Heft 246, Dezember 2010

Kalenderblatt

Henry Wald Bettman

Babson-Task Turn. 1925/26

1. Preis

wKa5, wDh3, wTa6h2, wLg1, wSf1h8, wBa7b4c3c5e4f7h4h6,  sKc6, sTb6, sBb7c7f2

s#3 (15+5)

Als Wunderkinder der amerikanischen Problemszene der 1880er Jahre galten die nicht ganz korrekt als "Bettman brothers" bekannt gewordenen Brüder Edgar (1866-1945) und Henry Wald Bettman (14.1.1868-5.12.1935), die gemeinsam mit ihrem Cousin Jacob Bettman (22.1.1865-22.4.1935) seit 1881 als Löser und Komponisten auftraten. In späteren Jahren blieb nur Henry bei der Schachkomposition und spezialisierte sich auf die Darstellung verschiedenster Tasks. Herausragend war dabei sein 1. Preis im Babson Task Turnier 1925/26 (Diagr.; 1.a8L f:g1D/T/L/S 2.f8D/T/L/S usw). Es sollte noch fast 60 Jahre dauern, bis dieser Task auch im orthodoxen Direktmatt realisiert wurde. Vor nunmehr 75 Jahren verstarb Henry Bettmann, ebenso sein Cousin Jacob etwas früher im gleichen Jahr.

Am 4. November vor 100 Jahren wurde der französische Komponist Fernand Calvet geboren, dessen Name in den letzten Jahren als "Typ" bei Anticirce-Aufgaben bekannt geworden ist. Viel habe ich nicht über ihn herausgefunden, außer dass er viele Aufgaben komponiert hat, im wesentlichen auf dem Gebiet des Märchenschachs und häufig in Zusammenarbeit mit P. Monréal.

Auch der vielen noch in guter Erinnerung verbliebene Rudolf Queck hätte jetzt seinen 100. Geburtstag feiern können (18.11.1910-27.04.2003). Der Ziegelmeister aus Zwickau, der 1958 die DDR verließ, um sich nicht den Mund verbieten zu lassen, kam 20-jährig zum Problemschach, das ihn zeitlebens faszinierte. Aus seinen etwa 230 Kompositionen stellte er 1989 unter dem Titel 36 Gitterschachaufgaben eine kleine Publikation zusammen und stellte in seiner sympathisch-freimütigen Art im Vorwort klar, dass er sich freue, einmal ein selbst verfertigtes Druckwerk in Händen zu halten.

Vor 125 Jahren wurde in Plauen im sächsischen Vogtland Erich Brunner (11.12.1885-16.05.1938) geboren, dessen Großvater aus der Schweiz als Schauspieler ans Braunschweiger Hoftheater gekommen war und dessen Vater in Plauen eine Gardinenfabrik betrieb. Das Schweizer Bürgerrecht hatte die Familie beibehalten, und Erich Brunner lebte zeitweise im Tessin (1918-28) und danach für einige Monate in Zürich, bevor er wieder nach Deutschland ging und seinen Wohnsitz in München nahm. Mit 21 veröffentlichte Brunner 1906 sein erstes Schachproblem. Im folgenden Jahr siedelte er nach Leipzig über, wo er dann in der Folge Komponisten wie Kohtz und Holzhausen kennenlernte, die ihn nachhaltig beeinflussten. Er komponierte rund 600 Probleme, eine 300 Aufgaben umfassende Auswahl davon wurde 1958 von Hans Klüver nach Vorarbeiten von M. Henneberger im Gedenkbuch Erich Brunner - Ein Künstler und Deuter des Schachproblems publiziert. Intensiv hat er sich mit Turm-Manövern auseinandergesetzt. So hat er beispielsweise 1914 das Thema der Wechseltürme erstmals dargestellt.

Erich Brunner

Akademische Monatshefte
für Schach 1910

wKe5, wTc4g1, wLh3, wSa8, wBa4a6c3c5f6g5, sKc6, sBa5c7f7g6

#3 (11+5)

Genau ein Jahrhundert ist es her, dass er den später so genannten "Brunner-Turton" erstmals darstellte (Diagr.; 1.T(f)4? K:c5 2.T1g4 c6 3.Tc4# scheitert an 2.- Kc6, da d7 ungedeckt bleibt. Daher 1.Th4! K:c5 2.T1g4 und 3.Tc4#), der von Kohtz und Kockelkorn in ihrem Indischen Problem zwar als theoretische Möglichkeit erwähnt wird, für den sie jedoch kein Beispiel beibringen konnten und es dahingestellt sein ließen, ob eine kritisch eingeleitete Verdopplung gleichartiger Langschrittler überhaupt möglich sei.

Ebenfalls vor 125 Jahren wurde Emil Ramin (14.11.1885-23.02.1963) geboren. Er kam aus der Arbeiterschachbewegung, aus der er nach der Veröffentlichung eines Artikels in der kommunistischen (!) Schachzeitschrift Frei Schach! ausgeschlossen wurde. Er setzte sich unermüdlich für die Verbreitung des Problemschachs ein und verfasste dazu unterhaltsame Beiträge. Bekannt geblieben ist sein 1958 erschienenes Büchlein Im Wunderland des Schachproblems.

Walter I. Kennard

Checkmate 1904

wKh8, wDg7,  wTf6, wLc8f2, wSb6, wBd6f3,  sKe5, sDb8, sTa5, sSe1g8, sBa4b7f7h4h5h6

#2 (8+11)

Der vor 150 Jahren geborene amerikanische Komponist Walter Irving Kennard (3.12.1860-31.5.1936) publizierte ab 1889 bis zu seinem Tod etwa 300 Probleme. Fürs Komponieren müsse man entspannt sein, brauche eine kämpferische Einstellung und dazu noch etwas von einer Idee, befand er einmal. Sowohl A. C. White als auch Kenneth Howard berichten, dass Kennard weitgehend ohne Brett und Figuren komponierte, da das Aufstellen einer Position auf dem Brett nur seine Ideen "einfrören". Das hier wiedergegebene Stück ist typisch für Kennards 2#-Stil: mehrere Modellmatts sind gekoppelt mit einem strategisch beeindruckenden Schlüssel (s. Diagr.: 1.Dg1! [2.Ld4] 1.- K:f6/S:f6/D:d6/Td5/Se3 (S:f2) 2.Dg7/Dh2(MM)/Tf5/Sd7/Da1(MM)#).

Eine Woche älter als Kennard war der in Barcelona geborene und schachlich äußerst vielseitige Spanier Jose Paluzie y Lucena (26.11.1860-22.1.1938). Neben aktiver Spieltätigkeit war er Autor des Manual de ajedrez, das für mehrere Spieler-Generationen als spanisches Standard-Lehrbuch galt. Zusätzlich befasste er sich auch mit Schachgeschichte und war dazu einer der bekanntesten spanischen Problemkomponisten seiner Zeit. Daneben trug er noch eine beachtliche Schachbibliothek zusammen, die nach seinem Tod in die Bibliotheca Central von Barcelona überging und 1943 katalogisiert wurde.

Vor 200 Jahren wurde Alfred de Musset geboren (11.12.1810-2.5.1857), der als bedeutender Romantiker in die französische Literaturgeschichte einging. Er gehörte zu den regelmäßigen Besuchern des berühmten Schachzirkels im Café de la Régence; möglicherweise ist er eher zufällig dort gelandet, denn das ihm beruflich näher stehende Théâtre Français lag gleich nebenan. Welche Faszination Schach auf ihn ausübte, demonstriert die Anekdote über eine Partie vom 24.2.1848, die von Gewehrschüssen auf der Straße unterbrochen wurde: gerade war der französische König in der sog. Februar-Revolution gestürzt worden. Nur unwillig fügte sich de Musset in den dadurch erzwungenen Abbruch der für ihn gut stehenden Partie gegen den Elefantenjäger Adulphe Delegorge.

Alfred de Musset

Journal des Echecs 1849

wKg8, wTh7, wSe5g4, sKe8, sSb8

#3 (4+2)

Von seinen schachlichen Taten ist nur wenig erhalten, einige Berühmtheit hat aber sein wohl einziges Problem erlangt, mit dem er angeblich demonstrieren wollte, dass man doch ein Matt durch zwei Springer erzwingen kann (Diagr.; 1.Td7! [2.Sf6] S:d7 2.Sc6 nebst 3.Sf6#). Anzumerken ist, dass die Stellung ursprünglich noch zwei unnütze Bauernpaare enthielt (wBBa5c5, sBBa6c6) und dass das Motiv schon aus alten arabischen Mansuben bekannt ist (von deren Existenz de Musset aber wohl kaum etwas gewusst haben wird). [GüBü]

 


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