie den Kontakt zur FIDE). Eric Hassberg und Julius Buchwald legten einen Statutenentwurf vor, der positiv aufgenommen wurde und zu dem Kipping anmerkte: "I somewhat naturally should like to rank as first President of the reconstituted Board since the original idea was my own." Über den Entwurf wurde, ebenso wie über den Vorkriegsentwurf von Massmann, niemals abgestimmt - der IPB blieb also statutenlos; ein Zustand, der gelegentlich kritisiert wurde (The Problemist, Nov. 1950, S. 437). Als sich Anfang der 1950er Jahre die Bildung der PCCC innerhalb der FIDE abzeichnete und Kipping als einer der ersten Vizepräsidenten vorgesehen war, lehnte er jede Teilnahme an einem solchen rebellischen Vorhaben ab. Er beharrte auf der Unabhängigkeit und Zuständigkeit des IPB für problemschachliche Belange, ohne jedoch die Entwicklung aufhalten zu können.

Der Zeitstrahl reicht diesesmal 350 Jahre weit zurück bis zum Todestag von August dem Jüngeren, Herzog von Braunschweig und Lüneburg (10.4.1579-17.9.1666), dem Verfasser des ersten deutschen Schach-Lehrbuchs, das er 1616 unter dem Pseudonym Gustavus Selenus (Gustavus als Anagram von Augustus) herausgab.

(GüBü)


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