Heft 261, Juni 2013

Kalenderblatt

Erst vor zweieinhalb Jahren erschien hier (in Heft 246) eine Notiz zu Erich Brunners 125. Geburtstag, jetzt jährt sich der Todestag dieses herausragenden Komponisten schon zum fünfundsiebzigsten Mal (11.12.1885-16.5.1938). Brunners Leben und Werk ist in dem von Hans Klüver 1958 herausgegebenen Gedenkband Erich Brunner - Ein Künstler und Deuter des Schachproblems umfassend gewürdigt. In der biographischen Einleitung wird dort an einer Stelle kurz darauf hingewiesen, dass Brunner während seiner Leipziger Zeit Johannes Kohtz, der von Dresden herüberkam, kennenlernte. Die Kontakte zwischen ihnen scheinen recht intensiv gewesen zu sein, denn es existiert ein (noch unveröffentlichtes?) ausführliches Manuskript, in dem sich die beiden mit Rösselsprüngen befassen. (Näheres darüber kann vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt berichtet werden.)

Awenir Papandopulo

JT 1965 der
DDR-Problemsektion

1. Preis

wKe2, wLa1g8, wSa2c3, wBa5b4b5g3g4h3, sKd4, sDb7, sTd7h6, sLb6, sSa6, sBc6e3e5g7

#6 (11+10)

Vor einem Vierteljahrhundert verstarb der russische Komponist Awenir Popandopulo (1.5.1920-24.5.1988), der überwiegend strategische Mehrzüger komponierte, von denen etwa 100 in den 1985 von R. Kofman herausgegebenen Band Isbrannije komposizi aufgenommen wurden. Popandopulos Name ist mit einer Batterieform verbunden, in der eine Batterie zweimal mit gleichartigen, aber verschiedenen Batterie-Vordersteinen feuert. Eindrucksvolles Beispiel ist sein Preisträger aus dem JT der DDR-Problemsektion, das diesen Mechanismus gleich viermal zeigt: 1.Lb3 [droht 2.b:a6 nebst 3.Sb5#]. Auf 1.- Tf7 schießt die L/S-Batterie ein erstes Mal mit 2.Sb1+ Ke4 3.Sd2+ e:d2, und jetzt wird nachgeladen mit 4.Sc3+ Kd4 5.Sb1+ Ke4 6.S:d2#. Das alles wiederholt sich in drei analogen Varianten nach 1.- c5 2.Sd1+ Ke4 3.Sf2+ e:f2 4.Sc3+ Kd4 5.Sd1+ Ke4 6.S:f2#; 1.- Lc5 2.Sa4+ Ke4 3.S:c5+ S:c5 4.Sc3+ usw. und schließlich 1.- T:h3 2.Sd5+ Ke4 3.Sf6+ g:f6 4.Sc3+ usw.

Mircea Manolescu

Revista de Šah 1956

1. Preis

wKa6, wDd2, wTb5, wLg5, wSg4, wBd5f6, sKc4, sTa3h5, sLa1, sBa4

#2 (7+5)

Der schon vor 10 Jahren verstorbene rumänische Problemist Mircea Manolescu (9.6.1938-14.3.2003) wäre jetzt 75 Jahre alt geworden. Er komponierte Probleme verschiedener Genres, vorwiegend in 2 oder 3 Zügen. Bis zu seinem Tod war er Redakteur von Buletin problemistic und organisierte viele Problemaktivitäten in Rumänien. Während seiner letzten Lebensjahre vertrat er zudem sein Land als Delegierter bei der PCCC. In seinem hier wiedergegebenen Zweizüger, den er als 18-jähriger publizierte, sehen wir einen perfekten Zagoruiko in Meredithform: den Satzmatts 1.- Tc3/Lc3 2.Se5/Se3# folgen in der Verführung 1.Sf2? [2.Db4] Tc3/Lc3 2.Df4/Dd3# (aber 1.- Tb3!) und in der Lösung 1.Le3! [2.Tb4] Tc3/Lc3 2.Dd4/De2# Mattwechsel auf die gleichen schwarzen Grimshaw-Verstellungen.

Vincenz Schiffer

Münchner Neueste
Nachrichten 1893

wKc2, wDe1, wBb4d6g6, sKd8, sLa3h3, sBb6c6d7f5

#3 (5+7)

Der Wiener Problemkomponist Vincenz Schiffer (1855-17.6.1913) publizierte seine vorwiegend dem Mattbild verpflichteten Kompositionen um 1900 herum hauptsächlich in der Wiener Schachzeitung. Schiffer wurde aber auch von Bayersdorfer geschätzt, der in seiner Spalte in den Münchner Neuesten Nachrichten 13 seiner insgesamt gut hundert Probleme abdruckte, darunter auch das hier wiedergegebene, das etwas aus der für den Autor typischen Art herausfällt: 1.Dg1 [droht 2.D:b6+] Ke8 2.Da1 oder 1.- c5 2.Dh1, jeweils nebst Matt auf a8 oder h8. Das Bewegungsbild der wD lässt uns trotz der viel einfacheren Strategie an die 18 Jahre später erschienene "Schwalbe" von Kohtz und Kockelkorn denken.

Vor 125 Jahren wurde Georg P. Dehler geboren (8.5.1888-10.5.1915), ein Bruder von Otto Dehler. Beiden wurden bereits in Heft 253, Feb. 2012 eine Notiz gewidmet. In der Zwischenzeit stieß ich auf eine Meldung in der Schwalbe, Heft 184/1943, die den Tod von Ernst Georg Dehler am 16.9.1943 meldete. Dieser war einige Zeit Kassenwart der Schwalbe und "als Komponist bevorzugte er wie sein Vater Miniaturen". Die nach Heft 253 noch offene Zuordnung dürfte damit geklärt sein: Ernst Georg Dehler war der Sohn von Otto und Neffe von Georg P. Dehler.

Vor 125 Jahren verstarb Johannes Hermann Zukertort (7.9.1842-20.6.1888), der insbesondere als starker Turnierspieler in Erinnerung geblieben ist. Weniger bekannt ist, dass er 1869 auch ein kleines Büchlein mit dem Titel Sammlung der auserlesensten Schachaufgaben herausgegeben hat - heute eine große Rarität für Schachbuchsammler.

Adolf Rothmaler

ERA-Turnier 1856

wKa7,  wLd5, wSd3g5, wBd2h2h4, sKf5, sBe7g6g7

#4 (7+4)

Für Kautabak und Doppelkorn war Nordhausen seit dem 16. Jahrhundert bekannt. Heutigen Problemisten fallen eher die Namen Udo Degener und Torsten Linß ein, die beide der am Südrand des Harzes gelegenen Stadt entstammen. Weniger bekannt dürfte sein, dass dort schon vor 175 Jahren ein späterer Problemkomponist geboren wurde, denn Adolf Rothmaler (21.5.1838-29.3.1874) ist heute weitgehend vergessen. Sein schmales Werk umfasst nur etwa 40 Probleme und steht an der Schwelle der Entwicklung des Schachproblems zur künstlerischen Eigenständigkeit, das losgelöst vom Partieschach existiert. Erstmals in Erscheinung trat der damals 16jährige Rothmaler durch eine Einsendung zum ERA-Turnier 1856. Die damals verlangte Sendung von 6 Aufgaben bestand bei Rothmaler aus einem repräsentativen Überblick über den damaligen Stand der Problemkomposition und umfasste zwei für damalige Zeiten künstlerisch ausgezeichnet ausgearbeitete Probleme, daneben zwei mansubenartige Stücke und zwei Aufgaben "mit urwüchsigen Ideen in kräftiger Ausführung, die künstlerische Gestaltung vermissen lässt"(so Paul Weyl im Deutschen Wochenschach 1919). Ungeteiltes Lob fand die hier wiedergegebene Aufgabe, die u. a. vom großen Konrad Bayer in Wien zu wiederholten Malen für meisterhaft erklärt wurde. Nach dem schachbietenden Schlüssel 1.Le6+ Kf6 folgt 2.Sc5 Ke5 3.Kb6!, woran sich eine Sternflucht des sK mit anschließendem S-Matt anschließt. Rothmaler beteiligte sich noch an weiteren Turnieren jener Zeit (Bristol 1861, London 1862) und schickte danach von 1864 bis 1866 eine Reihe von Problemen an die Neue Berliner Schachzeitung, danach verstummte er schachlich. Mit nur 35 Jahren erlag er, mittlerweile zum Direktor des Gymnasiums Nordhausen avanciert, einem Lungenleiden.

Vor 250 Jahren wurde Johann Baptist Allgaier (19.6.1763-3.1.1823) geboren, der zwar nicht zu den Problemisten gezählt werden kann, aber für die Entwicklung des Schachs im deutschsprachigen Raum eine wichtige Rolle spielte. Er gilt als der erste bedeutende deutschsprachige Schachmeister, insbesondere wegen seines Lehrbuchs Neue theoretisch-praktische Anweisung zum Schachspiel, das erste systematisch abgefasste, eigenständige deutsche Schachlehrbuch. Es erschien zuerst 1795 und erfuhr zu Allgaiers Lebzeiten noch drei von ihm selbst überarbeitete Auflagen (1802, 1811 und 1819); erst mit dem fast ein halbes Jahrhundert später erschienenen "Bilguer" begann eine neue Epoche der Schachliteratur. Über Allgaiers Leben ist wenig bekannt; er gab Schachunterricht am kaiserlichen Hof in Wien, vermutlich bediente er zeitweise den Schachtürken, und nach seinem frühzeitigen Ausscheiden aus dem Militär musste er seine knapp bemessene Pension in Wiener Kaffeehäusern durch Schachspielen aufbessern. [GüBü]


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