Heft 247, Februar 2011

Kalenderblatt

Bei meinen ersten Schwalbe-Treffen in den späten 70er Jahren lernte ich Hans Hilmar Staudte (18.1.1911-21.1.1979) kennen - wobei das "kennenlernen" etwas einseitig war, denn außer einer kurzen Begrüßung kann ich mich an keinen direkten Kontakt erinnern. Es war eher so, dass Staudte mir als ein besonders lebhafter Teilnehmer auffiel, der durch seine intensive, eindringliche Art der Unterhaltung mit anderen Problemisten hervorstach. Aus meiner Vor-Problemistenzeit kannte ich sein kleines, 1961 erschienenes Büchlein Aus der Welt der Schachstudie, das ich seinerzeit mit großem Vergnügen studiert hatte, und so war sein Name einer der wenigen, die mir damals schon geläufig waren. Staudte, der vor nunmehr 100 Jahren geboren wurde und dessen Tod 1979 sehr überraschend kam, war schachlich äußerst vielseitig. In den Nachkriegsjahren war er als Partiespieler sehr erfolgreich, konnte 1950 bei der deutschen Meisterschaft gemeinsam mit Bogoljubow den 2. Platz (hinter Unzicker) belegen und wurde im gleichen Jahr mit der deutschen Mannschaft Dritter bei der Schacholympiade. Später gab er das Turnierschach aus beruflichen Gründen auf (er war Jurist im Bundesfinanzministerium) und widmete sich dann nur noch der Schachkomposition. Er komponierte Studien und publizierte noch zwei weitere Bücher (zusammen mit Kurt Richter bzw. mit Milu Milescu). Jahrzehntelang redigierte er die Studienecke im Schach-Echo, und einen international hervorragenden Ruf genoss seine Problemspalte in den Aachener Nachrichten, die er auch über sehr lange Zeit betreute (und die dann nach seinem Tod fürs Problemschach verloren ging).

Hans-Hilmar Staudte
Theodor Steudel

Aachener Nachrichten 1970

wKe1, wTa1, wBg2h3, sKf4, sDh6, sTa2f2, sLb4e4, sSc6h4, sBa3c3d3d4d6f5g3

h#4 (4+15)

Wie mir der kürzlich verstorbene Theodor Steudel vor Jahren erzählte, hatte Staudte übers Ministerium berufliche Kontakte zu Karl Fabel, der im Deutschen Patentamt tätig war und auch Steudel dorthin rekrutiert hatte. Fabel war eine schillernde Figur und sowohl im beruflichen als auch privaten Bereich schwierig im persönlichen Umgang, und er schien auch Staudte nicht besonders gemocht zu haben. Als dieser dienstlich in München erschien und Steudel ihn auch privat zu einem Schachabend traf, fand dies nachträglich Fabels ausdrückliche Missbilligung. Steudel, der nach eigener Aussage ein besonders "privilegiertes Verhältnis" zu Fabel hatte, konnte sich jedoch die Freiheit nehmen, auch weiter solche Kontakte zu pflegen, ohne sich mit Fabel zu überwerfen. So kam auch die hier gezeigte Gemeinschaftsaufgabe mit Staudte zustande, in der ein Platzwechsel von weißem König und weißem Turm mit Rochade gezeigt wird: 1.Ld5 0-0-0 2.Ke4+ Kb1 3.Ta1+ K:a1 4.Tf4 Te1#.

Der vor 100 Jahren geborene Alexander Goldstein (24.2.1911-28.9.1988) verließ sein Heimatland Polen gleich nach Kriegsausbruch im September 1939 und kehrte im Mai 1946 aus Rußland in ein in Trümmern liegendes Land zurück, als einziger überlebender polnischer Schachkomponist jüdischer Abstammung. Er war vor dem Krieg gut mit dem großen Dawid Przepi\'orka bekannt, dessen Stil auch seine etwa 250 Kompositionen, meist Zwei- und Dreizüger, geprägt hat. Ende der 1940er Jahre lebte Goldstein kurz in Frankreich und ging dann nach Australien. Ich erinnere mich, dass Norman McLeod in den 80er Jahren in Kontakt mit Goldstein stand und bei einem PCCC-Treffen von einer Zusammenarbeit mit ihm erzählte.

Der tschechische Komponist Ilja Mikan (12.1.1911-12.4.1979) publizierte ab Mitte der 1960er Jahre umfangreiche Zusammenstellungen von Aufgaben böhmischer Komponisten und 1973 auch eine 700 Kompositionen umfassende Zusammenstellung seines eigenen Schaffens.

Vor 150 Jahren wurde mit Benjamin Glover Laws (6.2.1861-21.9.1931) einer der bedeutendsten Problemisten Englands geboren. Mit 16 Jahren erlernte er das Schachspiel, kam Anfang 1878 mit ersten Problemen in Berührung und publizierte schon im gleichen Jahr seinen Erstling, dem dann in mehr als 50 Jahren noch über tausend weitere Kompositionen folgen sollten. 1979 wurde er in den Schachzirkel in "Gatti's Adelaide Gallery" eingeführt, wo er Charles Planck kennenlernte, der ihn bald von der herausragenden Bedeutung der böhmischen Problemschule überzeugte, der aber auch hervorhob, dass deren Prinzipien nicht als national reklamiert werden sollten, da es sich um die logische Anwendung fester Prinzipien handele, die als Resultat eines Evolutionsprozesses gesehen werden sollten, der in vergleichbarer Weise in allen Gebieten der Kunst oder Wissenschaft abläuft und nicht auf einer Entdeckung oder Erfindung beruht. Statt des nationalen Begriffs "böhmisch" zogen sie es vor, von der "modernen Schule" zu sprechen. Die umfangreiche Publikationstätigkeit von Laws begann 1880 mit der zeitweisen Übernahme einer Problemspalte vom erkrankten James Pierce. Zwei Jahre später wurde er als Nachfolger von Frank Healey Problemredakteur des renommierten Chess Players' Chronicle, 1888 übernahm er auch noch die Problemspalte von Chess Monthly und als nach deren Ende 1898 James Rayner, der Problemredakteur des British Chess Magazine, starb, wurde er dessen Nachfolger - eine Tätigkeit, die er bis zu seinem eigenen Tod 1931 fortführte, zeitweise unterstützt von G. W. Chandler, dem Secretary der damals noch jungen BCPS (den der Schreiber dieser Zeilen 1979 noch persönlich kennenlernen konnte). Zusammen mit Planck, E. N. Frankenstein (der die Idee hatte und das ganze Projekt auch finanzierte) und H. J. C. Andrews bereitete Laws das Buch The Chess Problem: Text Book with Illustrations vor, das 1887 erschien und als das erste Problembuch gelten darf, das nicht nur eine Aufgabensammlung bot, sondern darüber hinaus einen von Planck geschriebenen Aufsatz, in dem theoretische Ausführungen zur Problemkunst enthalten sind. Schon bald danach (1890) erschien sein Buch The Two-Move chess Problem, das einen außerordentlichen Erfolg hatte und über Jahrzehnte hinweg viele Auflagen erlebte. Daneben war Laws auch der erste, der eine Problemschach-Sendung im Radio hatte, damals ein aufstrebendes neues Medium. (Bald danach sollte in Deutschland die noch ganz junge Schwalbe für einige Jahre bei Funkschach unterschlüpfen.)

Bei den vielfältigen Aktivitäten nimmt es nicht wunder, dass Laws auch eine wichtige Rolle bei der Gründung der britischen Problemistenvereinigung BCPS spielte. Nachdem 1917 in Brighton eine regionale Vereinigung entstanden war, kam bald der Wunsch nach einer nationalen Organisation auf, und so wurde die BCPS im August 1918 gegründet und Laws zu deren Präsident gewählt; eine Position, die er zeitlebens beibehalten sollte. Nach seinem Tod erschien 1933 in der Christmas Series von A. C. White ein Laws gewidmeter Band von John Keeble mit dem Titel An English Bohemian.

Weiterführende Informationen zu Laws können Interessierte auf Brian Stephensons Website finden, die ein 1924 von Laws gehaltenes Referat mit einem Rückblick auf ein halbes Problemschach-Jahrhundert enthält, in denen auch Ausführungen zu seiner Erfindung des Reflexmatts, zum Begriff "Cook", zum Spiegelmatt und eine Problemauswahl enthalten sind (http://www.bstephen.me.uk/bcps/britprobs.html#(4)) [GüBü]


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