Kalenderblatt
Erst vor zweieinhalb Jahren erschien hier (in Heft 246) eine
Notiz zu Erich Brunners 125. Geburtstag, jetzt
jährt sich der Todestag dieses herausragenden Komponisten
schon zum fünfundsiebzigsten Mal (11.12.1885-16.5.1938).
Brunners Leben und Werk ist in dem von Hans Klüver 1958
herausgegebenen Gedenkband Erich Brunner - Ein
Künstler und Deuter des Schachproblems umfassend
gewürdigt. In der biographischen Einleitung wird dort an
einer Stelle kurz darauf hingewiesen, dass Brunner während
seiner Leipziger Zeit Johannes Kohtz, der von Dresden
herüberkam, kennenlernte. Die Kontakte zwischen ihnen
scheinen recht intensiv gewesen zu sein, denn es existiert ein
(noch unveröffentlichtes?) ausführliches Manuskript, in
dem sich die beiden mit Rösselsprüngen befassen.
(Näheres darüber kann vielleicht zu einem späteren
Zeitpunkt berichtet werden.)
Awenir Papandopulo
JT 1965 der
DDR-Problemsektion
1. Preis
#6 (11+10)
Vor einem Vierteljahrhundert verstarb der russische Komponist Awenir
Popandopulo (1.5.1920-24.5.1988), der überwiegend
strategische Mehrzüger komponierte, von denen etwa 100 in
den 1985 von R. Kofman herausgegebenen Band Isbrannije
komposizi aufgenommen wurden. Popandopulos Name ist mit einer
Batterieform verbunden, in der eine Batterie zweimal mit
gleichartigen, aber verschiedenen Batterie-Vordersteinen feuert.
Eindrucksvolles Beispiel ist sein Preisträger aus dem JT
der DDR-Problemsektion, das diesen Mechanismus gleich viermal
zeigt: 1.Lb3 [droht 2.b:a6 nebst 3.Sb5#]. Auf 1.- Tf7
schießt die L/S-Batterie ein erstes Mal mit 2.Sb1+ Ke4
3.Sd2+ e:d2, und jetzt wird nachgeladen mit 4.Sc3+ Kd4 5.Sb1+
Ke4 6.S:d2#. Das alles wiederholt sich in drei analogen
Varianten nach 1.- c5 2.Sd1+ Ke4 3.Sf2+ e:f2 4.Sc3+ Kd4 5.Sd1+
Ke4 6.S:f2#; 1.- Lc5 2.Sa4+ Ke4 3.S:c5+ S:c5 4.Sc3+ usw. und
schließlich 1.- T:h3 2.Sd5+ Ke4 3.Sf6+ g:f6 4.Sc3+ usw.
Mircea Manolescu
Revista de Šah 1956
1. Preis
#2 (7+5)
Der schon vor 10 Jahren verstorbene rumänische Problemist Mircea
Manolescu (9.6.1938-14.3.2003) wäre jetzt 75 Jahre alt
geworden. Er komponierte Probleme verschiedener Genres,
vorwiegend in 2 oder 3 Zügen. Bis zu seinem Tod war er
Redakteur von Buletin problemistic und organisierte viele
Problemaktivitäten in Rumänien. Während seiner
letzten Lebensjahre vertrat er zudem sein Land als Delegierter
bei der PCCC. In seinem hier wiedergegebenen Zweizüger, den
er als 18-jähriger publizierte, sehen wir einen perfekten
Zagoruiko in Meredithform: den Satzmatts 1.- Tc3/Lc3 2.Se5/Se3#
folgen in der Verführung 1.Sf2? [2.Db4] Tc3/Lc3 2.Df4/Dd3#
(aber 1.- Tb3!) und in der Lösung 1.Le3! [2.Tb4] Tc3/Lc3
2.Dd4/De2# Mattwechsel auf die gleichen schwarzen
Grimshaw-Verstellungen.
Vincenz Schiffer
Münchner Neueste
Nachrichten 1893
#3 (5+7)
Der Wiener Problemkomponist Vincenz Schiffer
(1855-17.6.1913) publizierte seine vorwiegend dem Mattbild
verpflichteten Kompositionen um 1900 herum hauptsächlich in
der Wiener Schachzeitung. Schiffer wurde aber auch von
Bayersdorfer geschätzt, der in seiner Spalte in den Münchner
Neuesten Nachrichten 13 seiner insgesamt gut hundert Probleme
abdruckte, darunter auch das hier wiedergegebene, das etwas aus
der für den Autor typischen Art herausfällt: 1.Dg1
[droht 2.D:b6+] Ke8 2.Da1 oder 1.- c5 2.Dh1, jeweils nebst Matt
auf a8 oder h8. Das Bewegungsbild der wD lässt uns trotz
der viel einfacheren Strategie an die 18 Jahre später
erschienene "Schwalbe" von Kohtz und Kockelkorn denken.
Vor 125 Jahren wurde Georg P. Dehler geboren
(8.5.1888-10.5.1915), ein Bruder von Otto Dehler. Beiden wurden
bereits in Heft 253, Feb. 2012 eine Notiz gewidmet. In der
Zwischenzeit stieß ich auf eine Meldung in der Schwalbe,
Heft 184/1943, die den Tod von Ernst Georg Dehler am 16.9.1943
meldete. Dieser war einige Zeit Kassenwart der Schwalbe und "als
Komponist bevorzugte er wie sein Vater Miniaturen". Die nach Heft
253 noch offene Zuordnung dürfte damit geklärt sein:
Ernst Georg Dehler war der Sohn von Otto und Neffe von Georg P.
Dehler.
Vor 125 Jahren verstarb Johannes Hermann
Zukertort (7.9.1842-20.6.1888), der insbesondere als starker
Turnierspieler in Erinnerung geblieben ist. Weniger bekannt ist,
dass er 1869 auch ein kleines Büchlein mit dem Titel Sammlung
der auserlesensten Schachaufgaben herausgegeben hat - heute eine
große Rarität für Schachbuchsammler.
Adolf Rothmaler
ERA-Turnier 1856
#4 (7+4)
Für Kautabak und Doppelkorn war Nordhausen seit dem 16.
Jahrhundert bekannt. Heutigen Problemisten fallen eher die Namen
Udo Degener und Torsten Linß ein, die beide der am
Südrand des Harzes gelegenen Stadt entstammen. Weniger
bekannt dürfte sein, dass dort schon vor 175 Jahren ein
späterer Problemkomponist geboren wurde, denn Adolf
Rothmaler (21.5.1838-29.3.1874) ist heute weitgehend vergessen.
Sein schmales Werk umfasst nur etwa 40 Probleme und steht an der
Schwelle der Entwicklung des Schachproblems zur
künstlerischen Eigenständigkeit, das losgelöst
vom Partieschach existiert. Erstmals in Erscheinung trat der
damals 16jährige Rothmaler durch eine Einsendung zum
ERA-Turnier 1856. Die damals verlangte Sendung von 6 Aufgaben
bestand bei Rothmaler aus einem repräsentativen
Überblick über den damaligen Stand der
Problemkomposition und umfasste zwei für damalige Zeiten
künstlerisch ausgezeichnet ausgearbeitete Probleme, daneben
zwei mansubenartige Stücke und zwei Aufgaben "mit
urwüchsigen Ideen in kräftiger Ausführung, die
künstlerische Gestaltung vermissen lässt"(so Paul Weyl
im Deutschen Wochenschach 1919). Ungeteiltes Lob fand die
hier wiedergegebene Aufgabe, die u. a. vom großen Konrad
Bayer in Wien zu wiederholten Malen für meisterhaft
erklärt wurde. Nach dem schachbietenden Schlüssel
1.Le6+ Kf6 folgt 2.Sc5 Ke5 3.Kb6!, woran sich eine Sternflucht
des sK mit anschließendem S-Matt anschließt.
Rothmaler beteiligte sich noch an weiteren Turnieren jener Zeit
(Bristol 1861, London 1862) und schickte danach von 1864 bis
1866 eine Reihe von Problemen an die Neue Berliner
Schachzeitung, danach verstummte er schachlich. Mit nur 35
Jahren erlag er, mittlerweile zum Direktor des Gymnasiums
Nordhausen avanciert, einem Lungenleiden.
Vor 250 Jahren wurde Johann Baptist Allgaier
(19.6.1763-3.1.1823) geboren, der zwar nicht zu den Problemisten
gezählt werden kann, aber für die Entwicklung des
Schachs im deutschsprachigen Raum eine wichtige Rolle spielte. Er
gilt als der erste bedeutende deutschsprachige Schachmeister,
insbesondere wegen seines Lehrbuchs Neue
theoretisch-praktische Anweisung zum Schachspiel, das erste
systematisch abgefasste, eigenständige deutsche
Schachlehrbuch. Es erschien zuerst 1795 und erfuhr zu Allgaiers
Lebzeiten noch drei von ihm selbst überarbeitete Auflagen
(1802, 1811 und 1819); erst mit dem fast ein halbes Jahrhundert
später erschienenen "Bilguer" begann eine neue Epoche der
Schachliteratur. Über Allgaiers Leben ist wenig bekannt; er
gab Schachunterricht am kaiserlichen Hof in Wien, vermutlich
bediente er zeitweise den Schachtürken, und nach seinem
frühzeitigen Ausscheiden aus dem Militär musste er
seine knapp bemessene Pension in Wiener Kaffeehäusern durch
Schachspielen aufbessern. [GüBü]